Viele Ausbildungsplätze noch unbesetzt: „Fast unmöglich, Azubi zu finden“
Bei den angehenden Lehrlingen sind Kaufmann und Kfz-Mechatroniker die beliebtesten Ausbildungsberufe. Viele Stellen im Landkreis sind aber noch unbesetzt.
Landkreis – „Es ist fast unmöglich, einen Auszubildenden zu finden“, sagt Christopher Karge. Der 30-Jährige ist Gesellschafter und Ausbilder bei der Firma Dietrich Installations- und Heizungsbau in Hausham. Für das anstehende Ausbildungsjahr, das am 1. September beginnt, ist die Firma noch immer auf der Suche nach einem Lehrling. „Wenn dann finden wir jemanden per Zufall, über Bekannte. Aber auf dem freien Markt bekommen wir kaum Rückmeldungen.“ Dabei bewirbt das Unternehmen die offene Stelle auch bei Jobbörsen und ist sogar in den sozialen Medien vertreten.
Über 300 offene Ausbildungsplätze im Landkreis Miesbach
Wie Karge geht es aktuell vielen Unternehmern im Landkreis: Insgesamt 317 angebotene Stellen sind noch offen, sagt Michael Preisendanz, Geschäftsführer operativ der Agentur für Arbeit Rosenheim, die auch für den Landkreis Miesbach zuständig ist. „Demgegenüber stehen aktuell nur 88 junge Menschen mit uns auf der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz in Verbindung.“ Insgesamt 147 junge Männer und Frauen sind bei der Arbeitsagentur gemeldet, die im Herbst eine Ausbildung beginnen.
Die meisten Lehrlinge im Landkreis entscheiden sich für eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, gefolgt von Kaufmann/-frau im Einzelhandel oder für Büromanagement. Das zeigen die Erhebungen der Arbeitsagentur. Unter den männlichen Bewerbern ist die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker am beliebtesten, kaufmännische Berufe werden von Tischler und Elektroniker abgelöst. Bei den jungen Frauen ist die Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten der Favorit, gefolgt von Kauffrau für Büromanagement und medizinischer Fachangestellten.
Lehrstellen im Einzelhandel, Gastronomie und Handwerk noch unbesetzt
Die Diskrepanz zwischen der Zahl der Bewerber und der Anzahl der offenen Stellen zeigt sich wohl am deutlichsten beim Blick auf das Berufsfeld Kaufmann/-frau im Einzelhandel: Obwohl die Ausbildung bei den angehenden Lehrlingen laut Statistik recht beliebt ist, sind noch immer zahlreiche Stellen frei. Auch in der Gastronomie werden zum Herbst noch viele Azubis gesucht.
Wie schwer es ist, in seiner Branche Auszubildende zu finden, weiß Hans Fanea, Geschäftsführer der Expert-Filiale in Holzkirchen. Er hat eine offene Stelle zur Ausbildung im Einzelhandel ausgeschrieben – auch, wenn er nicht händeringend auf der Suche ist. „Ich habe im letzten Jahr drei Azubis eingestellt. Insofern habe ich dieses Jahr nach der Nadel im Heuhaufen gesucht.“ Zwar gab es ein paar Bewerbungen auf die Stelle, gefunden hat er die Nadel aber bislang nicht. „In den Jahren davor hatten wir immer Probleme, jemanden zu finden.“
Abschreckende Arbeitszeiten und falsche Vorurteile gegen Berufe
Fanea vermutet, dass der Einzelhandel immer mehr in Verruf gerät. „Als ich vor 30 Jahren diesen Beruf gelernt habe, war er noch angesehener.“ Viele Jugendlichen würden die langen Öffnungszeiten und die Arbeit am Samstag abschrecken. Vor zehn bis 15 Jahren habe der Geschäftsführer auf eine Anzeige noch 20 bis 30 Bewerbungen bekommen – heute sei er schon froh, wenn es zehn Bewerbungen sind. Dass er im vergangenen September drei Lehrlinge einstellen konnte, sei nur Glück gewesen.
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Bei den unbesetzten Stellen steht auch die Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung und Klima unter den Top zehn. Karge vermutet, dass dies zwei Gründe hat: „Viele Eltern drängen mittlerweile darauf, dass man studiert.“ Zudem hätten viele Jugendliche ein falsches Bild von seinem Gewerk. „Viele meinen, dass wir den ganzen Tag in Scheiße rumgraben.“ Bei anderen handwerklichen Berufen sei die Lage am Ausbildungsmarkt nicht so schlimm, vermutet er. „Dabei ist ein Elektriker oft viel dreckiger als wir.“
„Immer schwieriger geworden, jemanden zu finden“
Der 30-Jährige bildet seit 2016 selbst aus. „Mit der Zeit ist es immer schwieriger geworden, jemanden zu finden.“ Das mache sich auch in den Berufsschulklassen bemerkbar: Waren zu seiner Ausbildungszeit 2010 die Klassen voll, seien heute teilweise weniger als zehn Schüler in einem Jahrgang. „Dann wird es schwierig, die Berufsschulklasse in Miesbach zu halten“, befürchtet Karge. Für den Betrieb mit acht Mitarbeitern bedeuten offene Lehrstellen, dass es personell in Zukunft immer enger werden könnte. (sf)
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