Wer in den Dax investiert ist, kann sich seit Anfang 2024 über beeindruckende Kursgewinne freuen. Satt 45 Prozent hat der Index seitdem zugelegt, seit Jahresanfang sind es fast 21 Prozent. Der Anstieg überrascht, weil die Erwartungen der Analysten für die Dax-Unternehmensgewinne kaum vom Fleck gekommen sind. Gerade einmal vier Prozent haben sie in den letzten gut eineinhalb Jahren zugelegt.
Steigende Gewinne sind also nicht der Grund für das Kursplus im Dax. Vielmehr sind die Bewertungen gewachsen, es hat eine sogenannte Bewertungsexpansion stattgefunden: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt mit einem Wert von 15 deutlich über dem historischen Durchschnitt von 13. Anleger sind also bereit, mehr für eine Aktie zu zahlen als in den vergangenen Jahren. Spitzenreiter mit KGVs von über 30 (auf Basis der für das kommende Jahr erwarteten Unternehmensgewinne) sind SAP, Rheinmetall und Siemens Energy.
Auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis ist seit Anfang 2024 von 1,3 auf 1,8 gestiegen und notiert damit auf einem Niveau, welches in den vergangenen zwanzig Jahren selten übertroffen wurde. Ein weiterer Wert, der zeigt, dass der Dax inzwischen „teuer“ ist: Die Dividendenrendite ist seit Anfang 2024 von 3,5 auf 2,7 Prozent gefallen. Damit liegt sie nicht nur auf einem Mehrjahrestief, sondern bietet erstmals seit 2008 keinen deutlichen Renditevorteil mehr gegenüber der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe.
Über den Autoren
Clemens Schömann-Finck ist Finanz-Experte und steht hinter dem Youtube-Kanal "René will Rendite". Bei FOCUS online beleuchtet er aktuelle Themen rund um Börse und Geldanlage. Abonnieren Sie hier seinen Newsletter für mehr Finanz-Infos.
Die hohe Bewertung macht den Dax anfällig für eine Korrektur. Investoren sind nach solchen Kursanstiegen schnell gewillt, Gewinne mitzunehmen, sobald es schlechte Nachrichten gibt. Sie fragen sich, ob sie nicht etwas zu optimistisch waren – und drücken die Verkaufstaste.
Gefahren für die Dax-Rally
Das Potenzial für schlechte Nachrichten ist groß:
- Noch ist nicht absehbar, wie sich die US-Zölle auf die Wirtschaft und die Unternehmensgewinne auswirken werden. Einige Dax-Unternehmen könnten dadurch gezwungen sein, ihre Produktion in den USA auszubauen, was 2026 wohl zunächst zu höheren Investitionskosten führen dürfte.
- Die Aufwertung des Euros kann zum Kostennachteil werden. Prognosen sagen voraus, dass ein Euro Ende nächsten Jahres 1,25 Dollar kosten könnte. Das schmälert die Exportchancen der deutschen Konzerne und drückt auf die Gewinne.
- Nicht nur die deutschen Aktien sind hoch bewertet, sondern auch die amerikanischen Tech-Werte. Enttäuschen sie bei den Gewinnen und werden daraufhin abgestraft, würde das die Stimmung an den Börsen weltweit deutlich verschlechtern und auch deutsche Aktien mit nach unten ziehen.
Auf der anderen Seite gibt es auch gute Gründe, die die hohe Bewertung rechtfertigen:
- Auch wenn praktisch alle Dax-Unternehmen weltweit agieren, dürfte es ihnen helfen, dass ihr Heimatmarkt Deutschland wegen der Zinssenkungen der EZB und insbesondere der sehr expansiven Finanzpolitik der deutschen Regierung erstmals seit vielen Jahren wieder spürbar wachsen wird. Die Commerzbank zum Beispiel recht für 2026 mit einem deutschen BIP-Wachstum von 1,4 Prozent - nach einem nur minimalen Plus von 0,2 Prozent in diesem Jahr.
- Trotz der Zölle bleiben die USA ein wichtiger Markt. Die Trump-Regierung macht Druck auf die Fed, die Zinsen deutlich zu senken und hat umfangreiche Steuersenkungen und Investitionsanreize beschlossen. Beides dürfte dem Wachstum dort helfen und entsprechend auch den deutschen Firmen zugutekommen.
- Die Aktienanalysten sind zuversichtlich für die Unternehmen und erwarten – nach einem mit weitgehend stagnierenden Gewinnen erneut enttäuschendem Geschäftsjahr 2025 – für 2026 aktuell ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum von 14 Prozent.
Die Luft im Dax wird dünn
Was heißt das alles unterm Strich? Die Dax-Rally steht fundamental auf wackligen Beinen. Denn die Unternehmensgewinne und die Dividenden treten – ähnlich wie die deutsche Wirtschaft – seit mehreren Jahren auf der Stelle. Viele gute Nachrichten sind schon in den Kursen vorweg genommen. Die DZ Bank zum Beispiel blickt wegen der hohen Bewertung skeptisch auf die nächsten Monate und erwartet fürs Jahresende im Dax einen Wert von 23.000 Punkten. Das wären knapp 1000 Punkte weniger als der aktuelle Stand.
Doch die acht Leitzinssenkungen der EZB, die wohl anstehenden weiteren Leitzinssenkungen der US-Notenbank und die deutlich höheren Ausgaben des deutschen Staates In Rüstung und Infrastruktur sprechen dafür, dass 2026 nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern auch die Gewinne der Dax-Unternehmen wieder spürbar zulegen werden. Für Ende 2026 sagt die DZ Bank einen Dax-Stand von 25.000 Punkten voraus.
Ein heftiger Rücksetzer zwischendrin lässt sich natürlich nicht ausschließen. Aber für langfristig orientierte Anleger ist das kein Grund zur Panik. Auch wenn es viel negatives Gerede über Deutschland gibt: Die deutschen Konzerne sind weltweit aktiv und Deutschland nur ein Markt. Für die Arbeitsplätze in Deutschland mag es vielleicht nicht so rosig aussehen, wenn es keine Standort-Reformen gibt. Die Konzerne bauen ihre Werke dann einfach irgendwo anders.
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