„Bizarr, Humbug, Ideologie“ – Leser zerreißen Fratzschers Rentner-Pflichtjahr

Die FOCUS-online-Leser sind sich einig: Ein soziales Pflichtjahr für Rentner wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die dieses Land über Jahrzehnte getragen haben. Unter dem Artikel "Top-Ökonom Fratzscher fordert verpflichtendes soziales Jahr für Rentner" formiert sich deutlicher Widerstand. Viele Kommentatoren verweisen auf Jahrzehnte harter Arbeit, Kindererziehung, Pflege und Ehrenamt. Zahlreiche Leser fordern, stattdessen Bürgergeldempfänger oder Jüngere in die Pflicht zu nehmen. Auch der Ökonom selbst gerät unter Beschuss: Ihm wird politische Schlagseite, Nähe zur Regierung und Realitätsferne vorgeworfen. Am Ende bleibt ein klares Bild: Solidarität ja. Aber Zwang für Rentner – dafür gibt es in unserer Debatte keinen Rückhalt.

Verteilung der Meinung zu "Analyse zur Lesermeinung: Pflichtjahr für Rentner spaltet die Gesellschaft"
Verteilung der Meinung zu "Analyse zur Lesermeinung: Pflichtjahr für Rentner spaltet die Gesellschaft" FOCUS online

Kritik an Umverteilung und Forderungen an ältere Generation

Die meisten Leser wehren sich gegen zusätzliche Pflichtleistungen für Rentner. Nach Jahrzehnten voller Arbeit und Beiträgen sehen sie sich zu Unrecht erneut in der Pflicht. Fratzschers Vorschläge gelten als ungerecht, einseitig und respektlos gegenüber erbrachten Lebensleistungen.

"Wir hatten noch die 6-Tage-Woche, zehn Stunden am Tag plus unbezahlte Überstunden und ohne Freizeitausgleich. Das in den 1960ern. Nicht in allen Berufen, doch in einigen. Wir haben das Land zu dem gemacht, so wie es einmal war. Jetzt wird alles heruntergewirtschaftet und man möchte viel Geld mit Arbeit machen. Wir haben unser Bestes getan ..."  Zum Originalkommentar

"Der Herr Fratzscher ist also der Meinung, dass die Generation, die schon viel geleistet hat, die den Laden am Laufen gehalten hat und immer noch am Laufen hält, mehr und das vor allem in der Rente leisten soll. Was braucht es eigentlich, um solch ein 'Experte' zu werden? Zahlt der Experte auch in alle Sozialkassen ein ..."  Zum Originalkommentar

"Fratscher will sich unbedingt unbeliebt machen. Auch die Boomermütter wollten oder mussten möglichst schnell wieder berufstätig werden. In dieser Generation hat der Staat total versagt, weil die Betreuungsangebote für die Kinder der Boomer völlig unzureichend und teilweise gar nicht vorhanden war. Jedenfalls im Westen ..."  Zum Originalkommentar

"Ich bin über 60 und sehe das überhaupt nicht ein. Ich habe sieben Kinder großgezogen. Alle sind in Arbeit und bezahlen horrende Abgaben. Ich selbst habe viele Jahre auch noch gearbeitet und lebe von einer niedrigen Rente. Jeder nicht arbeitende Bürger hier wird besser vom Staat versorgt als ich. Schickt mal die Bürgergeldempfänger zur sozialen Arbeit ..."  Zum Originalkommentar

Politische Kritik und Zweifel an Fratzschers Kompetenz

22 Prozent zweifeln an Fratzschers Unabhängigkeit und sehen in seinen Forderungen parteipolitische Motive. Der Ökonom wird teils als Sprachrohr der Regierung dargestellt, seine Vorschläge gelten als realitätsfern und ideologisch gefärbt.

