Kein Durchkommen: Drittgrößter Fluss Europas wird für Putin zum Alptraum-Hindernis
Die russische Armee ist im Ukraine-Krieg klar in der Offensive. Doch ein Hindernis können Wladimir Putins Truppen einfach nicht überwinden. Das rettet eine ganze Großstadt.
Cherson - Das brutale Moskau-Regime des Kreml-Autokraten Wladimir Putin ließ über die staatlichen Nachrichtenagenturen aus Russland martialische Bilder zu diesem Frontabschnitt verbreiten. Zu sehen sind angebliche Marine-Spezialeinheiten der Armee.
Ukraine-Krieg: Russische Offensive kommt am riesigen Dnipro zum Stehen
Und Soldaten, die aus schmalen Motorbooten ins Wasser springen, das Gesicht von einer Sturmhaube bedeckt, das schwere Maschinengewehr geschultert. Die Aufnahmen sollen aus der Ukraine stammen, genauer gesagt aus dem Dnipro-Delta in der südlichen Region Cherson. Die Bilder sollen wohl vermitteln, dass die russischen Invasionstruppen auch dort, unweit der Schwarzmeerküste, im Ukraine-Krieg militärisch am Drücker sind.
Dem ist aber nicht so. Wie das amerikanische Nachrichtenmagazin Forbes am Mittwoch (23. Juli) schrieb, ist die russische Offensive an dieser besonders breiten Stelle des drittgrößten Flusses Europas (nach der Wolga und der Donau) schon seit Wochen komplett festgefahren. Es gibt für Putins Soldaten einfach kein Durchkommen auf das gegenüberliegende Ufer bei der Großstadt Cherson.
Ukraine-Krieg: Flüsse halten Wladimir Putins russische Armee auf
Forbes schreibt in einer Analyse von einem „anhaltenden Defizit“ und „einer kritischen Schwachstelle“ der russischen Armee, Flüsse zu überqueren. Anders formuliert: Putins Truppen haben bislang kein Mittel gefunden, breite Flüsse wortwörtlich zu überbrücken, die natürliche Hürden darstellen und den Ukrainern helfen, ihre Heimat gegen den völkerrechtswidrigen Überfall zu verteidigen. Dies betrifft nicht nur den Dnipro im Süden, sondern auch den Fluss Oskil im Norden bei Kupjansk, wo russische Verbände seit vielen Monaten in der Oblast Charkiw an dem Gewässer und den dahinter liegenden Verteidigungsanlagen scheitern.
Im Juli nahmen die Russen wieder verstärkt Cherson und das davor liegende Dnipro-Delta ins Visier. Die Zahl der täglichen Angriffe habe sich von zwei bis drei auf inzwischen sechs bis zehn erhöht, erklärte Wladislaw Woloschin, ein Sprecher der ukrainischen Streitkräfte, Mitte Juli dem staatlichen Fernsehen. Er erzählte von diesem Frontabschnitt: „Der Feind will damit bestimmte Brückenköpfe in der Region bilden.“ Die Angriffe seien jedoch zurückgeschlagen worden. Wohl auch, weil sich das Gelände als extrem tückisch und knifflig erweist. Das Ufer des Dnipro, auch Dnepr genannt, ist mithilfe von Drohnen gut einsehbar. Auch wenn es dort teils viel Schilf gibt. Aber das Gelände ist flach und auf der Cherson-Seite nicht dicht bewaldet.
Ukraine-Krieg: Front bei Cherson ist unter hohen Verlusten schwer umkämpft
Während ein ukrainischer Analyst vor einem möglichen russischen Angriff auf Polen warnt, hat dieser Frontabschnitt im Ukraine-Krieg sowohl eine strategische als auch symbolische Bedeutung. Im November 2022 hatte die ukrainische Armee die Großstadt Cherson mit ihren rund 150.000 Einwohnerinnen und Einwohnern nach rund acht Monaten Besatzung zurückerobert. Die Russen verließen die Stadt und das Westufer des Flusses fluchtartig, wohl nicht zuletzt über die schwer umkämpfte Brücke Antoniwskyj, die beide Seiten für mögliche militärische Gegenstöße wochenlang offenließen und nicht vollständig zerstörten.
Unter hohen Verlusten errichteten speziell ausgebildete ukrainische Marine-Infanteristen, teils im Kampf Mann gegen Mann auf wenige Meter, im Oktober 2023 am Ostufer vorübergehend einen Brückenkopf. Dieser war aber ihrerseits genauso wenig geeignet, um schwere Waffen auf die andere Flussseite zu schaffen. Mangels Nachschub mussten die ukrainischen Verbände den Brückenkopf wieder räumen. Die Verluste waren inzwischen so hoch, dass selbst dem Generalstab nahestehende Medien die von Präsident Wolodymyr Selenskyj eingesetzten Befehlshaber im Süden deutlich kritisierten. Seither muss die russische Armee hier wieder heftige Verluste hinnehmen. So soll sie laut Forbes etwa im Dezember 2024 mit einem Großangriff mit 300 Booten gescheitert sein. (pm)