„Polizist – das war schon mein Beruf“: Karlheinz Lauffer blickt zurück
40 Jahre lang hat Karlheinz Lauffer für Recht und Sicherheit gesorgt. Nun tritt der Dorfener in den Ruhestand.
Dorfen – Verdächtige kontrollieren, Verkehrsunfälle dokumentieren, Straftaten aufklären und im Einsatz vielleicht sogar sein Leben riskieren – das ist nur noch für wenige ein Traumberuf. Für Karlheinz Lauffer war er es immer, seine ganzen 40 Dienstjahre war er gerne Polizist, auch wenn es ihn mitunter an seine Belastungsgrenzen brachte. Jetzt ist der gebürtige Dorfener in Pension gegangen. Zurückzublicken fällt dem 60-Jährigen nicht immer leicht, denn er wurde schon während seiner Ausbildung mit einer der schlimmsten Seiten seines Berufs konfrontiert. Im Alter von nur 20 Jahren musste er mit seinen Kollegen jedes Wochenende nach Wackersdorf.
Gerne arbeitete Lauffer im Schichtdienst, denn dies ermöglichte ihm, sich mehr in die Erziehung seiner Kinder einzubringen und seine Frau Sylvia zu entlasten, die bis heute als Krankenschwester arbeitet. Auch konnte er sich fit halten, wie es sein Beruf erforderte. Wann immer möglich ging er zum Schwimmen oder ins Fitnessstudio. Als Kind eines Fernmeldetechnikers wohnte er gleich neben dem Freibad, das genauso alt ist wie er. „Deshalb habe ich dazu ein besonderes Verhältnis.“
„Wackersdorf war das Schreckgespenst“
Als er 1979 aus der Schule kam, liebäugelte Lauffer schon damit, Polizist zu werden. Doch zuerst trat er eine Ausbildung zum Maschinenbauer in Landshut an. Schon während der Lehre bewarb er sich bei der Polizei. Zunächst fing er Mitte 1983 bei einer Firma an, die Lkw-Aufbauten herstellte: „Ein richtiger Knochenjob.“ Teilweise stand er in der Grube und lackierte von unten Lastwagen. Die Augenbrauen hatten jeden Tag eine andere Farbe, je nachdem, welche Farbe er tagsüber lackierte. Diese Erfahrungen sollten ihm später zugutekommen. „Meine Affinität für Fahrzeuge hat sich wie einer roter Faden durch mein Leben gezogen.“
1984 erhielt Lauffer die Zusage von der Polizei. Los ging es für mehrere Jahre bei der Bereitschaftspolizei in Eichstätt. Voller Erwartungen kam er dort an und durfte mit lauter jungen Leuten wieder die Schulbank drücken. Es fühlte sich für ihn an wie ein Jurastudium light.

Damals sei noch alles militärisch geprägt gewesen. Marschieren war oft angesagt. „Das hat mir nicht so gut gefallen, aber ich wusste: Da muss ich durch, und dann komme ich zur Landespolizei in den Einzeldienst.“ Geplant waren zweieinhalb Jahre Ausbildung in Eichstätt, danach der Anstellungslehrgang in Dachau. Doch dann fiel im Dezember 1985 in Wackersdorf der erste Baum. Die Auseinandersetzung um die umstrittene Großbaustelle für die letztlich nicht realisierte Wiederaufarbeitungsanlage atomarer Brennstäbe begann.
