Staatsschulden auf Rekordkurs: Ökonomen warnen vor globaler Finanzkrise

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Die Schulden in der USA, der EU und in Japan steigen. Das könnte eine neue Finanzkrise heraufbeschwören, meinen Experten – womöglich innerhalb der nächsten fünf Jahre.

Berlin – Die öffentlichen Schulden in Deutschland lagen Ende 2023 mit 2.445,1 Milliarden Euro auf einem Rekordhoch. Pro Kopf lag die Verschuldung damit bei 28.943 Euro, wie das Statistische Bundesamt am Montag (29. Juli) mitteilte. Auch andere Staaten verschulden sich immer stärker – darunter auch die größte Volkswirtschaft der Welt, die USA. Finanzexperten warnen vor einer Finanzkrise.

Staatsschulden im internationalen Vergleich: Finanzmärkte skeptisch wegen wachsender Defizite

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Die Schuldenuhr Deutschlands am Sitz des Bundes der Steuerzahler in Berlin (Symbolbild). © IMAGO/Jens Schicke

Die Staatsschulden Deutschlands liegen derzeit bei 63,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Nicht ideal, aber im internationalen Vergleich fast schon solides Mittelfeld, wie eine Statistik des Bundesfinanzministeriums zeigt. Im Schnitt erreicht die Verschuldung in der Europäischen Union (EU) 82,7 Prozent des BIP, in Griechenland steht die Schuldenuhr bei 151,9 Prozent der Wirtschaftsleistung, in den USA bei 125,0 Prozent und in Japan sogar bei 250,8 Prozent des BIP.

„An den Finanzmärkten dürfte angesichts der Aussicht auf immer höhere Haushaltsdefizite die Tragfähigkeit des Schuldenbergs mehr und mehr infrage gestellt werden“, sagt Andreas Busch, Ökonom bei der Investmentgesellschaft Bantleon, dazu der Welt. Die Neuverschuldung galoppiert und bislang unternimmt die Politik dagegen recht wenig – oder wie es der Internationale Währungsfonds (IWF) Ende Juni formulierte: „Diese chronischen Haushaltsdefizite stellen eine erhebliche und anhaltende politische Fehlentwicklung dar, die dringend in Angriff genommen werden muss.“

Zinszahlungen von einer Billion US-Dollar: Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen wären nötig

Das Problem mit den Schulden sind unter anderem die immer weiter steigenden Zinskosten. Im aktuellen Haushaltsjahr gaben die USA 892 Milliarden Dollar (etwa 825 Milliarden Euro) für Zinszahlungen aus – und damit mehr als für die Verteidigung, wie CNN berichtet. Im kommenden Jahr beziffert die US-Behörde Congressional Budget Office, die über das Budget wacht, die Kosten für Zinsen auf über eine Billion.

War in der Niedrigzinsphase der falsche Eindruck entstanden, dass Schulden kostenlos sind? Das Problem bestehe nun darin, dass die „inflationsbereinigten Zinssätze deutlich über den Tiefstständen seit der globalen Finanzkrise liegen, während das mittelfristige Wachstum schwach bleibt“, so eine Analyse des IWF. Dass sich daran in einem Wahljahr in den USA etwas ändert, darf bezweifelt werden.

Denn um das Schuldenproblem anzugehen, seien entweder Steuererhöhungen oder Kürzungen bei Sozialleistungen wie der Sozialversicherung und Krankenversicherung erforderlich, sagte Karen Dynan, Professorin an der Harvard Kennedy School, dem US-Sender CNN. „Viele [Politiker] sind nicht bereit, über die schwierigen Entscheidungen zu sprechen, die getroffen werden müssen“, so Dynan weiter.

Verpasste Sparchancen und steigende Verteidigungsausgaben verschärfen das Problem

Das Schuldenproblem dürfte sich sogar noch verschärfen: Denn bei manchen Ausgaben, etwa für Militär, lässt sich angesichts der angespannten geopolitischen Lage derzeit kaum sparen. Im Gegenteil: Der Verteidigungshaushalt in Deutschland soll im kommenden Jahr um 1,2 Milliarden Euro steigen. Und das ist aus Sicht von Militärexperten sogar noch viel zu wenig.

Vielleicht würde ein Anruf von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei Kristen Michal, dem neuen Premierminister von Estland helfen: Bei einer aktuellen Staatsverschuldung von 20,5 Prozent des BIP schafft es das kleine Land, über drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren. Zum Vergleich: Deutschland gelang es 2024 erstmals nach vielen Jahren, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen.

„Crash mit Ansage“: Wie viel Staatsschulden sind zu viel?

Die EU gibt gemäß den Maastrichter Konvergenzkriterien eine konkrete Vorgabe für Schulden: im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt darf der Schuldenstand 60 Prozent nicht überschreiten – wenige Staaten in Europa halten sich daran. Wie viel Staatsschulden zu viel sind, dafür gibt es keinen universellen Richtwert. Doch „wenn die Schulden 150 oder 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen“, bedeutet das „sehr ernste Kosten für die Wirtschaft und die Gesellschaft im weiteren Sinne“, sagte die Ökonomin Dynan zu CNN.

„Dauerhaft höhere Zinssätze erhöhen die Kosten für den Schuldendienst, erhöhen den fiskalischen Druck und bergen Risiken für die Finanzstabilität“, formuliert der Internationale Währungsfonds seine Sorge vor einer Finanzkrise. Der Chefvolkswirt der Deka, Ulrich Kater spricht angesichts der Staatsfinanzen in der Euro-Zone ebenfalls von Besorgnis. „Wenn das so weiter geht, führt das irgendwann zu einem Crash mit Ansage“, sagt der Ökonom zu Welt. „Nicht in unmittelbarer Zukunft, aber das ist ein Thema für die nächsten fünf Jahre.“ Wenn die Schuldenstandsquote weiter klettere, „ist schließlich sogar eine globale Finanzkrise denkbar, sollte der US-Dollar als Reservewährung infrage gestellt werden“, prognostiziert der Ökonom Andreas Busch.

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