Söders Mann für die EU: Ein Biobauer aus Mannheim wird Bayerns „Außenminister“
Vor der EU-Wahl richtet sich der Blick auf Brüssel: Eric Beißwenger soll dort als Bayerns neuer Europa-Minister der oberste Lobbyist sein.
München – Einen Förderantrag für einen landwirtschaftlichen Betrieb zu erstellen, das ist für Eric Beißwenger kein Buch mit sieben Siegeln. Die praktischen Auswirkungen der Europapolitik mit all ihren Absurditäten sind dem CSU-Politiker vertraut. Denn der smarte 51-Jährige, seit November Bayerns Europaminister, hat in Bad Hindelang 25 Jahre lang einen eigenen Bio-Betrieb geführt.
„Eine Bullerbü-Landwirtschaft hatten wir“, schmunzelt der Politiker. Er hat eine ungewöhnliche Karriere eingeschlagen. Der Mannheimer stammt von einem Bauernhof, sein Vater aber legte dem Sohn eine Bankausbildung ans Herz. Doch für die Finanzwelt konnte sich der Sohn nicht begeistern. „Es war schon immer mein Wunsch, Landwirtschaft zu machen.“ Da auch seine Frau Landwirtschaft studiert hatte, machte sich das Paar auf die Suche nach einem Stück Land und wurde fündig in Bayern.
CSU-Europaminister Beißwenger: Ein Biobauer aus Mannheim!
Im schwäbischen Unterjoch, direkt an der Tiroler Grenze, kaufte das Paar 1997 einen Bauernhof mit zehn Hektar Land. Da war Beißwenger 25. „Der Hof war viel zu klein, um existenzfähig zu sein“, daher wurden sie in alle Richtungen kreativ: das denkmalgeschützte Haus renoviert, Ferienwohnungen gebaut, Pferde-Kutschfahrten angeboten, über 100 Bienenvölker gehalten, ein paar Schafe, Hühner, Gänse, Pferde, Freilaufschweine. Dazu eine Alpe und ein Hofladen. Die Neubürger wurden aufmerksam beobachtet – zumal der wiederbelebte Betrieb 1999 zum ersten Biohof in der Gemeinde mutierte.
Flexibel muss man sein als Landwirt – und aufgeschlossen für neue Aufgaben. So kam Beißwenger zur Politik. 2008 wurde er über die Ortsliste in den Gemeinderat gewählt. Wenig später trat er in die CSU ein – ein Biobauer aus Mannheim! Der Exot kam Schritt für Schritt voran: 2011 Ortsvorsitz in Bad Hindelang und Kreisvorsitzender der Mittelstandsunion. Seit 2013 sitzt er im Landtag – zehn Jahre später ist er Minister unter Markus Söder.

Beißwenger sieht sich weder als dritter Agrar-Minister nach Michaela Kaniber (CSU) und dem selbst ernannten Bauern-Versteher Hubert Aiwanger (Freie Wähler), noch als zweiter Wirtschaftsminister neben Aiwanger. Bayerns oberster Cheflobbyist oder Außenminister – mit diesen Titeln sieht er seine Aufgabe gut umschrieben.
Söders EU-Mann Beißwenger ist Aiwanger auf Reisen „noch nie begegnet“
„Landwirtschafts-, Umwelt- und Wirtschaftsfragen spielen in Brüssel eine immer größere Rolle“, sagt der Minister. Seine Aufgabe ist „reinzugrätschen, wenn es notwendig ist“ und die Bürokratie Purzelbäume schlägt. Beißwenger leidet nicht an Selbstüberschätzung. Er stapelt lieber etwas tiefer und bezeichnet sich „als kleines Rädchen im Getriebe“.
Meine news
Jede Woche ist er in Brüssel, trifft sich auch zu Gesprächen im Vorfeld von Entscheidungen. Diese Hintergrundgespräche machen keine Schlagzeilen, hier ist Diplomatie gefordert. Ganz wichtig sei die Wirtschaftsförderung – immerhin ist Bayern die sechstgrößte Volkswirtschaft in Europa und lebt vom Export. Erstaunlich aber, dass er da weitgehend allein auftritt und nicht im Duett mit Wirtschaftsminister Aiwanger. „Begegnet ist er mir noch nie bei meinen Auslandsreisen“, sagt Beißwenger vielsagend.
Zwischen Terminen in Brüssel und Berlin, europäischen Wirtschaftsreisen und Hintergrundgesprächen erdet sich Beißwenger auf dem Hof in Unterjoch. Bodenhaftung pur. Daheim hat er schon alles in die Wege geleitet. Seit zwei Jahren führt der älteste Sohn den Hof. Der 25-Jährige hat den Betrieb neu aufgestellt und in eine Schafhaltung umgewandelt. Mit 480 Mutterschafen betreibt er Landschaftspflege – etwa unter Photovoltaik-Flächen.
Söders „Außenminister“ will in der EU gestalten – Grüner verweist auf CSU-Regionalproporz
Ob Wirtschaftspolitik, Bürokratie-Abbau oder die neue EU-Agrarpolitik – Beißwenger will gestalten. Er ist für den tierwohlgerechten Stall, aber gegen eine Tierwohlabgabe („eine ideologische Tiersteuer, die Fleisch nur teurer macht“). Agrarförderung müsse bleiben – denn gesellschaftliche Leistungen wie Landschaftspflege, günstige Lebensmittel und umweltverträgliche Produktion „müssen auch bezahlt werden“.
Als glühender Europäer ist er der Opposition bisher noch nicht aufgefallen. Ludwig Hartmann, langjähriger Fraktionschef der Grünen, hält ihn aber für einen guten Netzwerker. Dass der als Abgeordneter wenig in Erscheinung getretene Biobauer in Söders Kabinett aufgerückt ist, erklärt Hartmann mit Regionalproporz: „Markus Söder brauchte noch jemanden aus Schwaben.“ Hartmann verlangt von Beißwenger, dass er für Europa brennt: „Europa ist das schönste Geschenk, das unsere Eltern uns gemacht haben.“
Bayerns Cheflobbyist in Brüssel denkt weniger in Schlagzeilen, sondern mehr strategisch – Deutschland müsse cleverer vorgehen und Beamte schon im EU-Apparat platzieren, damit „wir eine eigene Handschrift hinkriegen“. Griechenland, Italien und Spanien machten das viel geschickter. Networking ist in Europa alles – und so lässt Bayerns Europaminister alte Traditionen wieder aufleben. In der Bayerischen Vertretung in Brüssel wird heuer wieder ein Maibaum aufgestellt, Maibock ausgeschenkt und ein Oktoberfest gefeiert. Und bayerische Außen- und Wirtschaftspolitik betrieben – vom Biobauern und Banker aus dem Allgäuer Bergdorf.
Claudia Möllers