„Wackersdorf war das Schreckgespenst der Bereitschaftspolizei. Was dort letztlich auf uns zukommt, wussten wir nicht.“ Von Dezember 1985 bis Sommer 1986 war er nahezu jedes Wochenende dort. „Wir sind am Donnerstag oder Freitag in der Kaserne eingelaufen und frühestens am Sonntag wieder heimgekommen.“
Beziehungstechnisch sei das nicht einfach gewesen. Seine Frau absolvierte gerade in Haar ihre Ausbildung. „Handy gab es noch nicht. Kommunizieren war schwierig. Wir haben uns Briefe geschrieben. Und sie hat vom Fernseher erfahren, was in Wackersdorf abgeht. Ob ich lebendig heimkomme, hat sie erst gesehen, als ich wieder daheim war.“
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In Lebensgefahr am Pfingstmontag 1986
Die schlimmsten Einsätze waren an Ostern und Pfingsten 1986, insbesondere der Pfingstmontag blieb ihm in Erinnerung. Mit einer Zugstärke von 30 Mann sollten sie die Zufahrtsstraße zum Baugelände freihalten, das massiv umzäunt war. „Die Einheimischen waren nette Leute, die erkannten, dass wir nur unseren Job machen.“ Doch dann sei auf einmal der „Schwarze Block“ mit mehreren hundert vermummten Leuten gekommen.
Ob ich lebendig heimkomme, hat sie erst gesehen, als ich wieder daheim war.
Die „gewaltbereiten, überregionalen Berufsdemonstranten“, die gegen die WAA waren, warfen einen der Gruppenwagen um und Molotow-Cocktails hinein. „Das Fahrzeug fing sofort Feuer. Genau in diesem Fahrzeug war die Zugkiste mit 1000 Schuss Munition. Es wäre verheerend gewesen, wenn die in die Luft gegangen wäre. Das wäre wie Sprengstoff gewesen.“
Auch ihre Schlagschutz-Ausrüstung, ähnlich wie bei Eishockeyspielern, und ihre Gasmasken seien dabei verbrannt. Die Unterstützungskräfte konnten zu ihnen nicht durchstoßen. „Wir standen einer aufgebrachten Menschenmenge gegenüber, die uns mit Stahlkugeln beschossen und uns mit Pflastersteinen und Molotow-Cocktails bewarfen. Wir hatten nur einen Zugführer, einen Stellvertreter und drei Gruppenführer dabei. Der Rest waren 30 junge, unerfahrene Polizisten.“
Der Rückzug unter tausenden Demonstranten war schwierig. Als der Einsatzzug in Sicherheit war, fiel auf, dass ein Beamter fehlte. „Wir haben uns ausgemalt, was die mit ihm machen würden.“ Eine andere Hundertschaft hatte den jungen Polizisten zum Glück aufgenommen.

„Dass Gasmaske und Schutzhelm in Wackersdorf zu den meist getragenen Ausrüstungsstücken gehörten, konnten wir damals nicht ahnen.“ Lauffer und seine Kollegen standen meist innerhalb des Zauns in einer Polizeikette, unterbrochen von Wasserwerfern, die Wasser – vermischt mit Tränengas – spritzten. „Von außen wurden wir mit Präzisionsschleudern und Stahlkugeln, die manche Helme durchschlagen haben, beschossen. Entsprechende Verletzungen trugen einige davon“, erzählt er und sagt: „Es war das Schlimmste, was ich erlebt habe.“
Bis Sommer 1986 ging es so weiter. „Erst Jahre später habe er realisiert, wie gefährlich all das war. Heute würde man von einer posttraumatischen Belastungssituation reden, aber das kannte man damals noch nicht.“ Ihn störe, wie heute mit dem Ganzen umgegangen werde. Die Polizei habe auf keine braven, harmlosen Bürger eingeprügelt. Seine Kollegen seien immer wieder überfallen, verletzt und gestiefelt worden.
