Schwere Verluste in Kursk: Putins Eliteeinheit mit zahlreichen Panzern in Minenfeld aufgerieben

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Neuer Schrott vor Kursk: Die Ukraine hat mit ihren Drohnen einen wilden Panzerangriff Russlands zurückgeschlagen. Allerdings ist der Ausgang der dortigen Gefechte so offen wie eh und je (Symbolbild) © IMAGO/Michael Brochstein

Der Kampf um Kursk scheint offen zu bleiben. Die Ukraine gewinnt Gefechte, Russland hält still. Putin könnte massiv zurückschlagen, wenn er wollte.

Kursk – „Wir tauschen ein Territorium gegen ein anderes“, sagte Wolodymyr Selenskyj. Im Gespräch mit der Kiew School of Economics hat sich der Präsident der Ukraine jetzt dezidiert geäußert, dass er in Kursk um ein Faustpfand gegen Wladimir Putins Invasionstruppen kämpft. Es sei auch „nicht ohne Grund, dass die ukrainischen Streitkräfte so viel Freude daran haben, Marinesoldaten der 155. Marineinfanteriebrigade zu töten“, schreibt dazu das Magazin Forbes. In Kursk wird weiter gestorben.

Wie David Axe notiert, hätten die Russen auf ihrem okkupierten Territorium einen – nach den Beschreibungen der Ukraine – von vornherein aussichtslosen Angriff geführt. „Die Russen starteten in Kursk erneut einen Angriff auf die 47. Brigade und ihre Hilfstruppen.“ In einer Kolonne von mehr als einem Dutzend Panzern und etwa einer Kompanie Soldaten, also rund 100 Kräften, sollen die Russen die Elite der russischen 155. Marineinfanteriebrigade in den Kampf geworfen haben.

Lage an der Front im Ukraine-Krieg: Minen sprengten einige der russischen Fahrzeuge in die Luft

„Minen sprengten einige der russischen Fahrzeuge in die Luft. Drohnen trafen andere und verfolgten auch die abgesessene Infanterie. Ein russisches Besatzungsmitglied, der unter einem Granatenschock litt, sprang aus seinem beschädigten Fahrzeug, stapfte ein paar Schritte durch den Schnee, fiel flach auf den Rücken – und explodierte dann, als eine Drohne in ihn hineinkrachte“, schreibt Axe. Demnach kennt Kursk keine Gnade.

„Der Gebietsverlust in Kursk stellt keine bedeutende Bedrohung für Russlands Kriegsanstrengungen oder seine umfassenderen Ziele dar, insbesondere da der Kreml zuversichtlich bleibt, das verlorene Gebiet zu gegebener Zeit zurückerobern zu können.“

Beide Seiten haben sich auch in dem verschwindend geringen Teil Russlands wohl ebenfalls in ein Patt hineinmanövriert. Ende vergangenen Jahres hatte auch der Business Insider (BI) prophezeit, dass sich die Ukraine offenbar erfolgreicher als gedacht an diesem Zipfel Russlands festgekrallt habe: „Russlands Kampf, die Ukrainer rauszuwerfen, könnte noch härter werden“, schreibt BI-Autorin Sinéad Baker.

Baker zitiert dazu William Alberque. Der Analyst des Thinktanks Stimson Center erklärt, dass Russland leicht zu erobernde Teile ihres Territoriums offenbar schnell wieder unter Kontrolle bekämen, sich an der überwiegenden Fläche des von der Ukraine besetzten Territoriums allerdings offenbar die Zähne ausbissen. Insgesamt sollen rund 1.000 Quadratkilometer russischer Erde unter Kontrolle der Ukraine stehen. Zwar unternehmen auch die Besatzer immer wieder Offensiven, allerdings werden auch die leicht von den Russen zurückgeworfen. Ein ewiges Hin und Her mit zunehmender Anzahl von Offensiven bei gleichzeitiger Abnahme angriffsfähiger Kräfte.

Retro-Offensive: Russlands Truppen sollen mit Fahnen der Sowjetunion ins Minenfeld hineingefahren sein

Das könnte damit zusammenhängen, dass die Ukraine in Kursk dort kämpfen könne, wo sie zu ihrem Vorteil handeln könne, anstatt dort kämpfen zu müssen, wo sie die russischen Angriffe in die Defensive zwingen würden, urteilt im BI Michael Bohnert. Der Analyst des US-amerikanischen Thinktanks RAND sieht darin die Effizienz ukrainischer Offensiven begründet. „Letztlich erweist sich die Kursk-Offensive für die Ukraine als eine Mischung aus Mut und harten Lektionen“, schreibt Paulo Aguiar. Der portugiesische Analyst sieht im kanadischen Geopolitictal Monitor in der Notwendigkeit der Verteidigung dieses für die Ukraine wichtigen Gebietes auch die Aggressivität zunehmen. Auf beiden Seiten.

