Wie die Region 1932 und 1933 bei der Reichstagswahl die NSDAP wählte und was danach geschah

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Dieses Bild zeigt Wahlergebnisse aus dem früheren Landkreis Schongau vom November 1932. © Rudi Hochenauer

Vielen Landkreisbewohnern sind die Zahlen von den Wahlen aus den Jahren 1932 und 1933 sicher nicht bekannt. In den Schulen wurde darüber nichts beziehungsweise wenig gelehrt oder besprochen, was sich damals zusammenbraute. Wir haben ins Archiv geschaut.

Landkreis – Wie wählten die damaligen Menschen in den jeweiligen Orten am Ende der Weimarer Republik, und wie waren die Erwartungen in die NSDAP und Adolf Hitler? Bei den Wahlen im November 1932 und dann im März 1933 gab es nur drei Orte im heutigen Landkreis Weilheim-Schongau, die die NSDAP ignorierten, teilweise auch verachteten und wo diese Partei unter normalen Umständen nie an die Macht gekommen wäre. Dies waren Penzberg, Peißenberg und Hohenpeißenberg.

In vielen andern Orten fuhr die NSDAP eine gewaltige Ernte ein, es gab Orte, wo sich die Wahlergebnisse vom November 1932 zu März 1933 für die Nazis verzehnfachten. Die NSDAP nutzte die Zeit nach der Jahreswende 1933, um für ihre Ziele Reklame zu machen. Die wirtschaftliche Situation im Land war schlecht, die vorhergehenden Regierungen scheiterten sehr oft an innerparteilichen Konflikten.

NSDAP schickte Redner in die Orte, Landwirtschaft wurde umworben

Die NSDAP witterte in den Neuwahlen im März ihre Chance, sie schickte Redner in die Orte, und speziell in den landwirtschaftlich geprägten Gemeinden fuhren die Bürger damals voll darauf ab. Der „Reichsnährstand“ wurde umworben wie noch nie, der Landwirtschaft ging es in den 1930er Jahren nicht gut, viele Bauernhöfe waren verschuldet. Hitler brauchte die Landwirtschaft für seine Ziele, um das Land von fremder Lebensmittelversorgung unabhängig zu machen.

In den Bergbauorten schaute es völlig anders aus: In Hohenpeißenberg, so kann man es aus der Heimatzeitung von 1933 lesen, lag die Arbeitslosigkeit bei 2,5 Prozent, es herrschte also Vollbeschäftigung. Die Arbeiter im Bergbau hatten erstens Arbeit und waren durchwegs gewerkschaftlich organisiert, waren politisch links orientiert und hielten von Hitler mit seinen Kumpanen nichts. Sie erlebten die von der SA initiierten Saalschlachten wie in Murnau, wo es viele Verletzte gab.

Dieses Bild zeigt Wahlergebnisse aus dem früheren Landkreis Schongau vom März 1933.
Dieses Bild zeigt Wahlergebnisse aus dem früheren Landkreis Schongau vom März 1933. © Rudi Hochenauer

Jene Arbeiter, die in anderen Orten arbeitslos waren, hofften auf Arbeit und glaubten auch an das, was man ihnen erzählte. Von den alten Arbeitern in Hohenpeißenberg konnte man vor 50 Jahren noch hören: „Für uns war klar, ,wer Hitler wählt, wählt Krieg‘“. Das aggressive Auftreten von Hitler in seinen Reden wurde so schon lange vor dem Jahr 1939 von nicht wenigen richtig eingeschätzt.

Verfahrene Gesamtsituation

Die Arbeitslosenunterstützung war mehr als knapp, und jene Männer, die keine Arbeit hatten, konnten ihre Familien nur mit großer Not ernähren. So einen Sozialstaat, wie wir ihn heute haben und kennen, gab es nicht. Ehrlicherweise muss man sagen, es gab überhaupt keinen Sozialstaat.

Die Gesamtsituation im Deutschen Reich war politisch verfahren, viele Parteien zersplitterten den Reichstag und arbeiteten teilweise gegeneinander. Eine Radikalisierung war erkennbar, in einigen Länderregierungen wie zum Beispiel in Thüringen waren die Nazis schon seit 1930 an den „Schalthebeln der Macht“.

