Schlachtfeld in Kursk - Ukraine-Soldaten an russischer Grenze in Not: "Massenhaft Druck, sie brechen hindurch"

In der russischen Grenzregion Kursk liefern sich Russland und die Ukraine weiter heftige Kämpfe. Die Frage ist: Wie lange noch? Der künftige US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, den Krieg schnell beenden zu wollen. Wie genau und zu welchen Bedingungen, ist völlig unklar. 

Die Ukraine hofft aber, erobertes russisches Territorium als Verhandlungsmasse nutzen zu können. Russland wiederum versucht, den Ukrainern das Gebiet wieder entreißen zu können – und zwar mit nordkoreanischer Unterstützung.

Ukrainischer Soldat: „Wir halten durch, zerstören, zerstören, zerstören“

Die „New York Times“ hat jetzt mit ukrainischen Soldaten gesprochen, die sich in Kursk befinden. „Die Russen müssen dieses Gebiet um jeden Preis einnehmen und stecken all ihre Kräfte hinein, während wir alles tun, um es zu halten“, sagt Oleksandr. Er ist 46 Jahre alt und Anführer eines ukrainischen Infanteriezuges. „Wir halten durch, zerstören, zerstören, zerstören – so viel, dass es kaum zu begreifen ist.“

Der 30-jährige Oleksii erzählt, dass sich die Situation mit dem Eintreffen der Nordkoreaner deutlich verschlechtert habe. „Sie üben massenhaft Druck auf unsere Fronten aus, finden Schwachstellen und brechen durch sie hindurch.“

Nordkorea hat Russland rund 12.000 Soldaten für den Kampf gegen die Ukraine zur Verfügung gestellt. Erst vor wenigen Tagen haben die Ukrainer zwei Nordkoreaner gefangen genommen. 

Der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, schlug jüngst vor, sie an Nordkorea zu übergeben - im Austausch für in Russland festgehaltene ukrainische Kriegsgefangene.

„Wenn du da sitzt und sie auf dich zukommen und alles auf dich zufliegt“

Oleksandr sagt, das Blutbad in Kursk sei so schrecklich gewesen wie alles andere zusammen, was er seit seinem Eintritt in die Armee im Jahr 2014 erlebt habe. 

„Man schaut hin und kann gar nicht begreifen, wo man ist, wenn man jeden Tag sieht, wie viele Menschen wir zerstören.“ 

Er vergleicht es mit Kämpfen in der ukrainischen Stadt Bachmut, wo Maschinengewehrschützen regelmäßig ausgewechselt werden mussten, weil sie mit dem Tempo der Tötungen nicht zurechtkamen. „Am schlimmsten ist es für die Infanterie“, sagt er. „Wenn du da sitzt und sie auf dich zukommen und alles auf dich zufliegt.“

„Müssen verstehen, dass die Russen in diesem Gebiet ihre besten Elitesoldaten einsetzen“

Militäranalysten warnen davor, dass die ukrainischen Streitkräfte durch den Einsatz in Kursk zunehmend überfordert sein und in der östlichen Donbass-Region an Boden verlieren könnten. 

Viele der Soldaten in Kursk seien der „New York Times“ zufolge aber überzeugt, dass die Verluste in der Ostukraine ohne den Einsatz in Kursk noch schlimmer ausgefallen wären. 

„Wir müssen verstehen, dass die Russen in diesem Gebiet ihre besten Elitesoldaten und Reservesoldaten einsetzen“, sagt der 30-jährige Hauptmann Oleksandr Shyrshyn, ein Bataillonskommandeur. „Wenn man bedenkt, was sie in anderen Teilen der Ukraine tun könnten, ist das gut.“

Von Julia Hoene

Das Original zu diesem Beitrag "Ukraine-Invasion, Tag 1055: Was ukrainische Soldaten auf dem Schlachtfeld in Kursk erleben" stammt von Tagesspiegel.