Polen kontrolliert Deutsche an der Grenze – Reisefreiheit für bestimmte Fahrzeuge erschwert
Polen kontrolliert jetzt an mehreren Grenzübergängen nach Deutschland. Bestimmte Autos schaut sich der Grenzschutz ganz genau an.
Hamm – Wer mit dem Auto oder Camper eine Reise nach Polen plant, sollte jetzt besser ein wenig mehr Zeit einplanen. Seit Montag, 7. Juli, kontrolliert das Nachbarland Reisende aus Deutschland an der gemeinsamen Grenze. Die Maßnahme erfolgt als Reaktion auf die seit Oktober 2023 bestehenden deutschen Kontrollen zur Eindämmung irregulärer Migration. Reisende, Pendler und Laster sollen zunächst einmal bis zum 5. August auf polnischer Seite kontrolliert werden.
Grenzkontrollen in Polen gestartet – welche Fahrzeuge dabei besonders im Fokus stehen
Was bedeuten die Grenzkontrollen für Reisende aus Deutschland?
Reisende müssen sich auf Wartezeiten vor der polnischen Grenze einstellen. Der polnische Grenzschutz kontrolliert im besagten Zeitraum vom 7. Juli bis zum 5. August an 52 Grenzübergängen stichprobenartig vor allem Busse, Kleinbusse und Pkw mit vielen Insassen. „Auch Fahrzeuge mit getönten Scheiben werden im Fokus stehen“, erklärte Konrad Szwed vom polnischen Grenzschutz der Nachrichtenagentur PAP. Schlagbäume oder Absperrungen wird es nicht geben, dafür aber Fahrbahnverengungen oder Schilder zur Verkehrsverlangsamung vor den Kontrollpunkten. Das Auswärtige Amt hat daher auch einen entsprechenden Reisehinweis herausgegeben. An den Einreiseregeln ändert sich nichts – ein Personalausweis reicht weiterhin für den Grenzübertritt.
Was bedeuten die Grenzkontrollen für Pendler und den kleinen Grenzverkehr?
Die Auswirkungen könnten erheblich sein. Täglich pendeln 13.000 Menschen aus Polen nach Sachsen und mehr als 14.000 nach Brandenburg. Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) beklagt: „Lange Wartezeiten, Planungsunsicherheit und gestörter Warenverkehr schaden am Ende allen Beteiligten.“ Brandenburgs Innenminister René Wilke befürchtet sogar „mögliche Verkehrskollapse“. Der polnische Grenzschutz versichert jedoch, Berufspendler aus grenznahen Gebieten möglichst ohne große Verzögerungen durchzulassen. Auch für Deutsche, die zum Tanken oder Einkaufen nach Polen fahren, werden die Kontrollen zur Geduldsprobe.

Was ist der Grund für die polnischen Grenzkontrollen?
Deutschland führte im Oktober 2023 Kontrollen an der Grenze zu Polen ein, um irreguläre Migration einzudämmen. Mit dem Start der neuen Bundesregierung Anfang Mai unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) wurden die Regeln verschärft: Nun können auch Menschen abgewiesen werden, die ein Asylbegehren äußern. Die Bundespolizei verzeichnet seit 8. Mai an allen deutschen Landgrenzen 7.960 unerlaubte Einreisen und 6.193 unmittelbare Zurückweisungen oder Zurückschiebungen, darunter 285 Menschen mit Asylbegehren. An der deutsch-polnischen Grenze gab es laut Innenministerium rund 1.300 Zurückweisungen, in jedem zehnten Fall wurde ein Asylgesuch geäußert.
Deutschland sieht Polens Grenzkontrollen als „schwere Belastung“
Warum reagiert Polen jetzt?
Die Entscheidung hat vor allem innenpolitische Gründe. Die Zurückweisungen aus Deutschland sind ein Reizthema für viele Polen. Von der rechtskonservativen Oppositionspartei PiS wird dies genutzt, um antideutsche Ressentiments mit Ängsten vor Migration zu verbinden. Sie wirft der proeuropäischen Regierung von Donald Tusk vor, bereitwillig Migranten aus Deutschland zu akzeptieren und die Kontrolle über die Grenze zu verlieren. Nach dem Wahlsieg ihres Kandidaten Karol Nawrocki bei der Präsidentenwahl erhöhte die PiS den Druck auf Tusk, bis dieser die Grenzkontrollen einführte.