"Das ist kein Top-Ökonom, sondern SPDler durch und durch, der Parteiprogrammatik vertritt. Und zwar zu Lasten der Seriösität, denn selbst im eigenen Hause ist der Mann nicht unumstritten, da viele seiner Forderungen und Ideen absoluter Humbug sind! Ebenso diese Idee…"  Zum Originalkommentar

"Ist Herr Fratzscher jetzt Wahlhelfer bei der AFD? Was würde es sparen, seinen nutzlosen Verein auf die Größe von 1960 zu schrumpfen? Wäre doch ein Anfang im Bürokratieabbau."  Zum Originalkommentar

"Fratzscher: der Top-Ökonom und Kontra-Indikator! Das Gegenteil dürfte also richtig sein."  Zum Originalkommentar

"Ich habe von Fratscher noch nie einen Vorschlag zu irgendetwas gehört, der zu Gunsten der Bürger wäre. Er ist eine Person, die immer nur im Sinne seines Geldgebers, der Regierung/Staat spricht."  Zum Originalkommentar

Soziale Gerechtigkeit und Forderungen an andere Gruppen

Ein Teil der Leser fordert, Bürgergeldempfänger statt Rentner zu verpflichten. Besonders stört die empfundene Ungleichbehandlung: Wer Jahrzehnte eingezahlt hat, dürfe nicht stärker belastet werden als Menschen ohne Erwerbstätigkeit.

"Seht mal lieber zu, dass die ganzen Bürgergeldempfänger (Deutsche wie Ausländer) verpflichtet werden. Das würde Sinn machen. Wieso sollen die alles geschenkt bekommen?"  Zum Originalkommentar

"Tausende junge Bürgergeldempfänger hocken zu Hause und auf der Straße gelangweilt herum, und die, die 30 oder 40 Jahre gebuckelt haben, dafür auch noch eine schmale Rente erhalten, sollen jetzt noch ein soziales Jahr machen. Das ist genau (!) mein Humor!"  Zum Originalkommentar

"Rentner haben zumeist ihr Leben lang gearbeitet. Wie sieht es mit den vielen Bürgergeldempfängern aus?"  Zum Originalkommentar

Demografie, Familienpolitik und Generationenvertrag

Rund 8 Prozent sehen die Verantwortung bei der Politik. Leser kritisieren, dass Rentner für strukturelle Probleme wie sinkende Geburtenraten verantwortlich gemacht werden. Die Schuld liege bei jahrzehntelangen Versäumnissen der Politik.

"Natürlich ist es bewusste Irreführung, zu behaupten, die Babyboomer hätten den Generationenvertrag gebrochen, indem sie zu wenig Kinder in die Welt gesetzt hätten. Alle nachfolgenden Generationen haben genauso wenig oder noch weniger Kinder bekommen. Der Konstruktionsfehler lag einfach in Adenauers Annahme: 'Kinder bekommen die Leute immer' ..."  Zum Originalkommentar

"Den Boomer vorzuwerfen, sie hätten aus egoistischen Gründen keine Kinder bekommen, ist lebensfremd, wie unsere ganze Politiker-Blase. Viele konnten aus wirtschaftlichen Gründen nur ein Kind großziehen oder waren aus gesundheitlichen Gründen nicht dazu in der Lage. Dazu können die Senioren mit der modernen Militärausrüstung gar nichts anfangen ..."  Zum Originalkommentar

"Die Politik verweigert sich 40 Jahre lang der Lösung der Thematik, weil die Boomer Politiker ihre eigene Generation verschonen und besser stellen wollten. Das Ergebnis sieht man heute, die Boomer werden noch immer bevorteilt, weil noch immer Boomer regieren Herr Fratzscher. Sie sollten sich mal ehrlich machen und eine andere Politik fordern ..."  Zum Originalkommentar

Ehrenamt, Pflege und Beitrag im Alter

Einige Stimmen betonen, dass Rentner ohnehin schon viel leisten – sei es durch Pflege von Angehörigen, Betreuung von Enkeln oder ehrenamtliches Engagement. Zusätzliche Pflichtdienste seien daher überflüssig.

