Ein Blick auf Ihren Kontostand kann Ihrem Herzen schaden – wie Sie sich schützen
"Ich habe zu viel Monat am Ende meines Geldes" – ein Satz, den viele Menschen mit einem bitteren Lächeln untermalen. Miete, Energie, Versicherungen, unerwartete Rechnungen: Wer dauerhaft jonglieren muss, gerät leicht unter Druck. Was viele dabei unterschätzen: Finanzieller Stress betrifft nicht nur den Kopf, sondern das Herz – im wörtlichen Sinne.
Was Studien zeigen: Geldnot macht herzkrank
Immer mehr wissenschaftliche Studien belegen: Finanzielle Belastungen erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – und das unabhängig von klassisch bekannten Faktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Bluthochdruck.
Menschen mit dauerhafter finanzieller Unsicherheit haben ein bis zu doppelt so hohes Risiko, an einer Herzerkrankung zu leiden oder daran zu sterben.
Eine Analyse der renommierten American Heart Association (AHA) aus dem Jahr 2021 fand:
- Chronischer Geldstress führt zu erhöhtem Blutdruck, vermehrtem Alkohol- und Tabakkonsum sowie Schlafstörungen – alles Risikofaktoren für das Herz.
- Langfristig wirkt finanzielle Unsicherheit wie ein chronisches Entzündungsgeschehen, ähnlich wie psychische Traumata oder Depressionen.
Auch weitere Studien zeigten, dass finanzieller Stress ein stärkerer Prädiktor für Herzinfarkt als Bewegungsmangel oder Übergewicht ist und die kardiovaskuläre Sterblichkeit um 50 Prozent im Zehn-Jahres-Vergleich erhöht, was besonders auf Menschen mit niedrigem Einkommen zutrifft.
Dr. Roland Prondzinsky, Kardiologe und Experte für innere Medizin, fokussiert sich auf Psychokardiologie. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Was passiert im Körper bei Geldsorgen?
Finanzstress wirkt über das zentrale Stresssystem des Körpers:
1. Daueraktivierung der HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse)
2. Ausschüttung von Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin
3. Erhöhung von Herzfrequenz und Blutdruck
4. Gefäßverengung und oxidativer Stress
5. Langfristige Schädigung des Endothels (Innenwand der Blutgefäße)
6. Förderung von Atherosklerose (Gefäßverkalkung)
Finanzieller Stress ist also biologischer Dauerstress, der das Herz schleichend belastet.
Armut und Krankheit – ein Teufelskreis
Kardiologen und Gesundheitssoziologen warnen: Armut macht krank, und Krankheit macht arm.
Ein Herzinfarkt bedeutet oft Arbeitsausfall, hohe Behandlungskosten und langfristige Einschränkungen – gerade für Menschen ohne Rücklagen eine enorme Belastung. Umgekehrt verstärken prekäre Lebensverhältnisse den Stress – eine gefährliche Rückkopplungsschleife.
"Es gibt keine Gesundheitsgerechtigkeit ohne soziale Gerechtigkeit", lautet das Statement eines der führenden US-Kardiologen, Eduardo Sanchez.
Was hilft? Strategien gegen finanziellen Stress
Zwar lassen sich Geldsorgen nicht immer sofort lösen – aber man kann lernen, besser damit umzugehen:
Praktisch:
- Schuldenberatung oder Budgetberatung aufsuchen
- Fixkosten senken, z. B. durch Umzug oder Anbieterwechsel
- Öffentliche Sozialleistungen prüfen und beantragen
- Konsumschulden vermeiden (z. B. durch Dispozins oder Ratenkauf)
Psychologisch:
- Achtsamkeitstraining, Yoga oder Atemtechniken, um Stress zu reduzieren
- Gespräche suchen – mit Freunden, Partnern, professionellen Beratern
- Bewegung als Ausgleich – besonders wirksam bei Stressabbau
Was die Politik tun müsste
Auch auf gesellschaftlicher Ebene gibt es Handlungsbedarf. Es braucht:
- existenzsichernde Löhne, faire Mieten, mehr Prävention in sozialen Brennpunkten
- Integration von psychosozialer Beratung in Hausarztpraxen
- "Screening auf finanziellen Stress" bei chronisch Kranken und Herzpatienten
- Förderung von gesundheitlicher Chancengleichheit – z. B. durch Gesundheitslotsen oder quartiersbezogene Angebote
Fazit: Finanzieller Stress ist ernstzunehmender Risikofaktor
Geld allein macht nicht glücklich – aber dauerhafte Geldsorgen machen krank. Finanzieller Stress ist kein Luxusproblem, sondern ein ernstzunehmender medizinischer Risikofaktor, der in jede Aufklärung zu Herzgesundheit gehören sollte. Wer das Herz schützen will, muss auch auf die soziale Situation schauen.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.