Wegen Trump-Rückzug aus Europa: Nato strebt nach EU-Türkei-Annäherung bei Verteidigung
Wegen der US-Politik unter Trump suchen europäische Länder neue Verbündete bei der Verteidigung. Nato-Chef Rutte will eine Annäherung mit der Türkei.
Brüssel – Unter Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich die Türkei vor allem in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Player der globalen Rüstungsindustrie entwickelt. Von Drohnen bis hin zu gepanzerten Fahrzeugen, Raketensystemen und Fregatten – das Portfolio ist breit aufgestellt, die Produktion und Gründung von neuen Konzernen boomt regelrecht, neue Entwicklungen gehören zum Alltag. Heute gibt es nahezu kein Produkt, dass die türkische Rüstungsindustrie nicht heimisch herstellen kann. Im Verteidigungsstreit mit den USA könnte das jetzt auch der EU einen entscheidenden Vorteil einbringen.
Türkei als globaler Rüstungsplayer: Nato und EU sollen von der Rolle Ankaras profitieren
Dessen ist sich wohl auch die Nato bewusst. Laut einem Bericht der Financial Times unter Berufung auf relevante Quellen hat Nato-Generalsekretär Mark Rutte europäische Länder hinter verschlossenen Türen dazu angeregt, sich der Türkei anzunähern. Demnach rief er die Staats- und Regierungschef mehrerer EU-Länder dazu auf, sich mit Erdogan stärker zu engagieren.
US-Präsident Donald Trump scheint entschlossen, sich aus der Verteidigung von Europa zurückzuziehen. Aktuell suchen EU-Länder daher nach neuen Möglichkeiten, Formaten und Bündnissen, um die Verteidigungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Dafür kommt unter anderem auch die Türkei infrage, die die zweitgrößte Armee der Nato besitzt und ihre Rüstungsproduktion deutlich hochgefahren hat.
Selbst die USA beziehen angesichts des hohen Bedarfs an Munition wegen des Ukraine-Krieges Kapazitäten aus der Türkei: Im Februar 2024 war bekanntgegeben worden, dass die USA drei Produktionslinien für 155-Millimeter Artilleriemunition von der türkischen Firma Repkon einkaufen. Diese Produktionslinien, die im Bundesstaat Texas installiert wurden, sollen ein Drittel des US-Bedarfs decken.

Nato fordert EU-Türkei-Annäherung: Rutte bittet um mehr Engagement mit Erdogan
Bei einem Abendessen Anfang Februar betonte Nato-Generalsekretär Rutte laut Financial Times die Bedeutung einer engeren Kooperation mit der Türkei. Die europäischen Staats- und Regierungschefs, die mit ihm am Tisch saßen, bat er drum, sich mit Ankara enger in Kontakt zu setzen, um die Kooperation vertiefen zu können.
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Die Türkei zeigte sich vor allem mit Ex-Geheimdienstchef und Außenminister Hakan Fidan immer öfter bei internationalen Treffen zur Ukraine. Fidan warnte zuletzt, dass die europäische Sicherheitsstruktur eine neue Form annehmen werde. Erdogan hatte auch Drohnen an die Ukraine geliefert, die vor allem zu Beginn des Krieges wirksam eingesetzt wurden und brachte zuletzt auch die Entsendung türkischer Friedenstruppen ins Spiel.
Ein hochrangiger EU-Beamter sagte gegenüber der Financial Times: „Umstände ändern sich. Irgendwann muss man sich entscheiden, wen man im Team haben will – ungeachtet der Probleme, die man haben könnte.“ Allerdings unterstrich er auch, dass die Türkei ihre „Ambiguität“ bezüglich Russland „in Ordnung bringen“ müsse.
EU-Türkei-Verhältnis nicht unproblematisch: Doch Trump sorgt für Umdenken
Erdogan unterhält nicht nur zur Ukraine ein gutes Verhältnis, sondern auch zu Russland und Kreml-Chef Wladimir Putin. Die Türkei steht immer wieder im Verdacht, Russland beim Umgehen europäischer und amerikanischer Sanktionen zu helfen. Der türkische Präsident ist jedenfalls genau darauf stolz: Die Fähigkeit, mit beiden Seiten zu reden und somit vermitteln zu können, wie es schon mehrmals im Ukraine-Krieg geschah.
Russland ist jedoch nicht der einzige Streitpunkt bei türkisch-europäischen Beziehungen. Die türkische Kontrolle über den nördlichen Teil Zyperns und die Spannungen mit Griechenland sind weitaus kritischere Themen, die das Verhältnis belasten. Ein griechischer Diplomat sagte der Financial Times, man sei „vorsichtig“ über eine engere Verteidigungsbeziehung der EU mit der Türkei. Gleichzeitig betonten mehrere Beamten und Diplomaten gegenüber der Zeitung, die Ankunft von Trump im Weißen Haus für eine zweite Amtszeit habe zu einem Wechsel der Perspektiven geführt. (bb)