Die russischen Truppen seien sogar mit wehenden Fahnen der Sowjetunion an den Panzern in das ukrainische Minenfeld hineingefahren, wie ein Video dieses Angriffs in Sozialen Medien belegen soll. Mittlerweile ist die einzige Frage die, wem als erster Kriegspartei die Mittel ausgehen, um diesen Krieg an dieser Front weiterzuführen – das lässt sich an praktisch jedem Gefecht aufs Neue ablesen, wie auch Forbes immer wieder darstellt. Mit einer Kombination aus Drohnen, Minen, Raketen und Artillerie hätten die 47. Mechanisierte Brigade und die 92. Sturmbrigade der ukrainischen Armee kürzlich einem russischen Angriff auf ihre Stellungen in der westrussischen Region Kursk nicht nur standgehalten.

Sie jagten die Angreifer sogar mit der eigenen Infanterie und hinterließen einen Waldstreifen, übersät mit toten Russen. Unter dem jetzt ins vierte Jahr steuernden Ukraine-Krieges sind auch das ukrainische Unteroffiziers- und Offiziers-Korps ausgeblutet, was zu Fehlern und eigenen unnötigen Opfern führte. Ob erfolgreichen Gegenangriffe oder Defensiven – die Kursk-Offensive bleibe ein starkes Symbol für die Entschlossenheit der Ukraine, urteilt Paulo Aguiar. Insofern mögen sich multilateral durch Donald Trump gerade Hinweise auf ein schnelles Ende des Ukraine-Krieges verdichten – möglicherweise auch bezüglich eines für beide Seiten akzeptablen Friedens. Allerdings sieht der Thinktank Institute for the Study of War (ISW) auch gerade am Beispiel Kursk ein Einfallstor für einen militärischen Sieg auf ganzer Linie – für beide Seiten.

Eindringlinge agieren geschickt: Der Krieg in der Ukraine ist nicht dauerhaft ins Stocken geraten

Der Überfall der Ukraine gilt dem ISW als schlagender Beweis dafür, dass die Mobilität der Ukrainer sogar auf begrenztem Raum, „die Schwachstellen in Russlands Kriegsführungsfähigkeiten ausnutzen und, technologische Anpassungen mit mechanisierten Manövern kombiniert, Auswirkungen auf das gesamte Einsatzgebiet haben können“, wie das ISW schreibt. Kursk habe gezeigt, dass selbst auf einem gläsernen Gefechtsfeld überraschende Manöver mit schnellen Operationen zu überraschenden Erfolgen führen könnten. Insofern war der russische Panzervorstoß vielleicht doch weniger aussichtslos, als die Ukraine das Glauben machen will, um ihre Kräfte zum weiteren Durchhalten anzutreiben.

„Der Krieg in der Ukraine ist nicht dauerhaft ins Stocken geraten. Jede Seite kann potenziell ihre Manöver wieder aufnehmen und beginnen, bedeutendes Territorium zu gewinnen oder zurückzugewinnen“, schreibt das ISW. Und mahnt den Westen, dass die weitere Entwicklung die Partnerländer der Ukraine in der Hand hätten. Weniger Unterstützung für Russland, mehr Unterstützung für die Ukraine, und der Krieg würde wieder in Bewegung kommen. Erstaunlich sei, so eine der jüngsten Analysen des ISW, dass rund 11.000 ukrainische Soldaten ihre Positionen zumindest weitestgehend behaupten konnten gegen fast 80.000 Soldaten Russlands plus mehr als 10.000 nordkoreanischen Hilfstruppen – die auch schon wieder von der Front verschwunden sind.

Anders gerechnet: Im Verhältnis hat sich ein ukrainischer Soldat gegen neun feindliche behaupten müssen. Allerdings vermutet das ISW, Russland könnte seinen Druck auf Kurs erhöhen, wenn sie Friedensverhandlungen aus einer Position der absoluten Stärke heraus würde führen wollen. Nach dieser Definition würde Kursk zum Seismographen dafür, dass wieder miteinander verhandelt werden soll. Wenn Putin ernst mache mit Friedensgesprächen, würde er vorher an der Front in Kursk genauso ernst machen, vermutet das ISW.

Verluste als Pfand? Gebietsverlust in Kursk stellt keine bedeutende Bedrohung für Russland dar

Überdies gehen weder der Analyst Paulo Aguiar noch andere Beobachter davon aus, dass die Ukraine ihren territorialen Zugewinn in Kursk als Pfand in etwaige Verhandlungen tatsächlich wird einbringen könnten. Dazu sei das Gewicht der Ukraine auf russischem Boden dann doch zu gering, urteilen die meisten Analysten. Allgemeiner Konsens dagegen ist, dass Wladimir Putin strickt darauf pocht, die Kontrolle beispielsweise über den Donbass zu verteidigen, um einen Korridor zwischen sich und der Nato zu errichten.

Insofern darf wohl davon gesprochen werden, dass Putin keinesfalls zulassen kann, dass die Ukraine bei Kursk weiter vorrückt. Mehr scheint ihn aber auch schlichtweg nicht zu interessieren, weil die Bedeutung dieses Frontabschnitts für ihn geringer ist als für die einzelnen ukrainischen Soldaten oder deren Angehörige – oder wie Paulo Aguiar sagt: „Der Gebietsverlust in Kursk stellt keine bedeutende Bedrohung für Russlands Kriegsanstrengungen oder seine umfassenderen Ziele dar, insbesondere da der Kreml zuversichtlich bleibt, das verlorene Gebiet zu gegebener Zeit zurückerobern zu können.“

Auch interessant

Kommentare