„Ein einziges Bodendenkmal“: Dorfens Altstadt ist in ganz Bayern einmalig

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Historische Holzpfähle haben Archäologen am Rathausplatz in Dorfen gefunden. © Baumgartner archaeology/Neupert, Kozik & Simm

Überall in der Dorfener Altstadt sind Relikte im Feuchtboden erhalten. Der Stadtrat hat das Kommunale Denkmalkonzept kontrovers diskutiert.

Dorfen – Dass Dorfen etwas ganz Besonderes ist, wissen die Dorfener eh. Jetzt haben sie es auch noch wissenschaftlich bestätigt. Archäologe Dr. Marcus Simm kam in der Stadtratssitzung am Mittwoch gar nicht aus dem Schwärmen heraus. „Diese Stadt ist ein Großdenkmal, ein einziges Bodendenkmal“ – „Ein Sechser im Lotto“ – „In dem Umfang ist mir in Bayern nichts bekannt“ – „Die Tatsache, dass die Stadt Dorfen hier überhaupt entstanden ist, ist ein technologisches Meisterwerk.“ Kritische Geister aus dem Gremium beeindruckte das wenig. Sie nahmen das Kommunale Denkmalkonzept aufs Korn.

Die Stadt hatte das Konzept 2022 in Auftrag gegeben. Vertreter der Fachfirmen und des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege stellten nun am Mittwoch die 125 Seiten umfassende Studie vor. Darin sind die vielen Schätze dokumentiert: vom Ensemble der historischen Altstadt über rund 40 denkmalgeschützte Gebäude, Kleindenkmäler und Objekte bis hin zu Bauten, die nicht geschützt sind, aber als ortsbildprägend und erhaltenswert eingestuft werden.

„Es ist notwendig, dass man seine Wurzeln kennt“, kommentierte das Bürgermeister Heinz Grundner (CSU). Es gehe sicher nicht darum, dass Eigentümer von denkmalgeschützten oder historisch bedeutsamen Gebäuden gegängelt werden. Das Ziel des Kommunalen Denkmalkonzepts (KDK) sei vielmehr, eine Handreichung zu schaffen, wie man mit diesen Denkmälern umgeht.

Das KDK sei eine gute Ergänzung zum 2015 aufgestellten Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK), erklärte Geograf und Stadtplaner Martin Späth. Dabei gehe es um Bestandsaufnahme, die Ermittlung von Schwächen, die durch „Überformung“ der Innenstadt entstanden sind, und Unterstützung bei konkreten Projekten.

„Es wird landauf landab über Bürokratie geklagt“, kritisierte GAL-Stadtrat Andreas Hartl. Bei Einzelbauvorhaben nach dem Paragrafen 34 des Baugesetzbuches könne die Stadt ohnehin nur beratend tätig werden. „Und Denkmäler sind ja schon hervorragend geschützt bei uns. Wir sollten nicht noch eine bürokratische Ebene einziehen.“

„Wir schaffen damit ja kein Museum, das unantastbar ist“, widersprach Grundner. Hier gehe es um Handlungsempfehlungen, die man als Broschüre herausgeben könne. „Wir haben einen unwahrscheinlichen Schatz.“

Für Barbara Lanzinger (CSU) stellte sich dagegen die Frage, „inwieweit wir etwas über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden. Einen Schatz zu haben, muss man sich auch erst mal leisten können“. Ihr Fraktionskollege Ludwig Rudolf widersprach: „Man muss die historische Basis, die wir haben, kenntnisreich weiterentwickeln. Dafür brauchen wir diese Beratung dringend.“

„Was kostet es uns als Stadt?“, wollte Lanzinger wissen. Es gehe um etwa 70 000 Euro, die zu 65 Prozent gefördert werden und zudem schon zu zwei Dritteln ausgegeben seien, antwortete Bauamtsleiter Franz Wandinger. Das Projekt nun zu Ende zu bringen, werde nun nur noch „Peanuts“ kosten.

Der Part des Büros Neupert, Kozik & Simm war die Bodendenkmalpflege. Firmeninhaber Simm wies auf die riesigen Anstrengungen hin, die Ansiedlung im 13. Jahrhundert an genau dieser Stelle zu gründen – mitten in einem von Überflutungen gefährdeten Gebiet. „Hier wurden acht Hektar Grund urbar gemacht.“ Im Hochmittelalter habe das Grundwasser sehr viel höher gestanden, und es habe viel heftigere Hochwasserereignisse gegeben.

Weil der ganze Boden im Gebiet der heutigen Altstadt ertüchtigt habe werden müssen, so Simm, sei der Bereich eben ein „einziges Bodendenkmal: Wir haben hier die außergewöhnliche Situation, dass man überall in der Altstadt eine Feuchtbodenerhaltung hat.“ Allerorten finde man alte Holzpfähle und sogar Pflanzenreste. Mit genauer Datierung erfahre man aus diesen Relikten sehr viel über die Vergangenheit.

„Der Sechser im Lotto gilt natürlich mehr für die archäologische Forschung als für den Investor“, gab Simms Kollege Sikko Neupert vor den Stadträten zu. „Archäologie wird von den Bauherren als Kostenfaktor wahrgenommen.“ Allerdings sei die kulturelle und historische Bedeutung immens. „In ganz Bayern gibt es keine Stadt mit diesem Erhaltungswert.“ Über die Identifikation damit könne Bürgerstolz entstehen.

Sabine Berger (CSU) wollte wissen, ob es ein Bodendenkmal am Unteren Markt gibt, wo die Stadt ein Fontänenfeld errichten möchte. „Ich halte es eigentlich für ausgeschlossen, dass da nichts wäre“, antwortete Neupert. Die Kosten einer archäologischen Untersuchung interessierten Vize-Bürgermeister Rudolf. Das hänge sehr stark von der Situation ab, so Neupert, „aber eine so große Fläche wird sicher sechsstellig. Da sind viele Informationen zu sichern, und es ist schwer zu arbeiten in dieser Art Boden“.

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