Wie reagiert Deutschland auf die polnischen Grenzkontrollen?
Knut Abraham (CDU), Polen-Beauftragte der Bundesregierung, hat die polnischen Grenzkontrollen als „schwere Belastung“ für die Grenzregion bezeichnet. Wichtige Produktions- und Lieferketten hingen am behinderungsfreien Grenzverkehr, sagte Abraham dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) betonte derweil, dass die verschäften deutschen Grenzkontrollen keine Maßnahme seien, „um unsere Nachbarn zu ärgern, sondern um uns und unsere Bevölkerung vor Überforderung zu schützen“, sagte Spahn den Sendern RTL und ntv. Es gehe darum, Städte und Gemeinden bei der Migration zu entlasten.
Wie lief der Start der Grenzkontrollen in Polen?
Nach Angaben des Innenministeriums waren zum Start rund 1.800 Einsatzkräfte aus Grenzschutz, Polizei, Militärpolizei und Heimatschutzverbänden an beiden Landesgrenzen im Einsatz. Während polnische Fahrzeuge meist durchgewunken werden, müssen deutsche Autofahrer und alle Fußgänger ihre Papiere vorzeigen. Die Maßnahme stellt eine Reaktion auf die deutschen Grenzkontrollen dar, die seit Oktober 2023 stattfinden, und stößt bei Pendlern und Einkäufern auf gemischte Reaktionen – von Verständnis für Sicherheitsaspekte bis hin zu Zweifeln an der Wirksamkeit gegen irreguläre Migration.
Kontrollen nehmen zu – Reisefreiheit soll dadurch aber nicht am Ende sein
Wer steckt hinter den polnischen Bürgerwehren an der Grenze?
An den Grenzübergängen patrouillieren seit einiger Zeit polnische Rechtsextreme, die eigenmächtig Fahrzeuge anhalten und nach Dokumenten fragen. Die „Bewegung zur Verteidigung der Grenzen“ wird vom bekannten Rechtsradikalen Robert Bakiewicz angeführt, der jährlich rechte Aufmärsche zum polnischen Unabhängigkeitstag in Warschau organisiert. Die polnische Regierung sieht diese Gruppierungen kritisch. Innenminister Tomasz Siemoniak kündigte an, Fälle von Amtsanmaßung und Beamtenbeleidigung konsequent zu ahnden.
Werden jetzt Asylbewerber hin und her geschickt?
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ist überzeugt, dass es kein „Pingpong-Spiel“ geben wird. Er betont die gute Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und den polnischen Grenzschützern. Tatsächlich sind Unstimmigkeiten in der Praxis selten. Ein bekannter Fall ereignete sich kurz nach Beginn der verschärften deutschen Kontrollen im Mai: Polen verweigerte zwei afghanischen Männern die Einreise, die bei Guben unerlaubt nach Brandenburg eingereist waren und Asyl beantragen wollten. Sie wurden daraufhin zur Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt gebracht.
Ist die grenzenlose Reisefreiheit in Europa am Ende?
Nein, aber die Kontrollen im Schengen-Raum nehmen zu, obwohl sie eigentlich nur als befristete Ausnahme gedacht waren. Neben Deutschland und Polen kontrollieren auch die Niederlande, Österreich (an den Grenzen zu Ungarn und Slowenien), Frankreich und Slowenien ihre Grenzen. Die Begründungen reichen von irregulärer Migration bis hin zu Sicherheitsfragen und terroristischen Bedrohungen, wie im Fall Frankreichs.
Wie lange werden die Grenzkontrollen andauern?
Die polnischen Kontrollen sind zunächst bis zum 5. August befristet. Eine dauerhafte Normalisierung könnte mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) eintreten, das ab Mitte Juni 2026 gelten soll. Die Reform sieht vor, dass Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen registriert werden, mit Identitätsfeststellung und Erfassung biometrischer Daten. Für Menschen aus Staaten mit niedriger Anerkennungsquote sind beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen geplant.