Trumps Zölle schaden den USA: EU will Zollpause für zahlreiche Handelsdeals nutzen
Europa muss auf US-Zölle mit mehr Freihandelsabkommen reagieren. Das fordern Ökonomen. Berechnungen nach treffen Trumps Zölle die USA mehr als die EU.
Paris/Berlin – Kaum ein Tag vergeht, ohne dass US-Präsident Donald Trump seine Meinung über eine der vielen Zollmaßnahmen ändert. Erst am Mittwoch (14. Mai) hieß es, dass die US-Regierung fortschrittliche Computerchips doch nicht stärker bezollen will. Mit China hat sie sich auf eine 90-tägige Waffenruhe im Handelskrieg geeinigt; für die massiven Zölle auf Dutzende andere Länder gilt eine ähnliche Pause. Ökonomen sehen das als Anlass zum Handeln für die EU.
Trump schießt sich selbst in den Fuß – EU muss Zoll-Pause nutzen
Die EU muss Freihandelsabkommen mit anderen Wirtschaftsräumen vorantreiben, solange Trump die Welt mit seiner erratischen Zollpolitik in Atem hält. Das fordern französische und deutsche Ökonomen von der Staatengemeinschaft. Mehr noch: Die EU müsse „eine Führungsrolle bei der Verteidigung der globalen Handelsordnung übernehmen“, erklärten die Experten in einer Stellungnahme des Conseil d‘analyse économique und des Deutsch-Französischen Rates der Wirtschaftsexperten.

„Die EU muss europäische Unternehmen, deren Zugang zu den US-Märkten beschränkt wird, dabei unterstützen, neue Exportmärkte zu erschließen und neue Handelspartner zu finden“, sagte Monika Schnitzer, Co-Vorsitzende des Deutsch-Französischen Rates der Wirtschaftsexperten. Je mehr Handel die europäischen Volkswirtschaften trotz Trumps Zoll-Chaos mit anderen Ländern und Wirtschaftsräumen treiben, umso geringer würden die Kosten der Zölle ausfallen.
Aktuell sollen Trumps Zölle die US-Wirtschaft sogar härter treffen als den europäischen Markt. Die Volkswirte rechnen mit einem Rückgang der realen Produktion innerhalb der USA um 1,0 bis 1,63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Innerhalb der EU soll der Rückgang lediglich 0,15 Prozent betragen. Ein zweites Szenario sieht einen Rückgang der realen Produktion innerhalb der EU zwischen 0,22 Prozent und 0,33 Prozent vor.
EU verhandelt mit Mercosur – und muss während Zoll-Pause Abkommen vorantreiben
Derzeit sind mehrere Freihandelsabkommen der EU mit wirtschaftlich starken Ländern oder Wirtschaftsräumen entweder in Verhandlung oder schon in der Adoption. Eines der wohl wichtigsten unter ihnen ist das EU-Mercosur-Abkommen. Nach Angaben der Europäischen Union ist die EU der größte ausländische Investor für Mercosur (eine Freihandelszone, gegründet 1991 von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay), mit Investments in Höhe von 340 Milliarden Euro allein im Jahr 2021.
Am 6. Dezember 2024 teilte die EU mit, hier einen Durchbruch erzielt zu haben. „Es ist eine Win-Win-Übereinkunft, die bedeutende Vorteile für Verbraucher und Unternehmen mit sich ziehen wird“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu. „EU-Mercosur ist das größte Übereinkommen überhaupt, wenn es darum geht, die Nahrungsmittel- und Getränkeprodukte der EU zu beschützen.“ Mehr als 350 Produkte seien jetzt durch das Abkommen geschützt. Das Mercosur-Abkommen soll EU-Unternehmen pro Jahr Exportzölle in Höhe von vier Milliarden Euro ersparen.
Handelsabkommen mit ASEAN-Staaten – Zoll-Effekte könnten schrumpfen
Außerdem verhandelt die EU derzeit mit Indien über ein Freihandelsabkommen. Nach Angaben der Kommission ist die EU Indiens größter Handelspartner – 12,2 Prozent des gesamten indischen Handels entfielen im Jahr 2023 auf die EU. Umgerechnet sind das Waren im Wert von 124 Milliarden Euro. Die Verhandlungen zielen darauf ab, Barrieren abzubauen und europäische Firmen dazu zu bringen, mehr Waren zu exportieren. Weiter soll das Abkommen den Markt für Dienstleistungen öffnen.
Mit Indonesien laufen die Verhandlungen bereits seit dem 18. Juli 2016. In nunmehr 19 Verhandlungsrunden versuchen die Verhandlungspartner, bestimmte Regeln zum Freihandel zwischen der EU und Indonesien festzumachen. Unter anderem geht es um geistiges Eigentum, Handelserleichterungen, Wettbewerb, um digitalen Handel, Energie und Rohstoffe.
Genau wie Indonesien gehören die Philippinen zur Association of South East Asian Nations (ASEAN), mit denen die EU derzeit gezielt ein Handelsnetzwerk aufbauen will. „Das Ziel ist es, bilaterale Handelsabkommen mit individuellen ASEAN-Ländern zu schließen, die dann als Bausteine für ein zukünftiges Region-zu-Region-Abkommen zwischen der EU und ASEAN fungieren“, teilte die EU-Kommission dazu mit. Für Mitte Juni 2025 ist die dritte Verhandlungsrunde angesetzt.
EU und Südkorea – Freihandelsabkommen über digitalen Handel
Zuletzt verhandelt die EU ein neues Abkommen mit Südkorea. Seit 2011 ist ein klassisches Freihandelsabkommen in Kraft, aber ein neues soll sich speziell auf den digitalen Handel beziehen. Laut der EU konzentriert sich das Länderbündnis bei den Verhandlungen mit Südkorea auf dreierlei:
- Das Verbrauchervertrauen
- Die Gewährleistung von Vorhersehbarkeit und legaler Sicherheit für Unternehmen
- Die Entfernung und Verhinderung von „ungerechtfertigten“ Handelsbarrieren bei digitalem Handel
Die Ökonomen rieten der EU dazu, das Aussetzen der US-Zölle (Trump hatte hier eine 90-tägige Pause gewährt) zu nutzen, um vor allem das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten zu unterzeichnen. Die anderen Handelsabkommen sollten sie außerdem vorantreiben, so gut es gehe.
EU-Maßnahmen gegen Trump-Zölle – Gegenzölle als Reaktion?
„Gleichzeitig muss sie (die EU, Anm. d. Red.) entschiedene Gegenmaßnahmen vorbereiten, für den Fall, dass die US-Administration die angedrohten und aktuell ausgesetzten reziproken Zölle wieder in Kraft setzt“, warnte Schnitzer, die dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“) vorsitzt. Unter anderem nannten die Ökonomen hier Zugangsbeschränkungen zum EU-Markt, regulatorische Maßnahmen bei digitalen Dienstleistungen (was vor allem die Tech-Riesen Meta und X treffen könnte) sowie Gegenzölle auf US-Produkte.
Mehr Freihandelsabkommen der EU hatte zuletzt auch der Ökonom Gabriel Felbermayr gefordert. Nicht nur das Mercosur-Abkommen sei praktisch unterschriftsreif, sondern auch Verhandlungen mit Indien und Australien seien fortgeschritten, sagte der frühere Leiter des IfW Kiel kürzlich.