Handelskrieg zwischen den Supermächten – Der wahre Profiteur sitzt in Asien

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

KommentareDrucken

Der Ton zwischen den westlichen Industriestaaten und China verschärft sich. Höhere Strafzölle sind im Gespräch. Europa könnte abgehängt werden.

Brüssel – Erst vor Kurzem hatte die US-Regierung unter Präsident Joe Biden höhere Strafzölle auf eine Vielzahl von chinesischen Importen angekündigt. Die EU-Kommission prüft ebenfalls Anti-Dumping-Zölle gegen chinesische Elektroautos. China will mit Strafzöllen auf westliche Verbrenner reagieren. Der Gewinner des Ganzen steht noch nicht fest – allerdings gibt es eine Gruppe von Ländern in Südasien, die vom Konflikt zwischen Ost und West profitieren.

Südasiatische Länder profitieren von Strafzöllen

Konkret handelt es sich hier um die zehn Länder, die gemeinsam den asiatischen Wirtschaftsblock ASEAN bilden. Schon in der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass sie dann profitieren, wenn der Westen seinen Handel mit China in irgendeiner Weise einschränkt. Die Zeit nahm hier das Beispiel der Strafzölle, die der ehemalige US-Präsident Trump eingesetzt hatte. Damals hatten sowohl Thailand und Indonesien als auch Vietnam einen Zuwachs im Export verzeichnet.

Wladimir Putin (l), Präsident von Russland, und Joe Biden, Präsident der USA, während ihres Treffens vor der „Villa la Grange“ in Genf, Schweiz.
Wladimir Putin (l), Präsident von Russland, und Joe Biden, Präsident der USA, während ihres Treffens vor der „Villa la Grange“ in Genf, Schweiz im Jahr 2021. © Mikhail Metzel/dpa

Außerdem stiegen die Investitionen aus dem Ausland und der eigene Wohlstand. „Das Wachstum findet einfach hier statt“, zitierte die Zeit Jan Rönnfeld, Geschäftsführer der Deutsch-Indonesischen Industrie- und Handelskammer. Die Mechanik dahinter scheint simpel: Wegen der sich aufsummierenden Strafzölle zwischen China und den USA verteuert sich der Handel zwischen diesen beiden Großmächten. Westliche Firmen suchen nach Alternativen – vor allem dann, wenn sie sich vorher voll auf China konzentriert hatten. Die Furcht vor Maßnahmen der US-Regierung treibt diese Entwicklung weiter an.

Der große Vorteil für die ASEAN-Staaten ist außerdem, dass sie sich bislang weder auf die eine, noch auf die andere Seite gestellt haben. Sowohl China als auch die USA umwerben den südasiatischen Block und investieren hohe Summen.

Was ist ASEAN?

ASEAN existiert bereits seit 1967. Ausgeschrieben steht der Name für die „Association of Southeast Asian Nations“ – die Gründungsmitglieder sind Indonesien, Malaysia, Philippinen und Singapur. Über die Jahre hinweg traten außerdem Thailand, Brunei, Vietnam, Laos, Myanmar und Kambodscha dem Staatenverbund bei. Insgesamt leben in diesen zehn Ländern etwa 650 Millionen Menschen.

Dabei verfolgt ASEAN das Ziel, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und den Handel in den Mitgliedstaaten zu fördern und die politische Stabilität der Region zu stärken. Zwischen den ASEAN-Staaten besteht eine Freihandelszone (ASEAN Free Trade Agreement, AFTA), die seit 2003 in Kraft ist. Außerdem hatten die Nationen die Gründung eines Binnenmarkts beschlossen. Für die EU ist ASEAN einer der wichtigsten Handelspartner.

