„Absurde“ Lücke an Flughäfen bringt Tausende Flüchtlinge illegal nach Deutschland
Flughäfen sind zur neuen Schwachstelle der Asylpolitik geworden. Tausende Geflüchtete umgehen die Regeln des Dublin-Systems per Flugreise.
Berlin – Sie steigen in Thessaloniki oder Athen in ein Flugzeug und landen wenige Stunden später auf deutschem Boden: Tausende Geflüchtete, die in Griechenland bereits als schutzberechtigt anerkannt wurden, reisen trotz eindeutiger EU-Vorgaben weiter nach Deutschland – und beantragen hier erneut Asyl. Allein im ersten Halbjahr 2025 waren es rund 8000 Menschen, wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Funke-Mediengruppe bestätigt
Trotz EU-Vorgaben: Tausende Flüchtlinge kommen über Flughäfen illegal nach Deutschland
Nach den geltenden Regeln des Schengener Abkommens dürfen anerkannte Schutzsuchende bis zu 90 Tage innerhalb von sechs Monaten visafrei durch andere EU-Staaten reisen. Einen erneuten Asylantrag in einem weiteren Mitgliedsstaat sieht das europäische Recht hingegen ausdrücklich nicht vor. Doch genau das geschieht massenhaft – besonders aus Griechenland. 2024 waren es mehr als 26.000 Fälle, schreibt der Tagesspiegel. Die Schutzsuchenden reisen zumeist mit gültigen Papieren per Flugzeug ein – und bleiben.
„Die Bundespolizei kontrolliert Flussbrücken, Autobahnen und Landstraßen an den Binnengrenzen zu Polen oder Österreich, wir sind an der Landesgrenze mit massiven Personaleinsatz unterwegs, überprüfen strikt auf mögliche irreguläre Einreisen von Migranten und Schutzsuchenden“, so Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), laut der Berliner Morgenpost, die zur Funke-Mediengruppe zählt. Allerdings: Beamte dürften bei Flügen aus anderen Schengen-Staaten wie Griechenland keine Grenzkontrollen durchführen, kritisiert Roßkopf – selbst dann nicht, wenn sie Hinweise auf rechtswidrige Weiterreisen hätten.
Von der EU im Stich gelassen? Griechisches Asylsystem überfordert – deutsche Gerichte gespalten
Griechenland verweigert regelmäßig die Rücknahme dieser Migranten – offiziell aus Kapazitätsgründen. Die Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis betont, schreibt die Welt, man fühle sich von der EU im Stich gelassen. Die griechische Seite verschärft gleichzeitig den Umgang mit Bootsflüchtlingen: Asylanträge von Migranten, die über das Meer aus Afrika kommen, werden für drei Monate ausgesetzt, wie Mitsotakis Anfang Juli ankündigte. Innenpolitisch hat sich Athen klar für maximale Abschreckung entschieden.
Noch 2023 verhinderten mehrere deutsche Gerichte Abschiebungen nach Griechenland – wegen menschenunwürdiger Bedingungen vor Ort. „Weiterhin gilt die drastische Formel: Kein Bett, kein Brot, keine Seife“, formulierte Meral Zeller von Pro Asyl die Zustände gemäß der Berliner Morgenpost. Diese Einschätzung teilen viele Flüchtlingshelfer bis heute. Erst im April 2025 entschied jedoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig: Alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Männer können zurückgeführt werden, da ihnen keine „unmenschlichen oder erniedrigenden Lebensbedingungen“ drohten.
Zustrom nach Deutschland: Schlechte Lebensbedingungen in Griechenland als Fluchtursache
Tatsächlich sind die Umstände für Geflüchtete in Griechenland weiterhin prekär. Mangelhafte Unterkünfte, fehlende Sozialleistungen und kein Zugang zum Arbeitsmarkt treiben viele Menschen zur Weiterreise nach Deutschland. Migrationsminister Thanos Plevris spricht offen von einem Ende des „Hotelstils“ in den Unterkünften und hat Essensrationen sowie Geldleistungen gekürzt, so der Focus. Sein Ziel: Abschreckung – auch auf Kosten menschenwürdiger Versorgung.
