Anschlag bei Moskau: Putin mit Vorwürfen an Ukraine – Kritiker vermuten „Operation unter falscher Flagge“

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Nach dem Anschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau hat sich der IS verantwortlich bekannt. Putins Kritiker vermuten allerdings eine „Operation unter falscher Flagge“.

Krasnogorsk/Moskau – Nach dem mutmaßlichen Terroranschlag auf die Veranstaltungshalle Crocus City Hall in der Stadt Krasnogorsk bei Moskau am Freitagabend (22. März) ist die Zahl der Todesopfer der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) zufolge auf mittlerweile 133 angestiegen. Zuvor hatte das staatliche Ermittlungskomitee Russlands ein Verfahren wegen eines „Terrorakts“ eröffnet. Russlands Inlandsgeheimdienst FSB teilte mit, bereits elf Verdächtige infolge des Anschlags festgenommen zu haben.

Präsident Wladimir Putin setzte für Sonntag einen nationalen Trauertag an. In einer Ansprache bezeichnete er den Angriff auf die Konzerthalle als „barbarische terroristische Tat“ und kündigte an, die für den Anschlag Verantwortlichen dementsprechend „zu bestrafen“. Infolge des Anschlags bekannte sich die dschihadistische Miliz Islamischer Staat dazu, für den Terrorakt verantwortlich zu sein.

In seiner Rede an die russische Bevölkerung warf Putin der Ukraine vor, in den Anschlag verwickelt zu sein. Dem russischen Präsidenten zufolge hätten die Angreifer versucht, im Anschluss des Terrorakts in die Ukraine zu fliehen. Nun aber werden Vermutungen laut, Russland selbst könnte in die Organisation des Terroranschlags verwickelt sein. Demnach mutmaßen einige Kritiker Putins, er könnte den Anschlag „unter falscher Flagge“ initiiert haben, um eine weitere Eskalation gegenüber der Ukraine zu rechtfertigen, berichtet das US-Medium Newsweek.

Nach Anschlag auf Konzerthalle bei Moskau gibt es eine Reihe gegenseitiger Schuldzuweisungen

Ersten Berichten der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti zufolge eröffnete eine Gruppe von Bewaffneten am Freitagabend das Feuer auf die Crocus City Hall, ein Konzerthaus mit einer Kapazität von bis zu 7200 Personen in Krasnogorsk, rund 25 Kilometer westlich der russischen Hauptstadt Moskau. Unter den elf Festgenommenen sollen sich angeblich auch vier Personen befinden, die direkt am Anschlag beteiligt waren, hieß es seitens russischer Behörden weiter.

Die ukrainische Regierung bestritt bereits, in irgendeiner Weise am folgenschweren Angriff auf die Crocus City Hall beteiligt gewesen zu sein. In einer Video-Ansprache erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstagabend, Kreml-Chef Wladimir Putin und seine Gefolgsleute versuchten, jemand anderem die Schuld für den Anschlag in die Schuhe zu schieben. Statt sich um Russland zu kümmern, habe Putin nach dem Anschlag einen Tag lang geschwiegen und wohl darüber nachgedacht, wie er der Ukraine die Ereignisse anlasten könne.

In mehreren Beiträgen auf X (ehemals Twitter), behaupten Kritiker der russischen Regierung, bei der Schießerei in der Crocus City Hall könnte es sich um eine vom Kreml veranlasste Operation unter „falscher Flagge“ handeln. Ihnen zufolge könnte sie in naher Zukunft als Vorwand für eine weitere Eskalation des seit Februar 2022 andauernden Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine genutzt werden.

Kreml-Kritiker vermuten, Putin selbst könnte den Anschlag bei Moskau initiiert haben

„Nun, im Allgemeinen wird alles klarer“, hieß es etwa seitens des Kanals WarTranslated, einem Medienprojekt, das Material über den Krieg ins Englische übersetzt, auf X. „Zuerst gab es einfache Gerüchte, dass ein Fahrzeug mit ukrainischen Nummernschildern gesichtet wurde. Jetzt sagt Putin direkt, dass die Ukraine ein Fenster zum Überqueren der Grenze vorbereitet hat. In ein oder zwei Tagen werden sie sagen, dass die ukrainischen Spezialdienste die Aktionen der Terroristen koordiniert haben“, erklärt der Urheber des Kanals weiter. Er legt die Vermutung nahe, dass Putin das „Kiewer Regime“ in Kürze beschuldigen werde, das Verbrechen selbst organisiert zu haben, „um eine Mobilisierung und/oder eine andere Maßnahme“ anzukündigen.

