„Schmarotzer unseres Systems“: Apotheker warnt vor großen Gefahren durch Online-Medikamentenhandel

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Christopher Hummel richtet einen Appell an die Politik, Online-Apotheken strenger zu reglementieren. © arp

Apothekensprecher Christopher Hummel ärgert sich, dass die Politik, den Online-Apotheken keinen Einhalt gebietet. Er spricht über die Gefahren beim Medikamenten-Onlinehandel.

Seit Jahren sinkt die Zahl der Apotheken in Deutschland. Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ist mittlerweile schon der niedrigste Stand seit über 40 Jahren erreicht. Auch wenn es im Landkreis bislang noch einige Apotheken gibt, schlägt der Apothekensprecher Christopher Hummel Alarm. Ein besonderes Problem für die Apotheken vor Ort ist die Konkurrenz aus dem Internet geworden. Der Gaißacher warnt vor den Gefahren des schellen und günstigen Onlinegeschäfts bei Medikamenten und appelliert an die Bürger, vor Ort zu kaufen. Im Interview erklärt er die Problematik.

Herr Hummel, viele lokale Geschäfte haben mit der Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen. Das betrifft seit einiger Zeit auch Apotheken. Mittlerweile kann man Arzneimittel online nach Hause ordern. Spüren Sie die Auswirkungen?

Ja. Auch Apotheken haben nun das gleiche Problem, wie viele Läden. Man braucht sich ja nur in Bad Tölz oder Lenggries mal die ganzen Leerstände anzusehen, der Onlinehandel macht vielen individuellen, kleineren Geschäften den Gewinn kaputt, und die Städte werden immer einfarbiger aussehen.

Hauptgeschäft mit verschreibungspflichtigen Rezepten

Noch gibt es ja einige Apotheken hier im Landkreis. Wo spüren Sie, dass durch den Online-Handel der Gewinn zurückgeht?

Apotheken machen ihr Hauptgeschäft ganz klar mit verschreibungspflichtigen Rezepten. Die Kosmetik und Nahrungsergänzungsmittel sind ein gutes Nebengeschäft, und insgesamt ist das mit allem eine Mischkalkulation. Bei Letzterem spüren wir schon, dass das Geschäft stark zurückgeht. Wir bekommen leider auch immer wieder mit, dass sich jemand in der Apotheke ausführlich beraten lässt und dann das Produkt im Internet kauft, da es dort eben günstiger ist.

Und mit den Online-Preisen mitzuhalten, ist unmöglich, oder?

Das ist undenkbar. Der Onlinehandel hat ja ganz viele Posten, für die wir Händler vor Ort hohe Ausgaben haben, gar nicht. Ein Beispiel ist die Gewerbesteuer. Dazu sitzen die Online-Apotheken in Holland, da fallen dann schon mal die 19 Prozent Mehrwertsteuer weg. Wie sollen wir da mithalten? Was mir wichtig ist, ist, dass die Menschen das Konzept hinter den Online-Apotheken verstehen und sich dann nochmal überlegen, ob das wirklich so ratsam ist. Denn das Geld spart man sich nur kurzfristig.

Online-Apotheken haben Sitz in Holland

Wie meinen Sie das?

Na ja, diese Online-Apotheken sind einfach Schmarotzer unseres Steuersystems. Wer vor Ort einkauft, der sorgt dafür, dass das Geld in der Region bleibt. Wenn ich im Internet etwas kaufe, dann ist das Geld weg. Und sobald hier vor Ort die Steuereinnahmen stagnieren, bekommt das wiederum der Bürger zu spüren. Die Rechnung geht langfristig also nicht auf. Ich finde, dass der Onlinehandel ganz anders besteuert werden muss, und ich verstehe überhaupt nicht, wieso die Politik hier keinen Einhalt gebietet.

Wie sieht es eigentlich mit den verschreibungspflichtigen Medikamenten aus? Gehen hier die Einnahmen auch schon zurück? Mittlerweile kann man ja sogar E-Rezepte vom Arzt im Netz einlösen...

Das ist nun immer mehr im Kommen, und sicherlich wird uns das auch bald treffen. Bis dato machen die Online-Apotheken ja nur Verluste. Das rentiert sich überhaupt nicht, aber sie haben schon immer danach gelechzt, in den verschreibungspflichtigen Bereich zu kommen. Weil hier können sie das große Geld machen. Die Wege dahin wurden nun geöffnet. Das hat neben der wirtschaftlichen Bedrohung für die Apotheker vor Ort auch ganz andere Gefahren und gehört eigentlich verboten.

Da würde es mich interessieren, was ein Günther Jauch, der für diese Apotheken Werbung macht, sagen würde, wenn sein Enkelkind ein sofort benötigtes Medikament nicht bekommt.

Welche Gefahren wären das?

Zum einen gibt es keine Beratung mehr und keinen Apotheker, der nochmal drüberschaut, ob sich das Medikament mit den anderen verträgt, oder erwähnt, dass die Tablette zu teilen ist – manche können nämlich nicht geteilt werden, und so weiter. Dann kommt das große Problem mit den Kühlketten. Wenn ich ein Medikament bestelle, kommt das aus München. Und ich werde penibelst überprüft, ob ich alle Richtlinien in puncto Kühlketten einhalte. In Holland interessiert das niemanden, da die Onlineshops dort ein reines Exportgeschäft sind. Die Medikamente werden per Post verschickt, dass da niemals die Kühlkette eingehalten werden kann, sollte klar sein. Obendrein muss man sich auch überlegen, dass diese Medikamente dann in vielen Fällen, wie andere Pakete auch, teils frei zugänglich in Hausfluren abgestellt werden. Also summa summarum ist das wirklich bedenklich. Dazu ärgert es mich, dass mal wieder mit zweierlei Maß gemessen wird.

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Zweierlei Maß bei den Kühlketten?

Zum Beispiel. Während wir knallhart kontrolliert werden und uns teilweise mit Bürokratie und Co. das Leben schwer gemacht wird, gibt es für die Onlineshops keinerlei entsprechende Regeln. So macht die Politik die Städte und die Versorgung vor Ort einfach selbst kaputt.

Und die Versorgung vor Ort ist ja schon allein im Notfallbereich essenziell...

Natürlich. Das macht mich ja auch so wütend. Wenn ein Kind zum Beispiel hohes Fieber hat, kann man nicht warten, bis nach ein bis zwei Tagen das Päckchen Fiebersaft vom holländischen Onlinehändler in Bad Tölz angekommen ist. Da würde es mich wirklich mal interessieren, was ein Günther Jauch, der für diese Apotheken Werbung macht, sagen würde, wenn sein Enkelkind ein sofort benötigtes Medikament nicht bekommt, weil es eben keine Apotheken vor Ort mehr gibt, die den Notfallbereich mit Nachtschichten abdecken. Daher ist es wichtig, dass sich jeder einzelne genau überlegt, ob es die kurzfristige Ersparnis wirklich wert ist.

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