Tschernobyl – die nächste Prüfung
Ein Wochenende im Mai 1986 hätten sie dann frei gehabt. „Wir haben uns gefreut wie die Kinder. Dann hieß es: Hundertschaft antreten: Tschernobyl. Ein weiteres Himmelfahrtskommando.“ Lauffer überprüfte mit seinen Kollegen an der DDR-Grenze bei Hof Lastwagen aus dem Osten auf Kontaminierung. „Die Kollegen, die wir dort ablösten, hatten einen Astronauten-Anzug an. Wir standen mit der Uniform dort und waren zu jung und uns gar nicht bewusst, was auf uns zukommen könnte.“
Danach musste Lauffer zwei Jahre lang zur Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei (BePo) nach München, wo er viel im Objektschutz eingesetzt war. Sogar das Haus des damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß musste er mit seinen Kollegen überwachen. „Wir haben dabei sein ganzes Leben und seine Familie kennengelernt. Ich hatte gewaltige Berührungsängste und Respekt vor ihm, aber er war total freundlich. Die Polizei hatte einen hohen Stellenwert bei ihm.“
Dann neigte sich Lauffers Arbeit bei der BePo dem Ende zu, er wechselte im September 1989 zum Einsatzzug nach Erding und war danach noch eineinhalb Jahre lang bei der Kripo tätig. Aufgabenschwerpunkt war die Terroristenfahndung. „Es gab ja damals noch die RAF.“

Teilweise wurde in diesem Zusammenhang auch Personenschutz übernommen. Hier hatte Lauffer viel Kontakt mit dem damaligen Kulturminister Hans Zehetmair. „Er war sogar bei meinem Ausstand mit den Kollegen dabei, bevor ich nach Dorfen zu Polizei gekommen bin.“
Der Wunsch, nach Dorfen zu kommen, sei immer da gewesen. Im Oktober 1991 war es so weit. Sein Sohn war damals vier Wochen alt. „Die 33 Jahre in der Heimatdienststelle Dorfen waren immer eine schöne Zeit, vor allem in der Schicht. Ich habe verschiedene Chefs und viele Dinge erlebt, hatte einen kurzen Dienstweg und durch den Schichtdienst konnte ich meine zwei Kinder aufwachsen sehen“, sagt der Familienmensch.
Unfälle mit Kindern besonders schwer
Schlimm sei es immer für ihn gewesen, wenn er zu Unfällen ausrücken musste, in die Kinder involviert waren. Besonders in Erinnerung blieb ihm ein tödlicher Verkehrsunfall. Mit der verunglückten Person hatte er noch keine Stunde vorher persönlich gesprochen. Da stehe man schon da und sage sich: „Das kann doch gar nicht sein. Diese Bilder habe ich heute noch im Kopf.“
Sehr positiv empfand er 2004 den Umzug in die neue Inspektion. Acht Jahre später rief ihn der stellvertretende Dienstleiter an, ob er in den Tagdienst wechseln und Verkehrssachbearbeiter werden möchte. „Ich war zwar immer gerne in der Schicht, wusste aber damals nicht, ob ich den Schichtdienst gesundheitlich bis zum Schluss durchstehe.“ Verkehrssachbearbeiter im Tagdienst – das hatte er sich schon länger vorstellen können.
Lauffers breit gefächertes Betätigungsfeld umfasste fortan die Beratung von Gemeinden und Behörden, die Kontrolle sämtlicher Verkehrsanzeigen. Er war Berater von Kollegen bei Verkehrsunfällen, Schwerverkehrsmultiplikator, also Ansprechpartner bei Lkw-Kontrollen, und für Aktionen zum Verkehr verantwortlich.
Unter anderem war er für die Betreuung von Geräten zuständig – von Waffen über Funkgeräte und Alkomaten bis zum Lasermessgerät. Hier habe ihm besonders das Fuhrparkmanagement gefallen. Da ist sie wieder, die Fahrzeugaffinität.
„Polizist – das war schon mein Beruf. Das hat schon gepasst. Während meiner Ausbildung zum Maschinenbauer hab‘ ich mich immer wieder gefragt, ob ich das nun ein Leben lang machen will. Diese Frage habe ich mir als Polizist nie gestellt.“
Nun beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Lauffer freut mich auf mehr Zeit für sportliche Aktivitäten, Familie, Enkelkinder, Motorradfahren und Reisen. „Langweilig wird mir, glaube ich, nicht werden. Und wenn doch. Ich habe ja noch den Lkw-Führerschein.“