Spendenaufruf eines Ironman

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Andrej Heilig kämpft sich ins Leben zurück, mithilfe seiner Mutter Slavi und eines Bewegungstrainers, auf dem er täglich 20 bis 30 Kilometer zurücklegt. © Dagmar Rutt

Andrej Heilig (47) hat einen Spendenaufruf gestartet. Überschrieben ist er „Chance auf ein lebenswertes Leben“. Geld ist nicht das Einzige, was sich der Planegger wünscht. Genauso wichtig sind soziale Kontakte.

Planegg – Andrej Heilig hat sein Leben verloren, 2013 in einer Juninacht. Hinter einer Unterführung. Er ist nicht tot, aber manchmal wünscht er, er wäre es. „Ich kann nur jedem empfehlen, eine Patientenverfügung zu machen. Ich wäre lieber gestorben, als jetzt so zu leben.“ Er spricht leise. Manchmal hat er Probleme, sich zu artikulieren. Es ist eine der Folgen seines Schädelhirntraumas, dazu motorische Einschränkungen, vor allem der Arme und Beine, und Konzentrationsschwierigkeiten.

Heilig, Bayerischer Triathlon-Meister, mehrfacher Gewinner des Kraillinger Duathlons, zweifacher Finisher der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii, war auf dem Höhepunkt seines Leistungsvermögens, als ihn das Auto erfasste. Der promovierte Lebensmitteltechniker war mit seiner Frau und den beiden Kindern Emil und Marlena nach North Carolina gezogen, um dort, mit einem Stipendium der North Carolina State University ausgestattet, an seiner Habilitation zu arbeiten. Gleichzeitig wollte er seine Möglichkeiten im semiprofessionellen Triathlon-Bereich ausloten. „So war der Plan“, sagt er.

Fünf Monate im Koma

Am Unfalltag brachte Heilig nach einem Wettbewerb den Leihwagen zurück und fuhr dann nachts, als Extra-Trainingseinheit, auf seinem Rennrad zurück nach Hause. Er hatte eine Helmlampe auf, doch die half nicht.

Heilig lag fünf Monate im Koma. Nach dreieinhalb Wochen wurde er nach Deutschland geflogen. Weil seine Frau aus Nordrhein-Westfallen stammt, kam er in ein Krankenhaus nach Duisburg, später nach Köln. Auf das Koma folgte das Wachkoma, Heilig wurde lange per Sonde ernährt, war inkontinent. Er kämpfte sich zurück, doch Ehe und Familie blieben auf der Strecke. 2016 zog Heilig zu seiner Mutter Slavi Heilig nach Planegg.

In seinem Zimmer stehen Regale mit seinen Pokalen, darüber hängen Bilder, die er als Kind gemalt hat. Ein großes Foto von seinen eigenen Kindern und ihm, aufgenommen im vergangenen November in einem Eiscafé in Bocholt, erinnert an das letzte Treffen. Eine Stunde hatte er damals mit Emil (14) und Marlena (10).

Auf dem Schreibtisch stehen zwei Karten: „Ich will gesund sein“ und „Ich bin stolz auf mich, auf alles, was ich schon geschafft habe, und ich schaffe noch mehr“. „Motivation spielt eine ganz große Rolle“, sagt Daniel Janser. Seit zwei Jahren kommt er zweimal pro Woche für vier Stunden zur Alltagsbetreuung zu Heilig. Mal machen sie Fitness, mal sehen sie sich einen Kinofilm an, wobei die Erreichbarkeit der Kinosäle mit Rollstuhl und barrierefreier Toilette die Auswahl einschränkt.

Spinning beim TV Planegg-Krailling

In Heiligs Zimmer steht ein MOTOmed-Bewegungstrainer. Heilig nutzt ihn täglich, oft über Stunden, sitzt im Rollstuhl und bewegt die Beine. 20 bis 30 Kilometer schafft er täglich. Inzwischen kann er auch wieder im Fitnessstudio auf dem Laufband laufen. Im vergangenen Winter war er immer freitags beim Spinning beim TV Planegg-Krailling. Jan Heller, der ehemalige Triathlon-Abteilungsleiter, habe dies ermöglicht.

Heiligs erstes Ziel war, aufs Laufband zu kommen, nun möchte er auch dauerhaft auf den Rollstuhl verzichten können. „Ich habe früher selbst Leute trainiert. Ich weiß, was funktioniert und was nicht“, sagt er. Zweimal verbrachte er bereits jeweils sechs Wochen m Zentrum der Rehabilitation in Pforzheim. Die Spezialisten dort arbeiten daran, die motorischen Funktionen etwa nach Schädelhirntrauma wiederherzustellen. Der Patient soll seine Eigenständigkeit wieder erlangen.

Den Aufenthalt zahlt die Kasse nicht, Heiligs Ersparnisse sind aufgebraucht. So rief er im März vergangenen Jahres auf „gofundme“ die Spendenaktion ins Leben. Dort schreibt er, der Unfall „beendete mein Leben, wie ich es bis dato gekannt hatte: erfüllt, voller Glück und von morgens bis abends durchgeplant“. In den vergangenen knapp 15 Monaten sind 6870 Euro zusammengekommen. Als Spendenziel hat Heilig allerdings 75 000 Euro ausgegeben.

Der Lebensmitteltechniker bemüht sich, ins Berufsleben zurückzukehren. Er habe sich unzählige Male beworben, als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Postdoc, habe Anschreiben verfasst und seinen Lebenslauf hochgeladen, doch nie sei eine Rückmeldung erfolgt. Mit Pausen könne er arbeiten, „am Stück ist schwierig“.

Website-Einträge enden mit Unfall

Heilig wurde in München geboren, wuchs in Alling auf, ins Würmtal kam er, wenn wieder der Kraillinger Duathlon anstand. „Ich kenne mich hier nicht aus“, sagt er. Wenn Daniel Janser nicht vorbeikommt, ist Heilig meist alleine. „Er hat die Situation im Rollstuhl nicht so angenommen. Er würde gerne wieder richtig teilhaben am Leben, um sich selbst verwirklichen zu können. Dazu braucht es regelmäßige Kontakte.“

Andrej Heilig betrieb bis zu seinem Unfall eine Website: andrejheilig.de. Der letzte Eintrag stammt von Ende 2012. Unter Persönliches ist ein Steckbrief zu finden. Dort steht: „Meine größten Stärken sind Selbstdisziplin und, wenn es hart auf hart kommt, heitere Gelassenheit.“

Mehr zu Andrej Heiligs Spendenaktion findet sich unter: https://www.gofundme.com/f/chance-auf-ein-lebenswertes-leben.

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