Kempten: Satirisch verhandelt das Theaterstück „Das Rote vom Ei“ das Thema Abtreibung

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Sarah Zaharanski, Peter Bocek und Maria Fliri als Pille, Kondom und Spirale diskutieren über ihre Stärken und Schwächen in Sachen Verhütung. © Mark Mosman

Der Theaterverein dieheroldfliri.at gastiert schon zum vierten Mal am Theater in Kempten. Im Gepäck: Ein Stück zum brisanten Thema Abtreibung.

Kempten – Die Inszenierung „Das Rote vom Ei“ in der Regie von Barbara Herold vereint drei pointierte Texte der Autorinnen Gertraud Klemm, Gabriele Kögl und Grischka Voss zu einem Theaterabend, der sich mit einem der kontroversesten Themen unserer Zeit auseinandersetzt: Abtreibung.

Mit Humor und Satire stehen die zentralen Fragen um das Thema im Mittelpunkt: Wann beginnt Leben überhaupt? Wie kommt es zu ungewollten Schwangerschaften? Welche Rolle spielen Männer dabei? Welche Bedingungen führen dazu, dass Frauen sich gegen eine Schwangerschaft entscheiden? Welche Möglichkeiten haben sie dann und wie werden sie dabei behandelt?

Dabei werden gesellschaftliche, religiöse und persönliche Aspekte beleuchtet. Auch die Unzuverlässigkeit von Verhütungsmethoden wird thematisiert, unter anderem durch ein absurdes Gespräch zwischen Spirale, Pille und Kondom. Dabei meistern die drei Schauspieler Mara Fliri, Sarah Zaharanski und Peter Bocek ihre Rollen mit Bravour. Es gelingt ihnen zwischen scharfer Satire, Tragik und Verzweiflung zu wechseln, immer mit Leichtigkeit und ohne moralischen Unterton.

Theater in Kempten: „Öffentliche Beschau“ im Theaterstück „Das Rote vom Ei“

Die Inszenierung beeindruckt mit einem Bühnenbild von Caro Stark: Eine weiße Lamellen-Front erinnert an eine klinische Umgebung, dient aber gleichzeitig als Projektionsfläche für Videosequenzen. Davor erstreckt sich ein Laufsteg, der Assoziationen an eine Modenschau weckt, also einer öffentlichen Begutachtung und Bewertung der Frau auf dem Weg zur ihrer Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft – eine ironische Verknüpfung zur gesellschaftlichen Inszenierung von Weiblichkeit.

Auf einer Art Laufsteg rennt eine Frau, rechts ein geistlicher, der ihr etwas zuruft, links eine Frau in einem Mantel, der Aussieht wie eine Vagina
Beeinflusst von Gesetz, Gewissen und Gesellschaft sind die Frauen, die sich zu einer Abtreibung entscheiden oder darüber nachdenken. Eindrücklich zeigt dies das Stück „Das Rote vom Ei“. © Mark Mosman

Die aufsehenerregenden Kostüme, wie ein roter Plüschmantel als Gebärmutter an dessen Achseln zwei Eierstöcke genäht sind oder Hasenohren für den animalischen Trieb, zeigen wie sich alle Elemente der Produktion stimmig zusammenfügen und durch Überspitzung und Bissigkeit verdeckte Mechanismen sichtbar machen.

Ein bewegendes Nachgespräch um das Tabuthema

Das Theater Oben bleibt auch zum Nachgespräch gut gefüllt – ein Zeichen für die Relevanz des Themas.

Die Diskussion mit Prof. Dr. Ricardo Felberbaum, den Ensemblemitgliedern sowie Ann-Kathrin Kemmler und Barbara Lohmaier von Pro Familia zeigt, wie emotional und komplex die Debatte ist. Felberbaum betont, dass mit jeder Abtreibung etwas Schönes verloren gehe.

Doch wie schön kann etwas sein, wenn die Umstände es unerträglich machen? Und genau hier kann Gesellschaft viel tun und vor allem die Bedingungen für Frauen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Anerkennung und Teilung von Care-Arbeit etc. verbessern.

Forderung nach besseren Bedingungen für Frauen

Besonders viel Zustimmung im Publikum findet Kemmlers Forderung nach freiwilliger Beratung statt Pflichtterminen sowie nach einer stärkeren Berücksichtigung der sozialen und psychischen Situation der Frau.

Auch die Rolle der Ärzteschaft wird hinterfragt: Warum gibt es im Allgäu kaum Mediziner, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen? Dabei spielt die deutsche Gesetzgebung eine große Rolle, da sie Abtreibungen unter Strafe stellt – obwohl eine große Mehrheit der Bevölkerung für eine Liberalisierung ist.

Die respektvolle Diskussion – trotz der unterschiedlichen Positionen – beweist, dass Theater ein guter Raum für komplexe gesellschaftliche Fragen ist. Solch ein Abend liefert viele Denkanstöße.

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

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