Die Anzahl der Todesopfer ist infolge des Anschlags vom Freitagabend mittlerweile auf 133 gestiegen. Nachdem sich der IS zum Anschlag bekannte, warf Wladimir Putin der Ukraine eine Beteiligung vor. Doch Putin-Kritiker vermuten eine „Operation unter falscher Flagge“
Große Anteilnahme nach dem mutmaßlichen Terrorangriff auf eine Konzerthalle bei Moskau. © IMAGO/Grigory Sysoev

Ähnlich äußerte sich auf X auch der ehemalige russische Diplomat Boris Bondarew, der Russland nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine ins Exil verließ: „Die Schießereien in Moskau lassen mich an zwei Dinge denken: die absolute Abwesenheit von Sicherheit für normale Menschen trotz eines ständig wachsenden Vollzugsapparats; und zweitens riecht es nach einer Operation unter falscher Flagge.“

Mögliche Operation Putins „unter falscher Flagge“ würde einem Vorfall aus Tschetschenien-Krieg gleichen

Andere Kritiker Putins zogen unterdessen auch den Vergleich zu einem Vorfall aus dem Jahr 1999, bei dem angebliche Gewalttaten unter falscher Flagge zur Rechtfertigung des Krieges gegen Tschetschenien benutzt wurden. „Russland ist ein Polizeistaat, der jedes Mal scheitert, wenn er versucht, etwas anderes als unbewaffnete friedliche Demonstranten zu kontrollieren“, schrieb der Journalist Alexey Kovalyow auf X als Antwort auf Bondarew. „Das, oder ich bin jetzt mehr denn je davon überzeugt, dass die Bombenanschläge in Moskau 1999 in der Tat Putins falsche Flagge waren.“

„Es macht keinen Sinn, große Erklärungen zu den Moskauer Schüssen abzugeben, aber ich würde eine Operation unter falscher Flagge nicht ausschließen“, knüpfte auch der Propagandaforscher Pekka Kallioniemi an die Vorwürfe an. „Das ist es, was FSB/Putin 1999 getan haben, um den zweiten Tschetschenienkrieg zu rechtfertigen und Putins Popularität und sein Image als starker Führer zu verbessern.“

Nach Anschlag bei Moskau werden aktuell vier Verdächtigte verhört – Nationaltrauertag auch in Serbien

Die vier Hauptverdächtigen infolge des Terroranschlags waren am Samstagabend zum Verhör in die russische Hauptstadt gebracht worden, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete, waren die vier Männer in einer streng abgesicherten Wagenkolonne vom Ort ihrer Festnahme in der südrussischen Region Brjansk zum sogenannten Ermittlungsausschuss gefahren worden. 

Videoaufnahmen sollen zeigen, dass es bei der Festnahme der Verdächtigen auch zu Folter gekommen sein soll. So zeigt ein in Russland verbreitetes Video etwa, wie einem Mann ein Ohr abgeschnitten wurde. Unabhängig waren die Aufnahmen zunächst nicht zu überprüfen.

In den kommenden Tagen solle vor Gericht ein Antrag auf Haftbefehl gestellt werden. Am nationalen Trauertag, den Wladimir Putin für Russland an diesem Sonntag ausgerufen hat, schlossen sich im Ausland auch Serbien und Nicaragua mit eigenen Trauertagen dem Gedenken an. Viele der bei dem Anschlag 152 verletzten Personen seien weiter in kritischer Verfassung, berichtete die Nachrichtenagentur Tass am Sonntagmorgen unter Berufung auf das Katastrophenschutzministerium für die Region Moskau. Unter den Verletzten seien auch fünf Kinder. (fh)

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