Tausende Falschparker betroffen: Big Brother Alarm - Anwalt erklärt Risiko neuer Scanner-Autos
Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung im Verkehrssektor eröffnet neue Möglichkeiten, auch für Behörden. In Baden-Württemberg, einer der führenden Automobilregionen Europas, spielen seit kurzem autonome Fahrzeuge, sogenannte scanCars, eine zentrale Rolle. Das Mobilitätsgesetz Baden-Württemberg bildet den rechtlichen Rahmen für die Erprobung und den Einsatz dieser Technologien.
Scanner-Autos suchen nach Falschparkern
Doch bei der rechtlichen Einordnung und Regulierung ergeben sich vielfältige Herausforderungen, die es zu beachten gilt.
Auf dem Gelände der Universität Hohenheim findet derzeit ein Pilotversuch statt. Es wird behauptet, dass eine Person mit einem Scanfahrzeug bis zu 1000 geparkte Fahrzeuge pro Stunde kontrollieren kann, während es zur Fuß nur etwa 50 Fahrzeuge sind.
Das eingesparte Personal könne an anderen Schwerpunkten (Schulwegen, Geh- und Radwegen) eingesetzt werden. Der Landesverkehrsminister betont, dass man mit dieser Maßnahme für übersichtlichere Straßen für Autofahrer ebenso sorge wie für den Schutz der Menschen, die zu Fuß unterwegs sein. Man werde vorerst einen Versuchszeitraum von drei Monaten ins Auge fassen, um ausreichend Daten zu erhalten, die sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Zuverlässigkeit des Systems abbilden.
Wie läuft der Vorgang praktisch ab?
- Das Fahrzeug scannt den Straßenraum und generiert eine digitale Parkplatzkarte.
- Es erkennt, an welchen Stellen parken zulässig ist.
- Dann werden die Kennzeichen der parkenden Fahrzeuge mit den hinterlegten Kennzeichen abgeglichen.
- Während des Versuchszeitraums werden die erfassten Verstöße nicht geahndet.
- Nach mir vorliegenden Informationen sollen Daten ordnungsgemäß geparkter Fahrzeuge umgehend gelöscht werden.
- Ist ein Fahrzeug illegal geparkt, werden die Daten für die Dauer der Ermittlung und Ahndung des Parkverstoßes gespeichert.

Park-Kontrolle per Scan-Fahrzeug - darum ist das problematisch
Meines Erachtens birgt dieses Vorgehen erhebliche rechtliche Risiken: In der Bundesrepublik existiert ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ein Bürger darf üblicherweise (ich nenne einmal erkennungsdienstlichen Maßnahmen als Ausnahme) selbst darüber entscheiden, welche seiner Daten erhoben und verarbeitet werden. Die flächendeckende Erfassung von Kennzeichen greift potenziell massiv in dieses Recht ein.
Man bedenke: Jedes gescannte Kennzeichen generiert einen Datensatz, der zumindest zeitweise mit dem Ort und der Zeit des Scans verknüpft wird. So lassen sich Bewegungsprofile erstellen und es können Rückschlüsse auf Gewohnheiten und Aufenthaltsorte gezogen werden, ohne dass ein konkreter Anlass für eine Überprüfung besteht.
Bewegungsprofile können erstellt werden
Lese ich in § 13 des baden-württembergischen Mobilitätsgesetzes, dass neben dem Kennzeichen auch ein Bild des Fahrzeugs erfasst werden darf, stelle ich mir die Frage, was dieses Bild zeigt? Je nach Stellung des Scan-Fahrzeugs können nämlich durchaus auch durch die Verglasung sichtbare persönliche Gegenstände abgebildet werden, die mit einer Parkraumüberwachung nun einmal gar nichts zu tun haben.
An dieser Stelle muss nach der Verhältnismäßigkeit derartiger Maßnahmen gefragt werden:
- Ist der Nutzen einer massenhaften Kennzeichenerfassung tatsächlich so groß, dass man in derartigem Umfang in Grundrechte eingreifen darf?
- Ich vertrete die Auffassung, dass es sicherlich Methoden gibt, die gleichen Ziele zu erreichen, ohne derart eingriffsintensiv zu agieren.
- Auch sehe ich Probleme im Bereich der Speicherung und Weiterverarbeitung erfasster Daten.
Zwar wird behauptet, die Daten ordnungsgemäß geparkter Fahrzeuge würden sofort gelöscht. Aber wer garantiert uns das? Ich vermisse hier klare und eindeutige Regelungen. Je länger Daten gespeichert werden, desto eher kann man Bewegung- bzw. Persönlichkeitsprofile erstellen.
Gesetz muss nachgebessert werden
Als Bürger habe ich des weiteren ein Recht darauf, zu erfahren, wann und wo die Scanfahrzeuge unterwegs sind und welche Daten konkret erfasst werden. Das baden-württembergische Mobilitätsgesetz in der vorliegenden Form reicht mir im Hinblick auf den Datenschutz weder im Rahmen des Versuchs der Universität Hohenheim, geschweige denn für einen flächendeckenden Einsatz aus. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, nachzubessern.
Rechtsanwalt Michael Winter studierte in Tübingen Jura und ist seit 1989 auf verkehrsrechtlichem Gebiet tätig. Als Lehrbeauftragter an der dualen Hochschule Baden-Württemberg vermittelt er seine Erfahrung auch im wissenschaftlichen Bereich. Das von ihm gegründete Unternehmen “WHW Seminar & Service” bildete seit 2001 durch interaktive Seminare eine vierstellige Zahl von Verkehrsteilnehmern unter dem Firmenmotto: “Wissen Hilft Weiter“ in den Bereichen „Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht“ weiter. Seit Beginn der Dieselskandale klagt Winter zudem zusammen mit seinen Kooperationspartnern gegen mehrere deutsche Automobilhersteller, darunter auch Volkswagen.