In einem Interview betonte Plevris: „Das Einwanderungsministerium ist kein Hotel.“ In der Praxis bedeutet das, dass viele Geflüchtete auf der Straße landen oder bei Bekannten unterkommen müssen. Die Schattenwirtschaft wird zum Überlebensmittelpunkt, wie auch das Bundesverwaltungsgericht feststellte. Ein soziales Auffangnetz existiert kaum.
Warum die „absurde Lücke“ an Flughäfen funktioniert: Fakten zur irregulären Sekundärmigration aus Griechenland
Punkt | Information |
---|---|
Schutzstatus in Griechenland | Ja – Asylanerkennung bereits erfolgt |
Weiterreise nach Deutschland | Legal als Kurzaufenthalt (bis 90 Tage), aber ohne neues Asylrecht |
Häufige Einreisemethode | Flugzeug aus Schengen-Staat, meist aus Athen oder Thessaloniki |
Kontrolle durch Bundespolizei | Keine Grenzkontrolle bei Schengen-Flügen erlaubt |
Zahl der Fälle 2025 (Jan–Mai) | Rund 8.000 laut Bundesinnenministerium (Funke Mediengruppe) |
Abschiebung nach Griechenland | Möglich bei alleinstehenden, gesunden Männern (BVerwG, April 2025) |
Problem bei Rückführungen | Griechenland verweigert Rücknahme → politische Blockade |
Zustand in griechischen Lagern | „Kein Bett, kein Brot, keine Seife“ – Pro Asyl |
Quellen: Funke Mediengruppe/Berliner Morgenpost, WELT, Euronews.
Polizeigewerkschaft GdP: „Dringend mehr Befugnisse für Flughafenkontrollen“
Während die Regierung in Berlin derzeit auf schärfere Grenzkontrollen an Land setzt, bleibt die Lücke am Himmel offen. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP fordert ein entschiedenes Gegensteuern: „Wir kontrollieren die Landgrenzen – und haben gleichzeitig an Flughäfen kaum Handhabe gegen illegale Migration. Das ist absurd“, sagt Roßkopf in der Berliner Morgenpost.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) verlangt darüber hinaus, die Luft- und Seegrenzen offiziell bei der EU zu notifizieren, um rechtssichere Zurückweisungen überhaupt zu ermöglichen. „Ohne diese Notifizierung fehlt jegliche rechtliche Grundlage für Kontrollen und Zurückweisungen an Flughäfen und Seehäfen wie Rostock oder Kiel, wo Migranten per Fähre etwa aus Riga einreisen“, erklärt ein Sprecher der DPolG laut der Welt.
EU-System unter Druck, Dublin-System brüchig – politische Antworten bleiben aber aus
Der Sachverhalt offenbart erneut, wie brüchig das sogenannte Dublin-System ist, nach dem der erste EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Migrationsexperte Gerald Knaus schlägt in einem Interview mit der Welt einen fundamentalen Kurswechsel vor: Durch Drittstaatenabkommen – etwa nach dem Vorbild des EU-Türkei-Deals von 2016 – könnten irreguläre Weiterwanderungen rechtlich und praktisch unterbunden werden.
Politisch herrscht jedoch Uneinigkeit: Während CDU-Innenpolitiker Alexander Throm betont, niemand habe das Recht, sich ein Zielland für sein Asylverfahren auszusuchen, fordert die Linksfraktion vielmehr menschenwürdige Bedingungen in den Erstaufnahmestaaten als Lösung. Die Grünen und SPD vermieden bislang eine klare Positionierung.
Migrationsstreit zwischen Deutschland und Griechenland: Europäische Lösung bleibt in weiter Ferne
Der Migrationsstreit zwischen Deutschland und Griechenland offenbart tiefe Risse innerhalb der EU. Während deutsche Behörden Asylanträge abweisen wollen, lehnt Athen die Rücknahme ab. Gleichzeitig bleibt die Möglichkeit zur Weiterreise über Flughäfen nahezu unkontrolliert bestehen. Die Bundespolizei darf nicht zurückweisen – und so bleibt die „absurde Lücke“ bestehen.
Eine Reform der europäischen Asylsystematik ist in den Augen vieler Beobachter dringend nötig. Doch bis dahin stecken Tausende Geflüchtete zwischen restriktiver Abschreckung, rechtlicher Grauzone und Hoffnung auf ein besseres Leben.