EU-Handel mit ASEAN

Konkret beläuft sich das Handelsvolumen zwischen EU und ASEAN auf rund 271,8 Milliarden Euro (Stand 2022, Handelsgüter). Der Handel im Sektor Dienstleistungen machte eine Summe von rund 82,4 Milliarden Euro aus. Die EU hat einen Anteil von 10,2 Prozent am gesamten Handel der ASEAN-Region, außerdem ist sie der zweitgrößte Investor in die Mitgliedstaaten. 2020 hatte die EU Anlagen in Höhe von 350 Milliarden Euro im Foreign Direct Investment (bezogen auf ASEAN) verzeichnet. Gleichzeitig wuchsen in den letzten Jahren auch die Investitionen, die die ASEAN-Länder ihrerseits in Europa tätigten.

Hauptsächlich exportiert die EU chemische Produkte, Maschinen und Transportequipment in die südasiatischen Staaten. Andersherum verschifft die ASEAN-Region hauptsächlich Agrikulturprodukte, Produktionsgüter und Maschinen in die EU. Das berichtete die Europäische Kommission.

Zwischen EU und ASEAN fehlt das Freihandelsabkommen

Dabei steht die Frage im Raum: Wo steht Europa, wenn die ASEAN-Region tatsächlich in höherem Maße vom Handelskrieg zwischen den USA und China profitiert? Aktuell ist China logischerweise ein wichtigerer Handelspartner für die asiatischen Länder als Europa, immerhin sind die Handelswege kürzer. Auf der anderen Seite aber hat China sich mit mehreren der ASEAN-Staaten angelegt und beansprucht Teile des südchinesischen Meers für sich, die per United Nations Convention on the Law of the Sea (UNCLOS) eigentlich anderen Staaten gehören, darunter die Philippinen und Vietnam.

Laut der Europäischen Kommission hat die EU bislang mit zwei ASEAN-Ländern bilaterale Übereinkünfte geschlossen: Singapur und Vietnam. Die Verhandlungen mit Malaysia und den Philippinen liegen auf Eis, mit Indonesien und Thailand laufen sie noch. Das Ziel dahinter ist die Vertiefung des Handels und der Investitionsbeziehungen mit beiden Ländern. Die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den einzelnen Staaten könnten in Zukunft die Grundlage für ein größeres Freihandelsabkommen bilden, das direkt zwischen der EU und ASEAN gelten soll.

Die Bundesregierung teilte dazu mit, dass seit 2020 immerhin eine strategische Partnerschaft besteht. Es existieren außerdem Pläne für einen EU-ASEAN-Aktionsplan, der eine detaillierte Zusammenarbeit vorsieht, unter anderem beim nachhaltigen Handel, bei nachhaltiger Konnektivität, bei der Förderung menschenwürdiger Arbeit und beim digitalen Wandel.

„Im Moment sind wir nicht die beliebtesten Handelspartner in der Region“

Das fehlende Freihandelsabkommen bedeutet aktuell noch eine schwächere Position für Europa und Deutschland – so drückte es Claudia Schmucker gegenüber der Zeit aus. Schmucker leitet bei der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik das Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie. „Im Moment sind wir nicht die beliebtesten Handelspartner in der Region“, sagte sie dazu. Joko Widodo, Präsident von Indonesien, wünsche mehr Gleichheit für eine „bessere Partnerschaft“. Durch die Blume kritisierte er die ständigen Forderungen der EU nach hohen Produktstandards.

Dazu gehören auch die Arbeitsbedingungen. Wie das US-amerikanische Bureau of International Labor Affairs bemängelte, gibt es zum Beispiel in der Fischerei Südostasiens deutliche Mängel. Fischer laufen Gefahr, in Zwangsarbeit zu geraten, dubiose Rekrutierungspraktiken, zurückgehaltene Löhne und Schuldenbindung kommen hinzu. Illegales Fischen sei in Südostasien „weit verbreitet“.

Nebst alldem werden innerhalb der Wirtschaft und der Politik wiederholt Stimmen laut, die einen Aufbau der heimischen Produktion fordern. Nur so könne man sich dauerhaft unabhängig machen, zum Beispiel von China.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!