Großer Autozulieferer steht vor massivem Stellenabbau: „Lage ist sehr ernst“

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Krise beim Autozulieferer ZF Friedrichshafen: Milliardenschulden und Einsparungen führen zu einem massiven Stellenabbau in Deutschland. Am Vorgehen gibt es Kritik.

Saarbrücken – Die Krise in der Automobilindustrie spitzt sich weiter zu. Auch immer mehr Autozulieferer haben mit der Wirtschaftslage zu kämpfen. Das betrifft auch einen der größten weltweiten Autozulieferer der Branche, den Konzern ZF Friedrichshafen: Schulden in Milliardenhöhe, schlechte Geschäftsergebnisse, Einsparungen. Zuletzt wurde angekündigt, dass bis zum Ende des kommenden Jahres 1.800 Jobs am Standort Saarbrücken gestrichen werden müssen – deutschlandweit sollen weitere tausende Stellen folgen. Nun meldete sich auch Betriebsratschef Achim Dietrich mit drastischen Worten: „Die Situation ist sehr, sehr, sehr ernst.“

Krise beim Autozulieferer ZF: Milliardenschulden, Mitarbeiterabbau – „Lage ist sehr, sehr, sehr ernst“

Am ZF-Standort in Saarbrücken werden Getriebe für Autos mit Verbrennungsmotoren, Hybridfahrzeuge und Elektroautos hergestellt. Für letzteren Zweig wurden neue Fertigungslinien aufgebaut, doch die Anlagen sind aufgrund des Rückgangs der Aufträge nicht ausgelastet. Rund 10.000 Mitarbeiter arbeiten in Saarbrücken für den Autozulieferer, weltweit zählt der Konzern sogar rund 168.700 Mitarbeiter an 162 Produktionsstandorten in 31 Ländern, geht aus der Unternehmenswebsite hervor.

Im Geschäftsjahr 2023 erzielte ZF Friedrichshafen einen Umsatz von 46,6 Milliarden Euro. Allerdings hat das Unternehmen kürzlich seine Umsatzprognosen nach unten korrigiert und erwartet nun einen Umsatz zwischen 40 und 42 Milliarden Euro, anstatt der zuvor prognostizierten über 42 Milliarden. Dies erhöht den Druck auf den Konzern, weitere Sparmaßnahmen zu ergreifen, um seine wirtschaftliche Stabilität zu sichern.

Die Industrie leidet unter einem Einbruch der Auftragslage. Nach zwei besseren Monaten im Sommer, gingen die Bestellungen im August deutlich zurück. Experten zeigen sich besorgt.
Werkshalle des Automobilzulieferers ZF Getriebe GmbH (Symolbild) © IMAGO / photothek

ZF-Betriebratschef: Mitarbeiterabbau ist „falsch“ – Menschen seien nicht das Problem von ZF

In den letzten Jahren hat sich ZF durch Übernahmen stark verschuldet und einen Schuldenberg in der Höhe von rund elf Milliarden Euro angehäuft. Berichten zufolge zahlt das Unternehmen jährlich fast eine halbe Milliarde Euro nur für Zinsen. Kosten, die der Vorstand durch Preiserhöhungen ausgleichen wollte, was jedoch nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben dürfte, schreibt Wiwo.

Der Abbau von Mitarbeitern wird vom Betriebsratschef stark kritisiert: Er sei „falsch“, denn nur rund 15 Prozent der Produktionskosten sind ihm zufolge Personalkosten. Und bei weniger personalintensiven Zweigen wie der Elektromobilität seien es überhaupt nur fünf bis acht Prozent. Er findet: Nicht die Menschen im Maschinenraum seien das Problem, sondern die Häufigkeit der Krisen: Corona, Lieferschwierigkeiten, die gestiegenen Energiekosten.

Dass die Situation sehr ernst sei, hatte auch ZF-Betriebsratschef Dietrich angekündigt, der den Vorstand zu Verhandlungen aufforderte. „Unser Ziel ist eine Klarheit für Beschäftigte vor dem Jahresende“, wird Dietrich von der Wirtschaftswoche zitiert. Er möchte klären, wie viele Mitarbeiter von den Kürzungen betroffen sind und wie viele Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden müssen.

Ein Drittel aller ZF-Werke könnten in Deutschland geschlossen werden

Der Autozulieferer plant einen massiven Mitarbeiterabbau, zwischen 11.000 bis 14.000 Mitarbeiter sollen alleine in Deutschland wegfallen, wo der Konzern über 50.000 Mitarbeiter beschäftigt. Klar ist bisher nur, dass 1.800 den Standort Saarbrücken betreffen werden. Die Einsparungen könnten auch kleinere Werke treffen. Eine ZF-Unternehmenssprecherin teilte auf BR-Anfrage mit, es gebe „einige Standorte, die nicht die notwendigen Ergebnisse erreichen.“ Dort müsste laut ZF mit „Verbesserungsmaßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit“ gesteigert werden.

„Es gibt eine Liste von Werken, die möglichst schnell dichtgemacht werden sollen“, zitiert das Handelsblatt den ZF-Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich in einem Interview. Insgesamt stünden sogar ein Drittel der 35 Inlandswerke auf wackligen Beinen. Er sieht den Mitarbeiterabbau auch in Hinblick auf die Zukunft kritisch, wenn es wieder besser läuft: „Wenn die Strukturen einmal abgebaut sind, kriegen wir sie nie wieder“, meint er. Es sollte darum gehen, wie man die Mitarbeiter hält.

Erst kürzlich kritisierte der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) das Vorgehen der Bundesregierung in Hinblick auf die Krise der Automobilindustrie: Kein anderes Land der Welt würde „eine der wichtigsten Säulen“ der Volkswirtschaft und des Wohlstands „mutwillig“ ruinieren. Die Krise sei absehbar gewesen. Sorgenvoll blicke er weniger auf die großen Autokonzerne wie VW, die sowieso viele Krisen bewältigen mussten. „Ich sorge mich viel mehr um viele Zulieferer. Das ist ein stilles Sterben“, so Gabriel. „Wo bleibt der Aufschrei?“ Gabriel verstehe nicht, wieso man in Deutschland eine der wichtigsten Säulen der Volkswirtschaft und des Wohlstands so derartig mutwillig ruiniere. „Kein anderes Land der Welt würde so etwas tun.“

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