Autoindustrie in der Krise: Italien-Hersteller dem Untergang geweiht?
Italien bangt um die Zukunft seiner Autoindustrie: Die Hersteller verzeichnen 2024 weniger Absatz und Produktion, Tausende von Arbeitsplätzen sind in Gefahr.
Turin/Rom – Italiens Autoindustrie ist bekannt für legendäre Sportwagenmarken wie Ferrari, Lamborghini und Maserati. Neben diesen exklusiven Herstellern spielt Fiat eine zentrale Rolle in der Geschichte der italienischen Wirtschaftshistorie.
2024 befinden sich jedoch dunkle Wolken über dem traditionsreichen Automobilstandort: Italien befinden sich in einer tiefen Krise, die noch schlimmer erscheint als jene der hiesigen Autobranche.
Italiens Hersteller produzieren 40 Prozent weniger Autos als 2023
Während in Deutschland die Umsätze im ersten Halbjahr um 4,7 Prozent zurückgingen, blickt Italien auf dramatischere Zahlen: Die Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sank bis Ende September um 31,7 Prozent auf 387.600 Fahrzeuge.
Besonders alarmierend ist der Einbruch der Pkw-Produktion, die im Vergleich zum Vorjahr um über 40 Prozent zurückging. Dies hat laut der Wirtschaftswoche schwerwiegende Folgen für Italiens Wirtschaft: Gewerkschaften befürchten den kurzfristigen Verlust von 25.000 Arbeitsplätzen sowie die Schließung mehrerer Werke. Dabei war im Frühjahr noch von einem regelrechten Boom im Jahr 2024 die Rede.

Italienische Autoproduktion droht Rückfall in die 50er-Jahre
Ein für den 18. Oktober geplanter Generalstreik in den italienischen Stellantis-Werken verdeutlicht die Dramatik: Stellantis, ein fusionierter Multikonzern aus Fiat-Chrysler und Peugeot-Citroën, spielt eine zentrale Rolle in Italiens Autoindustrie. Die Arbeitnehmerorganisationen rechnen damit, dass die Produktion für das Gesamtjahr um etwa ein Drittel sinken könnte - das würde Italien auf ein Produktionsniveau der 1950er-Jahre zurückwerfen, führt das Portal aus.
Ein drastisches Beispiel der italienischen Herstellerkrise zeigt sich im Maserati-Werk Modena, wo bis September lediglich 220 Fahrzeuge produziert wurden – im Vorjahr waren es noch 910. In anderen Werken wie Cassino und Turin seien die Produktionszahlen ebenfalls drastisch eingebrochen. Besonders schwerwiegend ist der Rückgang im ehemaligen Fiat-Stammwerk Mirafiori in Turin, wo bis Ende September 22.240 Autos gefertigt wurden – 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Stellantis verliert Marktanteile – italienische Regierung soll helfen
Auch der Marktanteil innerhalb Italien sinkt für Stellantis rapide: Im September verzeichnen Fiat und die Konzerngeschwister gerade mal 24 Prozent. Seit längerer Zeit verhandelt die italienische Regierung mit dem Autogigant über Maßnahmen zur Produktionssteigerung.
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Die Regierung hat bereits Kaufanreize für schadstoffarme Fahrzeuge eingeführt, es handelt sich um Prämien in einer Höhe von 2,75 Milliarden Euro für Elektroautos. Allerdings hält Stellantis die Maßnahmen für unzureichend. Ein weiteres Problem sind die hohen Energiekosten in Italien, die laut Wirtschaftswoche fast doppelt so hoch sind wie in Deutschland.

Italiens Autoindustrie leidet unter Problemen - es drohen weitere
Auch strukturelle Probleme Italiens wie geringe Produktivität, hohe Logistikkosten und eine komplexe Bürokratie haben das Land angeblich daran gehindert, internationale Hersteller anzuziehen. Zudem produziert Italiens Autoindustrie hauptsächlich Kleinwagen, die in anderen Ländern wie Marokko oder Polen günstiger gefertigt werden können. Auch in E-Mobilität sei zu wenig investiert worden: Viele Zulieferer hängen stark vom Verbrennermotor ab und sind oft zu klein, um in neue Technologien zu investieren.
Daher gehört die Regierung in Rom zu den Verfechtern einer Aufweichung des für 2035 geplanten Verbrenner-Aus auf EU-Ebene. Auch mögliche Strafzahlungen wegen verfehlter CO₂-Grenzwerte möchte Italien verhindern, die aufgrund der mangelnden Elektroauto-Quote wahrscheinlich sind. Woran Rom den Angaben zufolge noch tüftelt: einem europäischen Hilfsfonds für die kriselnde Autoindustrie.
Auto-Standort Italien mit mehreren Problemen – China-Gespräche ohne Resultat
Die Bemühungen sind vorhanden, die Lage ist jedoch kritisch: Stellantis ist der einzige bedeutende Autokonzern in Italien, erfolgreiche Nischenanbieter wie Ferrari und Lamborghini können mit ihrer geringen Produktionsmenge die Branche nicht retten. Premierministerin Giorgia Meloni setzt große Hoffnungen auf chinesische Investoren, die bestehenden Fabriken neuen Schwung verleihen. Doch die Gespräche mit Dongfeng und weiteren China-Herstellern haben bislang offenbar keine Früchte getragen.
Weitere Rückschläge erlebte die beheimatete Autoindustrie durch die Schließung des Maserati-Werks in Turin-Grugliasco sowie die Verzögerung neuer Modelle wie des Fiat 600 oder des Alfa Romeo Stelvio. Auch die geplante Batteriefabrik des Automotive Cells Company Konsortiums in Termoli wurde auf Eis gelegt und es ist unklar, ob das Projekt überhaupt realisiert wird.
Probleme der Autoindustrie eine schwere Hürde für Italiens Wirtschaft
Ein weiterer Rückschlag wäre der Verkauf von Fiats früherer Robotiksparte Comau an einen amerikanischen Investor, Italiens Regierung möchte diesem Stellantis-Deal jedoch einen Riegel vorschieben.
Angesichts dieser Entwicklungen steht die italienische Autoindustrie vor existenziellen Herausforderungen. Ob sie es schafft, sich und die Hersteller aus dieser Krise zu befreien, ist ungewiss. Klar scheint, dass drastische Maßnahmen erforderlich sind, um das Überleben der Autoindustrie Italiens zu sichern und damit auch diesen bedeutenden Wirtschaftszweig.
Am Freitag (11. Oktober) berichtet Stellantis-Chef Tavares vor dem Parlament in Rom über die Lage des Konzerns. „Wir hoffen, dass er ein möglichst umfassendes Bild der Situation des Konzerns in Italien geben wird“, ließ Michele De Palma, Chef der Metallgewerkschaft Fiom-Cgil, wissen. (PF)