Erst auf dem Oktoberfest, dann bei den Bambi- und Romy- Preisverleihungen: Thomas Gottschalk stand die vergangenen Monate mehrmals im Rampenlicht. Nicht immer ohne Kritik: Beim Bambi wirkte er fahrig, unkonzentriert und sorgte mit seinem Verhalten sogar für Buhrufe aus dem Publikum. Zwei Wochen später bei der Romy-Gala wiederholte sich das Spiel. Gottschalk wirkte verwirrt und sagte später, er habe aufgrund der späten Uhrzeit (23 Uhr) einfach "keine Lust mehr" gehabt.
Das hinter den Aussetzern weder Alkohol noch Alterserscheinungen steckten, wie viele in den Medien und sozialen Medien spekulierten, offenbarte Gottschalk nun in einem Interview mit der "Bild". Er und seine Frau Karina berichten dort von Gottschalks Schock-Diagnose: "Ich glaube, es wird Zeit, dass wir die Karten auf den Tisch legen. Ich habe Krebs".
Gottschalks Therapie: Operation, Bestrahlung, Schmerzmittel
Gottschalk leidet an einer seltenen und aggressiven Form eines Angiosarkoms. "Bei dem Epitheloiden Angiosarkom handelt es sich um eine Rarität. Es ist eine ganz seltene Form von Bindegewebskrebs, die nur wa eine von zwei Millionen Personen betrifft", erklärt Onkologe Uwe Martens im Gespräch mit FOCUS online. Er leitet das Tumorzentrum Heilbronn-Franken und ist Vorstandsvorsitzender des Krebsverbands Baden-Württemberg e.V.
Gottschalks Diagnose kam im Juli 2025. Seitdem habe er bereits zwei mehrstündige Operationen hinter sich, berichtet das Ehepaar im Interview. Zunächst sei ihm ein Teil der Harnleiter und der Blase entfernt worden. In einer weiteren OP folgte noch mehr befallenes Gewebe im Beckenbereich.
Zwei seiner behandelnden Ärzte in München haben in Interviews mit der "tz" einen Einblick in die Therapie gegeben: Gottschalk sei über mehrere Wochen täglich bestrahlt worden und montags bis freitags ins Klinikum gekommen. "Die Patienten spüren die Bestrahlung nicht, haben keine Schmerzen und brauchen auch keine Narkose" berichtet die Radioonkologin Stephanie E. Combs.
Nebenwirkungen sind unvermeidlicher Teil der Krebstherapie
Die Strahlentherapie sei heutzutage hochpräzise. "Nichtsdestotrotz kann sie zu Müdigkeit und Angestrengtheit führen und Betroffene mitunter mitnehmen", sagt Martens. Wenn ein größerer Bereich im Bauchraum bestrahlt würde, wo sich auch Harnblase und Harnleiter befinden, können auch benachbarte Organe gereizt werden, berichtet der Leiter des Tumorzentrums. Das äußere sich etwa durch
- Blähungen,
- Durchfall
- oder häufigen Harndrang.
Gottschalk berichtet gegenüber Bild auch von Schmerzmitteln, die er in den vergangenen Monaten einnehmen musste. "So radikale Operationen schwächen natürlich erstmal sehr. Man braucht einige Zeit, bis man wieder bei Kräften ist. In der Regel hat man danach Schmerzen und braucht für eine längere Zeit eine Schmerztherapie", bestätigt Martens. Das sei recht typisch in diesen Fällen.
Durch starke Schmerzmittel würden sich viele Menschen erstmal wie benebelt fühlen, berichtet der Onkologe aus dem Klinikalltag. Diese Nebenwirkung könne nach einiger Zeit nachlassen –wie genau die Wirkung aussieht, sei jedoch immer unterschiedlich. Wie Gottschalk im "Bild"-Interview erklärte, fühle er sich so, als würde er mit dem "Kopf in einer Waschmaschine stecken".
Auch für Angehörige eine schwere Zeit: "Bin fast zerbrochen"
Das habe etwa zu einem Blackout geführt. Ehefrau Karina Gottschalk berichtet im "Bild"-Interview, dass sie ertragen musste, wie die Öffentlichkeit über ihren Mann urteilte, ohne die Hintergründe zu kennen. "Das war für mich die Hölle, weil ich ja die Wahrheit kenne", sagt sie. Karina Gottschalk sei an der Diagnose ihres Mannes "fast zerbrochen".
