Bürgergeld für Ukrainer soll weg: CDU zweifelt an Versprechen, SPD ist belustigt

Was heute zu einem kniffligen Problem geworden ist, war eigentlich gut gemeint: Als 2022 nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges immer mehr Menschen nach Deutschland flohen, reagierten Bund und Länder einvernehmlich mit einem ungewöhnlichen Schritt. Die ukrainischen Geflüchteten erhalten seither sofort Bürgergeld. Parteiübergreifend wollten die Politiker damit ihre Solidarität zeigen, Asylbehörden entlasten und eine schnelle Integration ermöglichen.

Doch schon bald drehte sich die Lage. Das Bürgergeld für Ukrainer erwies sich als teuer, die Arbeitsmarktintegration lief schleppend, Kritik an echtem und vermeintlichem Sozialbetrug nahm zu. Die CDU reagierte darauf und gab im Wahlkampf das Versprechen, das Bürgergeld für Ukrainer wieder abzuschaffen. In den Koalitionsvertrag mit der SPD schrieb man schließlich, dass nach April 2025 eingereiste Ukrainer wie alle anderen Flüchtlinge wieder die niedrigeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten sollen.

Doch die Umsetzung lässt auf sich warten. Dabei ist das Thema zuletzt wieder wichtiger geworden. Die Zahl neu in Deutschland ankommender Ukrainer ist deutlich gestiegen. Beispielsweise in Sachsen kamen im September mehr als 1200 Geflüchtete an – so viele wie seit August 2022 nicht mehr.

Betreuung durch Jobcenter: Bürgergeld für Ukrainer hat auch Vorteile

Zugleich steckt ein Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) schon seit Wochen in der Abstimmung mit anderen Ministerien fest. Weil die Regierung sich selbst zum Ziel gesetzt hat, die Änderung am 12. November im Kabinett zu beschließen, drängt die Zeit. Allerdings kommen immer mehr Zweifel auf, wie sinnvoll es ist, den Ukrainern künftig kein Bürgergeld beziehungsweise die neue Grundsicherung zu bezahlen.

Selbst in der Union gibt es Abgeordnete, die darauf verweisen, dass das bisherige System auch seine Vorteile hat. Denn obwohl die Quote arbeitender Ukrainer nur langsam gestiegen ist und immer noch unter der Quote bei Deutschen liegt, sind die angenommenen Jobs besser bezahlt und langfristiger als bei anderen Flüchtlingen. So ist die Gefahr niedriger, dass Ukrainer schnell wieder einen Job verlieren und erneut im Bürgergeld landen.

Grund für den Erfolg ist die Betreuung durch die Jobcenter. Deren Fokus liegt darauf, die Ukrainer schnell in Arbeit zu bringen. Würde die Bundesregierung die Bürgergeld-Regel nun zurückdrehen, wäre der Umgang mit den Ukrainern im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Darin ist aber keine Betreuung durch die Jobcenter vorgesehen. 

Sozialpolitiker in der Union fühlen sich in ihrer Skepsis bestätigt

Zahlreiche Experten und Praktiker haben zuletzt gewarnt, die Quote der Ukrainer mit Jobs würde dann wieder langsamer steigen. Martin Dietz, Wissenschaftler am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, fürchtet, dass "die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre einen Dämpfer bekämen". Auch Roland Schüßler, Chef der NRW-Arbeitsagentur, ist skeptisch. Aus Sicht des Arbeitsmarkts "macht es keinen Sinn", erklärte er der "Rheinischen Post".

Sozialpolitiker der Union fühlen sich damit bestätigt. Die Argumente waren bekannt, sie haben intern immer wieder darauf verwiesen. Doch nach einem auf Migration zugespitzten Wahlkampf musste die Union in den Koalitionsverhandlungen Punkte machen. Die Innenpolitiker, die mit der SPD über das Bürgergeld für Ukrainer berieten, ließen die Warnungen ihrer Parteifreunde verhallen und setzten sich schlussendlich durch.

Bürgergeld-Aus für Ukrainer könnte sogar mehr kosten als bisher

Die Sozialpolitiker sind nicht die einzigen Skeptiker in der Union: Auch in den Ländern und Kommunen gibt es Politiker, die auf mögliche negative Konsequenzen verweisen. Der Berliner Finanzsenator Stefan Evers wies im August darauf hin, dass der sogenannte Rechtskreiswechsel vom Bürgergeld zu Asylbewerberleistungen für die Länder teuer würde. Für deren Haushalte sei es "sicherlich keine einfache Aufgabe, jetzt von einem Tag auf den anderen in eine Leistungsverpflichtung einzutreten in diesem Umfang".

Was Evers meint: Das Bürgergeld zahlt der Bund, bei den Asylbewerberleistungen müssen auch Länder und Kommunen aufkommen. Zwar hat die schwarz-rote Koalition versprochen, diese Mehrkosten zu übernehmen. Doch selbst wenn das der Fall wäre, käme auf die Kommunen ein höherer Verwaltungsaufwand zu.  

So bleibt auch unklar, ob sich mit der Bürgergeld-Streichung Geld sparen ließe. Viele Experten prophezeien ein Nullsummenspiel, manche Politiker befürchten sogar, dass die Kosten steigen würden. Sollte es so kommen, dann würde es sich mit dem Anspruch der Union, bei Sozialleistungen zu sparen, nicht vertragen.

Bei der Union trifft Wunsch auf Wirklichkeit

Um die möglichen negativen Auswirkungen abzufangen, werden in der Union nun Alternativen zum bisherigen Plan diskutiert. Ein Vorschlag: Die Ukrainer fallen zwar unter das Asylbewerberleistungsgesetz, zusätzlich soll dort aber eine Betreuung durch die Jobcenter verankert werden. 

Während manche in der Union dem etwas abgewinnen könnten, wäre es für andere eine Verschlimmbesserung. Denn so würden neue Fragen aufgeworfen werden: Werden künftig nur ukrainische Geflüchtete durch die Jobcenter betreut? Das könnte rechtlich heikel werden. Oder werden auch Geflüchtete aus anderen Ländern dort sofort angedockt? Dann könnten die Jobcenter Gefahr laufen, überlastet zu werden.

So oder so, die Regeln würden noch komplizierter werden. Der Wunsch der Union, in der Migrationspolitik etwas zu verändern, trifft hier auf den Anspruch, Bürokratie abzubauen. Insgeheim ist mancher in der Partei mittlerweile davon genervt, dass man sich so selbst im Weg steht.

SPD ist über Zweifel in der CDU belustigt

Beim Koalitionspartner ist man darüber belustigt. Eine konfuse CDU habe ihr Wahlkampfversprechen nicht ganz zu Ende gedacht, heißt es in der SPD. Und so beobachtet man gespannt, wie die Union um einen für alle Seiten tragbaren Kompromiss ringt. 

Die Sozialdemokraten würden den höchstwahrscheinlich mittragen – hätten sie damit doch ganz ohne eigenes Zutun ein Wahlkampfversprechen der Union abgeräumt. So ist es kaum verwunderlich, dass die SPD nun mahnt, wie es sonst vor allem die CDU tut: Bei dem neuen Gesetz sei vor allem wichtig, dass Bürokratie und Kosten sich in Grenzen halten sowie dass die Ukrainer weiter schnell in Arbeit kommen.