In den Bergbauorten hatte die NSDAP keine Chance

In den Bergbauorten Penzberg, Peißenberg und Hohenpeißenberg konnten die Nazis sowohl im November 1932, als auch in den folgenden Wahlen im März 1933 keinen Stich machen. Sie blieben dort in der Minderheit. Wie kam es dann, dass trotz dieser Beständigkeit und gleichzeitiger Ablehnung der NSDAP die Bürgermeister jener drei Orte entfernt werden konnten und die gewählten Gemeinderäte ebenfalls vor die Tür gesetzt wurden?

Der Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 war nach Aussagen der Nationalsozialisten von den Kommunisten begangen und gesteuert gewesen. Reichspräsident Hindenburg erließ daraufhin am 28. Februar eine Verordnung, die die Grundrechte der Bürger gewaltig einschränkte. Ab dann konnte man schnell verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen werden.

Sie war die Grundlage für das Ermächtigungsgesetz

Diese Verordnung war die Grundlage für das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933, dem alle bürgerlichen Parteien und die NSDAP (444 Stimmen) zustimmten. Als einzige Partei widersetzte sich die SPD (94 Stimmen) dem Ermächtigungsgesetz und damit der Reichsregierung unter Adolf Hitler. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmten für das Ermächtigungsgesetz und entrechteten sich damit selbst.

Die bestehende Reichsverfassung wurde dadurch außer Kraft gesetzt. Dieses Licht ging aber bei den bürgerlichen Parteien viel zu spät auf. Die kommunistischen Abgeordneten im Reichstag wie in den Ländern waren schon vorher verfolgt und verhaftet worden. Sie konnten an der Abstimmung am 23. März schon gar nicht mehr teilnehmen.

Bürgermeister wurden abgesetzt

Eine Verordnung jagte anschließend die andere, es war auf einmal rechtens, gewählte sozialdemokratische Bürgermeister von ihren Posten zu entfernen und durch „stramme Nazis“ zu ersetzen. Die Kommunisten in der Region wurden als erste verfolgt, aus der Zeitung war zu lesen, dass der „Kommunistenführer Feldmeier“ am 11. März in Peißenberg verhaftet wurde und in Schutzhaft kam.

Die Bürgermeister Rummer in Penzberg und Pröbstl in Hohenpeißenberg wurden aus ihren Ämtern vertrieben, der jeweils bestehende Gemeinderat aufgelöst und durch nationalsozialistische „Beigeordnete“ ersetzt.

Penzberger Bürgermeister kam ins KZ Dachau

Am 27. März 1933 wurde in Hohenpeißenberg Bürgermeister Pröbstl durch den Oberforstverwalter Primbs ersetzt, der ein strammer Nazi war. Nebenbei, der Sohn von Primbs wurde 1939 Kreisleiter in Innsbruck und die rechte Hand vom dortigen Gauleiter Hofer. Penzbergs Bürgermeister Rummer kam ins damals neu gegründete Konzentrationslager (KZ) Dachau.

Das Ermächtigungsgesetz gab der Reichsregierung freie Hand zu tun, was sie wollte. Zum 2. Mai wurden die Gewerkschaften verboten und deren Vermögen eingezogen. Die Arbeitersportvereine wurden verboten und aufgelöst.

Vorbereitungen für den Krieg liefen an

Bis zum Sommer waren alle anderen früheren Parteien verboten, es gab nurmehr die NSDAP im Reich. Jetzt blieben sechs Jahre für die Vorbereitung für einen Krieg, der fünfeinhalb Jahre dauern und Deutschland in den Untergang führen sollte.

Der größte Teil der Arbeiterschaft im Bergbau in Hohenpeißenberg konnte sich mit dem neuen System nicht anfreunden, man arrangierte sich, soweit man musste. Nach Kriegsbeginn im Jahre 1939 wurde der Druck auf die Bergleute immer mehr erhöht, ein großer Teil der Führungsmannschaft waren frühere „Stahlhelmer“ und jetzt Nazis geworden.

Keiner wollte in der Partei gewesen sein

Es ist dann schon mehr als „komisch“, dass sich nach 1945 keiner mehr an die Wahlerfolge der NSDAP erinnern konnte beziehungsweise wollte. Der verlorene Krieg und die Wahlen von 1933 wurden zum Tabuthema erklärt – und das zum Teil bis in die 1980er Jahre. Mütter belogen ihre Kinder, kein Vater oder Bruder war in der Partei gewesen, und keiner hatte sie gewählt. Die andere und bittere Wahrheit war aber, dass im Jahr 1945 jeder fünfte erwachsene Deutsche Mitglied der NSDAP war, also einer von insgesamt 8,5 Millionen Parteigenossen.

RUDI HOCHENAUER

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