"Zwei Kinder groß gezogen, seit über dreißig Jahren ehrenamtlich tätig (Elternbeirat, Mitarbeit Weißer Ring, Telefonseelsorge, Notfallseelsorge), immer Sozialbeiträge bezahlt, noch Fragen?"  Zum Originalkommentar

"'Die ältere Generation muss sich stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich'. Ja, macht sie bereits. Weiß Herr Fratscher, wie viele Rentner ihre 80-/90-jährigen Eltern pflegen und versorgen oder wie viele Rentner die Enkel betreuen, damit ihre Kinder und Schwiegerkinder arbeiten können? Dann ein Blick aufs Ehrenamt ..."  Zum Originalkommentar

"Was ist mit Wehrdienstleistern, Eltern, Großeltern, pflegenden Angehörigen? Die haben längere Zeit soziale Dienste geleistet."  Zum Originalkommentar

Kritik an sozialer Verpflichtung für Senioren

Einige Leser sprechen sich gegen neue Pflichten für Rentner aus. Viele verweisen darauf, dass diese Generation bereits viele Beiträge – darunter auch Wehr- oder Zivildienst – geleistet hat. 

"In meiner Jugend habe ich 18 Monate Wehrdienst geleistet und habe mir einen Wehrdienstschaden an einem Knie zugezogen. Jetzt noch eine weitere Verpflichtun . Fratzscher erzählt immer mehr Unsinn."  Zum Originalkommentar

"Was hat denn der Herr Fratzscher geraucht? Solidarität heute: Work-Life-Balance, 4-Tage-Woche, wenn möglich bei vollem Lohn usw. Es ist nicht mehr auszuhalten, womit die angebliche 'Weisen' uns drangsalieren wollen."  Zum Originalkommentar

"Die Fratzscher Ideologie wieder. Was er vergisst, viele dieser Rentner haben bereits in ihren Leben einen Dienst für den Staat abgeleistet. Sie werden also doppelt 'eingezogen'?"  Zum Originalkommentar

"Fatzscher mal wieder. Was genau befähigt Herrn Fratzscher zu derart hanebüchenen Forderungen? Eine Vielzahl der Rentner hat bereits durch Wehr-/Zivildienst seine Pflichtaufgabe für den Staat geleistet, des Weiteren steht jedem Rentner mit 45 Beitragsjahren eine auskömmliche Rente zu! ..."  Zum Originalkommentar

"Was eine bizzare Vorstellung dieses Herrn. Gerade die jetzige Generation von Rentner haben bereits 15–20 Monate Pflichtdienst (Wehr oder Zivildienst) abgeleistet. Erst 2011 wurde der Wehrdienst ausgesetzt ..."  Zum Originalkommentar


 

Sonstiges: Ironische Kommentare und Randthemen

Ein kleiner Teil begegnet der Debatte mit Spott oder lenkt auf Nebenaspekte wie Rentner im Ausland oder Pensionäre. Experten werden ironisch zum „Pflichtdienst“ vorgeschlagen, manche Kommentare entladen sich in scharfer Polemik.

"Mein Vorschlag: Verpflichtendes soziales Jahr für Möchtegern-Ökonomen und andere sogenannte Experten. Da sollte einiges an Personal zustande kommen."  Zum Originalkommentar

"Auch für die Rentner im Ausland? Müssen die dann zurück? Welchen Status bekommen die dann hier? Fratscher und seine Ideen, selten etwas Sinnvolles von ihm gelesen."  Zum Originalkommentar

"Das wird nichts, aber die Idee ist richtig. Wir sind mit der Rente falsch abgebogen. Das ist, wenn man nicht mehr kann, alles andere ist Luxus, den wir nicht mehr leisten könne. Wir sind aber mit 65 noch nicht wo weit, das war mal vor 100 Jahren anders. Da war man mit 58 halb tot. Solange ich kann, werde ich gehen ..."  Zum Originalkommentar

"Und wie schaut es bei den Pensionären aus? Da werden die Belastungen ja auch immer höher, zählen ja auch zu den Babyboomern. Wer zahlt dem deren Pensionen? Doch auch die jetzige Generation ..."  Zum Originalkommentar


 

Kaum ein DIW-Vorschlag der letzten Zeit hat so viel Empörung unter den Lesern erzeugt wie das mögliche verpflichtende soziale Jahr für Rentner. Diskutieren Sie mit: Sollte ein soziales Pflichtjahr im Alter tatsächlich eingeführt oder lieber freiwillig organisiert werden – und wenn ja, für wen?