Klimawandel im Alltag: Warum ältere Menschen Wetterextreme besonders hart treffen

Wetterveränderungen beeinflussen nicht nur unser tägliches Wohlbefinden, sondern auch unsere Gesundheit – insbesondere bei älteren Menschen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Fähigkeit des Körpers ab, sich rasch an klimatische Schwankungen anzupassen. Diese Wetterempfindlichkeit ist keine Einbildung, sondern wissenschaftlich belegbar. Besonders abrupte Wetterwechsel, wie sie im Zuge des Klimawandels häufiger auftreten, stellen ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko dar.

Mit dem Älterwerden verändern sich zahlreiche körperliche Funktionen: Die Thermoregulation wird schwächer, die Haut wird dünner und die Schweißproduktion nimmt ab. Dadurch fällt es älteren Menschen schwerer, ihre Körpertemperatur bei Hitze oder Kälte konstant zu halten. Gleichzeitig ist das Herz-Kreislauf-System häufig vorbelastet – etwa durch Bluthochdruck oder Arteriosklerose –, was die Anpassung an Wetterveränderungen zusätzlich erschwert.

Dr. med. Mimoun Azizi ist Chefarzt des Zentrums für Geriatrie und Neurogeriatrie im KVSW und Facharzt für Neurologie. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.

Studien zeigen: Wetterumschwünge belasten besonders Ältere

Laut einer Studie des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des Robert Koch-Instituts (RKI) sind ältere Menschen überproportional von wetterbedingten Beschwerden betroffen. Insbesondere bei plötzlichem Temperaturabfall, starkem Wind oder Luftdruckänderungen klagen viele über Kreislaufprobleme, Gelenkschmerzen oder Stimmungstiefs (RKI, 2019).

Schnelle Temperaturveränderungen – etwa beim Übergang von warmen zu kalten Fronten – belasten das Herz-Kreislauf-System stark. Studien zeigen, dass an Tagen mit markanten Kälteeinbrüchen das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte steigt, vor allem bei älteren Menschen.

Symptome und mögliche Folgen

Ein plötzlicher Abfall des Luftdrucks kann Kopfschmerzen, Schwindel und Müdigkeit verursachen – Beschwerden, die bei älteren Menschen oft intensiver empfunden werden. Zudem kann starker Wind das Gleichgewicht beeinträchtigen und so das Sturzrisiko erhöhen.

Hohe Luftfeuchtigkeit verschärft die Belastung bei Hitze. Besonders bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist das Risiko für Überhitzung oder Dehydrierung erhöht. Zudem begünstigt feucht-warmes Klima die Vermehrung von Krankheitserregern, was wiederum Atemwegserkrankungen oder Infekte bei älteren Menschen verstärken kann (RKI, 2025).

Rheumatische Beschwerden wie Arthrose oder Arthritis werden laut Studienlage häufig mit bestimmten Wetterlagen in Verbindung gebracht. Viele Patientinnen berichten über eine Zunahme der Schmerzintensität bei feucht-kaltem Wetter. Zwar ist der wissenschaftliche Zusammenhang noch nicht abschließend geklärt, jedoch zeigen Untersuchungen, dass atmosphärische Druckveränderungen die Gelenkflüssigkeit und die Schmerzrezeptoren beeinflussen können (Wiener klinische Wochenschrift, 2024).

Auch depressive Verstimmungen treten bei Wetterumschwüngen häufiger auf. Der sogenannte „Wetterblues“ – eine Form der saisonalen affektiven Störung – betrifft vor allem ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder sozialer Isolation.

Was können ältere Menschen tun?

Um die Auswirkungen von Wetterumschwüngen zu mindern, werden folgende Maßnahmen für ältere Menschen empfohlen:

  1. Durch rechtzeitige Information über bevorstehende Wetterwechsel lassen sich Vorsorgemaßnahmen besser planen
  2. Mehrschichtige Kleidung („Zwiebelprinzip“) hilft, auf Temperaturschwankungen flexibel zu reagieren. Ältere Menschen müssen die Kleidung folglich anpassen
  3. Besonders bei Hitze ist regelmäßiges Trinken wichtig, um Kreislaufprobleme zu vermeiden
  4. Sanfte Aktivitäten wie Spazierengehen oder Gymnastik fördern die Durchblutung und verbessern die Körperanpassung. Demzufolge keine anstrengende, sondern schonende Bewegung
  5. Wetterbedingte Belastungen können die Wirkung von Medikamenten verändern – regelmäßige ärztliche Kontrolle ist ratsam

Wetterumschwünge sind mehr als nur ein Small-Talk-Thema – sie können die Gesundheit älterer Menschen erheblich beeinflussen. Wissenschaftliche Studien bestätigen, dass klimatische Veränderungen insbesondere bei bestehenden chronischen Erkrankungen zu einer Verschlechterung führen können. Prävention, Aufklärung und angepasste Lebensgewohnheiten helfen, wetterbedingte Beschwerden zu reduzieren und die Lebensqualität im Alter zu erhalten. Gleichwohl ist es die Aufgabe aller dafür zu sorgen, dass der Klimawandel nicht weiter voranschreitet. Somit tragen wir alle Verantwortung.