Angehörige spielen bei der Bewältigung einer Krebserkrankung eine elementare Rolle, betont auch Jens Jakob, Vorsitzender der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Weichgewebesarkome der Deutschen Krebsgesellschaft, auf Anfrage von FOCUS online.
"Wir bitten die Angehörigen von Krebspatientinnen und -patienten darum, dass sie die Patientinnen und Patienten wie im richtigen Leben auch weiter unterstützen und für sie da sind. Manchmal sind es Kleinigkeiten wie ein einfaches Telefonat oder die Vereinbarung eines Termins. Manchmal ist es das Aushalten einer kritischen Situation, Zuhören und Zeit haben", sagt der Professor.
Ebenso können die Angehörigen in der Kommunikation mit Ärztinnen und Ärzten sowie medizinischem Fachpersonal unterstützen. "Vier Ohren hören immer mehr als zwei und wenn Patientinnen und Patienten sich auf sich und ihre Therapien konzentrieren können, ist es für sie eine große Entlastung", sagt Jakob.
Das kann laut Martens jedoch auch mit einer hohen Belastung der Angehörigen einhergehen. Wichtig sei, dass nicht alles alleine geleistet werden muss. Auch die Angehörigen hätten Sorgen und Beschwerden. "Das bedeutet: Themen wie Angst, Wut und Trauer sind normale Reaktionen. Und es braucht aber auch oftmals Geduld und Toleranz, die man als Angehöriger aufbringen muss aufgrund von Schwankungen im Verhalten der Erkrankten", sagt Martens.
Onkologe Martens: "Für viele ist es wichtig, das normale Leben weiterzuführen"
Diese hatten im Falle Gottschalks in den vergangenen Monaten bei einigen Auftritten für Verwirrung gesorgt. Viele Kritiker fragten sich – ohne von der Diagnose zu wissen –, wieso der Showmaster sich in diesem Zustand der Öffentlichkeit stellte. Auf die Frage der "Bild", warum er die Romy-Gala überhaupt noch machte, sagte er: "Dann wäre noch mehr Häme über mich hereingebrochen. Außerdem bin ich alte Schule und erfülle meine Verpflichtungen." Davon, die Medikamente für dem Abend abzusetzen, hatten ihm die Ärzte abgeraten.
Was bei einem Prominenten wie Gottschalk nicht außer Acht gelassen darf: Öffentlichkeit ist für ihn kein Ausnahmezustand, sondern das Normal. Und gerade das gibt vielen Patienten Kraft, berichtet Martens aus dem Alltag. "Für viele Betroffene ist es wichtig, das normale Leben weiterzuführen." Einige Patienten würden daher auch mit einer Krebserkrankung versuchen, den gewohnten Tagesablauf aufrechtzuerhalten. "Das tut vielen gut", bilanziert der Onkologe.
"Das erlebe ich immer wieder: Diejenigen, die versuchen, aktiv am Leben teilzunehmen und ihr Leben möglichst so weiterzuführen wie zuvor, tun sich selbst damit gut und mobilisieren dabei auch neue Kräfte", sagt Martens. Gleichzeitig gebe es Menschen, die das nicht so einfach können – und das sei auch in Ordnung. "Krebs ist eine schwerwiegende Erkrankung, die körperlich und emotional extrem belastet. Das darf man nicht vergessen."
Sich der Öffentlichkeit zu stellen braucht auch Mut
Wie Gottschalk mit der Diagnose umgeht, findet Martens beeindruckend – auch wenn viele Details unklar sind. "Aber bei so einer schwerwiegenden Erkrankung mit großen operativen Eingriffen und Nachbehandlung ist das schon eine ganz herausragende Leistung, dass er überhaupt zu sowas imstande ist", sagt er zu FOCUS online.
"Insbesondere für Patientinnen und Patienten in leitender Position und in der Öffentlichkeit erfordert es viel Mut, eine Krebsdiagnose öffentlich zu machen. Ich habe sehr großen Respekt davor. Schließlich gehen diejenigen, die ihre Diagnose bekannt machen, auch Risiken ein", sagt Jakob.
Diese Meinung teilt auch Martens. Aufgrund von Gottschalks Bekanntheit könne sein Umgang mit der Krankheit auch anderen Menschen helfen, offen über das Thema Krebs zu sprechen. "Aber da muss jeder seinen eigenen Weg finden", bilanziert Martens.