Recherche um YouTube-Clown zeigt großen Fehler im Kampf "gegen rechts"
Viel wurde ja in den vergangenen Tagen über einen rechten Aktivisten geschrieben, einen YouTuber namens Clownswelt. "Radikal rechts", so urteilte die "Zeit", die sich für eine Enthüllungsrecherche mit der Satire-Show ZDF Magazin Royale zusammentat. Das Ziel: Einen bis dahin anonymen Video-Creator an den Pranger stellen, wegen seiner (angeblich) schlimmen Gesinnung.
"Hass und Hetze", das war ja klar
Clownswelt ist nicht jedermanns Geschmack. Doch wer Spaß daran hat, wenn jemand humorvoll die linksverstrahlte Plattform "Volksverpetzer" oder diverse Fernsehsendungen zerlegt, linke Argumentationen polemisch als Quatsch entlarvt, der könnte den Kanal kennen.
Die Videos von Clownswelt beinhalten jedoch auch billige Parolen wie "Fuck PC" und nerviges Anhimmeln der AfD, weshalb mein eigenes Interesse bisher eher überschaubar war. Mit Erstaunen las ich aber den besagten Artikel in der "Zeit".
"Jede Woche sendet er unter dem Namen ‚Clownie‘ seinen fast 300.000 Abonnenten auf YouTube Hass und Hetze auf ihre Telefone und Monitore", steht darin ganz zu Anfang. Was Hass und Hetze sein sollen?
Die "Zeit" nennt folgende Beispiele: Er habe sich über Ricarda Langs Körperfülle lustig gemacht. Olaf Scholz als "Kriegstreiber beschimpft", Greta Thunberg als "zurückgeblieben". Na, das ist zumindest mal nicht nett.
Aber ist das wirklich schon extrem?
Außerdem habe er gesagt, dass Transpersonen krank seien und psychologisch behandelt werden müssten. Das klingt fies, bis man erstaunt feststellt, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO noch bis 2018 selbst so argumentierte. Erst damals strich sie Transgender von der Liste psychischer Krankheiten.
Aber das ist natürlich noch nicht das Ende der Anklage. Clownswelt wünsche sich, so zitiert ihn die "Zeit", dass die AfD noch erfolgreicher werde, "damit viele Leute abgeschoben werden". Er habe gesagt, "dass Frauen sich in einer Beziehung um Kinder, Küche und Haus kümmern müssten".
Er kritisiere häufig öffentlich-rechtliche Sendungen und die Pandemie-Maßnahmen der Bundesregierung, nennt Warnungen vor den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels Panikmache. Hält Greenpeace für einen "Extremistenverein". Und so geht es weiter. Viele seiner Äußerungen kann man falsch, überzogen, undifferenziert und rückständig finden – aber ist das schon "rechtsextreme Subkultur im Internet"?
Extremismus unter der Hörbarkeitsgrenze
Weil auch den Autoren der "Zeit" klar zu sein scheint, dass die zitierten Aussagen von Clownie noch nicht extrem genug sind, um ihn als Verfassungsfeind zu brandmarken, wird eine neue These bemüht: Clownswelt kommuniziere unter der Hörbarkeitsgrenze, mit sogenannten "dog whistles", also Hundepfeifen. "Anhänger verstehen die Codes, aber Leute außerhalb der rechten Szene überlesen sie leicht", wird im Artikel erklärt.
Das könnte durchaus sein – könnte. Aber was, wenn dieses "dog whistling" nur eine böse Unterstellung ist? Wenn man eine versteckte Agenda hineinprojiziert, die eigentlich gar nicht da ist? Weil man zu fest davon überzeugt ist, dass hinter dem Account ein viel zu rechter Mensch steckt?
Worum geht es hier wirklich?
Worum es den Rechercheuren wirklich geht, wird später im Artikel offensichtlich: Clownswelt, so schreiben sie, beeinflusse seine Zuschauer in ihrer Wahlentscheidung. "Er erreicht Hunderttausende Menschen, weit mehr als manche Lokalzeitung." Genau das scheint für die Autoren das eigentliche Problem zu sein.
Es ist also der Kampf der "etablierten Medien" gegen die ungeliebte Konkurrenz aus der alternativen medialen Welt. Dabei sollten sich die Autoren eher selbst fragen, was die klassischen Medien falsch gemacht haben, dass solche Kanäle wie der von Clownswelt überhaupt so groß werden konnten.
Während also so manch klassisches Medium gegen das mediale Vorfeld der AfD kämpft, knöpft sich der Verfassungsschutz die AfD aktuell selbst vor. In den letzten Stunden ihrer Amtszeit legte Innenministerin Nancy Faeser ein Gutachten vor. Es stuft die AfD endgültig als "gesichert rechtsextremistisch" ein.
"Establishment" gegen "Anti-Establishment"
Das Gutachten ist recht erstaunlich. Denn es ist ein ganzes Sammelsurium an Zitaten – mit widerlichen, sehr problematischen Inhalten, aber eben nicht nur. Herausgepflückt wurden auch Meinungsäußerungen, die völlig legitim sein können. Ein Beispiel, diese Äußerung hier von der AfD-Landtagsabgeordneten Lena Kotré:
"Ehemänner, Söhne, alle die, die dort in diesen frauenfeindlichen Kreisen, in diesen frauenfeindlichen Kulturen sozialisiert wurden, kommen hierher und implementieren ihr Frauenbild immer weiter in die Gesellschaft. Wir deutschen Frauen sind dann die Leidtragenden. Das darf nicht sein. Wir müssen uns immer wieder gegen diese schleichende Islamisierung stellen." Na, was sagen Sie: Ist diese Aussage jetzt extremistisch oder doch eher zugespitzt feministisch?
Das Hineinlesen von möglichst schlimmen Dingen
Es gibt einige Zitate, bei denen man den Eindruck hat, der Verfassungsschutz blendet extra Kontext aus. Anders als unabhängige Gerichte sei er auch nicht in der Pflicht, jede "Deutungsmöglichkeit" zu berücksichtigen bzw. Extremistisches als noch verfassungskonform auszulegen, schreibt Frauke Rostalski, Jura-Professorin an der Uni Köln.
Sie findet es aber trotzdem schwierig, wenn der Verfassungsschutz nicht kritisch mit den eigenen Annahmen umgeht. Eben keine alternativen Deutungsmöglichkeiten, also auch Entlastendes, in Betracht zieht.
Und sie hat damit doch Recht. Wenn immer das Schlimmste angenommen wird, es nicht heißt, im Zweifel für den Angeklagten, sondern gegen ihn, dann kann das sogar das Gegenteil bewirken: Menschen rechts der Mitte fühlen sich darin bestätigt, dass ihre Ansichten "unterdrückt" werden sollen. Und zwar genau von jenem "politmedialen Establishment", von dem die AfD so häufig spricht.
Es würde helfen, genau dieser Erzählung so wenig Zunder zu geben wie möglich. Nicht jede rechte politische Ansicht anzuklagen, sondern wirklich nur, wenn man genug Belastbares in der Hand hat. Wer im Namen der Demokratie über das Ziel hinausschießt, gefährdet sie am Ende selbst.
Über die Kolumnistin
Julia Ruhs ist Journalistin, vor allem beim Bayerischen Rundfunk. Sie ist Teil jener Generation, die vor Klimaaktivisten, Gender-Bewegten und Zeitgeist-Anhängern scheinbar nur so strotzt. Sie will denjenigen eine Stimme geben, die sich darin nicht wiederfinden und sich oft allein fühlen mit ihrer Meinung. Wenn alle das gleiche zu denken scheinen, verspürt sie Unwohlsein.