Rebecca (15) ist seit 6 Jahren vermisst: Hobby-Detektive starten Gaga-Aktionen

Das Verschwinden der Berliner Schülerin Rebecca Reusch gilt als einer der spektakulärsten Kriminalfälle in Deutschland. Die 15-Jährige war am 18. Februar 2019 zuletzt frühmorgens im Haus ihrer Schwester und des Schwagers lebend gesehen worden.

Der Schwager wird von der Polizei noch immer als Haupttäter verdächtigt. Die Vermutung: Rebecca, die vom 17. auf den 18. Februar im Haus ihrer Schwester Jessica und des Schwagers Florian R. auf einem Sofa übernachtet hatte, wurde getötet und ihr Leichnam versteckt. Das Problem: Von Rebeccas Leiche fehlt jede Spur. Zweimal war der Schwager einige Wochen nach Rebeccas Verschwinden vorläufig festgenommen worden und saß in U-Haft, musste aber wieder freigelassen werden, da die Ermittler den Tatverdacht gegen den damals 27-Jährigen nicht erhärten konnten.

Inzwischen suchen immer häufige neue Gruppen nach Rebecca - ohne Auftrag der Familie, Polizei und Staatsanwaltschaft und zum Missfallen vor allem Letzterer. Es sind selbsternannte Detektive. Auf Social Media wie Youtube oder TikTok stellen sie Tatszenen nach oder streamen live stundenlange Suchaktionen in Brandenburger Waldstücken, gefolgt von hunderten Teilnehmern. Gelegentlich geraten die Hobby-Detektive dabei selbst mit der Polizei in Konflikte, wenn es Eigentümern nicht passt, dass diese ohne Erlaubnis Privatgrund betreten.

Rebecca Reusch: Youtuber stellt mutmaßlichen Abtransport von Leiche nach

Makaber wirkt eine Aufnahme, die der Betreiber eines Youtube-Kanals namens "Bernie's Nachtcafé" inszenierte. Darauf ist eine männliche Person von hinten in Jeans, T-Shirt und Basecap zu sehen, die eine offenbar weibliche Person, die in eine Decke gehüllt ist, versucht, in den kleinen Kofferraum eines himbeerfarbenen Twingo zu zwängen.

Die Szene knüpft an ominöse Autofahrten an, die Florian R. an jenem tragischen Tag nur kurz nach Rebeccas Verschwinden in die nähere Umgebung und dann am fortgeschrittenen Vormittag nach Polen unternommen hatte. Auch am Folgetag ist der Wagen von Kennzeichenerfassungskamera zwischen Berlin und Frankfurt/Oder aufgenommen worden. 

Die Erklärung für den Trip nach Polen, der erst am späten Abend endete, lieferte Florian R. jedoch erst nach seiner ersten kurzen Festnahme. Es ging angeblich um Drogenkäufe. Das sagte er nicht gegenüber den Ermittlern, die ihn des Mordes verdächtigen, sondern gegenüber seinem Schwiegervater. 

Unter anderem zieht der Youtube-"Detektiv", der auch gerne mal viele Minuten allein seine Gedanken zum Fall darlegt, eine Kosmetikerin als "Expertin" heran, um zu spekulieren, ob dunkle Hautstellen auf dem Gesicht des Verdächtigten von künstlichen Fingernägeln stammen könnten, die Rebecca kurz vor ihrem Verschwinden getragen haben soll.

Rebecca Reusch ist seit Februar 2018 verschwunden.
Rebecca Reusch ist seit Februar 2018 verschwunden. RTL / Polizei Berlin

Privatpersonen durchkämmen Waldstück in Brandenburg auf der Suche nach Rebeccas Leiche

In einem anderen Video sind über einen Zeitraum von mehr als zwei Stunden mehrere Privatpersonen zu sehen, die ein Waldstück in der Nähe von Friedersdorf auf der Suche nach Spuren von Rebecca durchkämmen. 

Die Polizei hatte 2018 über mehrere Wochen immer wieder mit Hundertschaften, Leichenspürhunden und Booten die seenreiche Gegend und Waldstücke um den Wolziger See im nahen Brandenburg abgesucht. Die Großmutter von Florian R. soll in der Gegend ein Haus besessen haben. Zudem war der auffällige himbeerfarbene Twingo dort kurz nach Rebeccas Verschwinden von Anwohnern in einem Waldstück gesehen worden.

Auch die Protagonisten und Hobby-Detektive der 2017 eingestellten RTL-Soap-Doku "Die Trovatos" beteiligen inzwischen sich an der Spurensuche. Auf einem TikTok-Account streamten sie bereits mehrere Teile und besuchten zudem ein Grundstück in Brandenburg, auf dem sich Florian R. angeblich öfter aufgehalten haben soll.

Oberstaatsanwalt Büchner: "Die Ermittlungen im Fall Rebecca dauern an"

Der Berliner Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen im Fall Rebecca leitet, passen diese Aktionen indes ganz und gar nicht. "Das Tätigwerden von Privatpersonen wird hier kritisch gesehen – und zwar unabhängig davon, ob durch diese im Rahmen ihre Ermittlungen möglicherweise auch noch Straftaten wie etwa Hausfriedensbrüche begangen werden", teilte Sebastian Büchner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, FOCUS online auf Anfrage mit. Begründung: "Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft dauern nach wie vor an."

Und gerade diese Ermittlungen, ergänzt Büchner, "können durch die Detektivgruppen – auch unabsichtlich – gefährdet werden". Etwa durch möglicherweise nur suggestive Beeinflussung von Zeugen, die versehentliche Vernichtung von Beweismitteln und Spuren oder die unbeabsichtigte Warnung Tatverdächtiger".

Ermittlungen waren zum Teil von fatalen Pannen begleitet worden

Die Ermittlungsarbeit der Hauptstadt-Polizei im Fall Rebecca war gleich zu Beginn von zum Teil fatalen Pannen begleitet worden. So suchte die Kripo erst zwölf Tage nach dem Verschwinden des Mädchens das Haus des Schwagers nach forensischen Spuren ab, die Hinweise auf eine Gewalttat hätten bringen können. 

Klar ist,  dass Rebeccas Familie stets zu dem tatverdächtigen Mann hielt. Er hat mit Rebeccas Schwester eine Tochter, die zum Zeitpunkt von Rebeccas Verschwinden zwei Jahre alt war.