Bürgergeld-Erhöhung statt Verschärfung: Sanktionen für Empfänger sind „wie Prügelstrafe in der Schule“
Der ehemalige Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes will das Bürgergeld auf 800 Euro erhöhen. Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger vergleicht er mit der Prügelstrafe.
Berlin - Ulrich Schneider, langjähriger Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, setzt sich seit Jahren für eine Änderung beim Bürgergeld (ehemals Hartz IV) ein. Schon im November 2022, also kurz vor der Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023, sagte er, die Leistungen seien trickreich klein gerechnet, reichten vorne und hinten nicht und gingen an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müssten die Leistungen um 50 Prozent auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen.
Massive Anhebung des Bürgergeldes? Alleinstehende sollten 800 Euro erhalten
Am 31. Juli hat der 65-jährige Schneider den Vorsitz des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes an Joachim Rock übergeben. Doch an seinen Positionen hat sich nichts geändert. In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel forderte er am Samstag (3. August) einen Bürgergeld-Regelsatz von 800 Euro für Alleinstehende. „Das Bürgergeld sollte also um etwas mehr als 40 Prozent erhöht werden. Das wäre eine maßvolle Anhebung“, so Schneider.

Den Einwand, dass Arbeitnehmer keine 40 Prozent mehr bekommen würden, wies Schneider zurück. „Darum geht es überhaupt nicht. Beim Bürgergeld reden wir über das Existenzminimum. Wenn man alle Tricksereien weglässt, mit denen der Regelsatz heruntergerechnet wird, landet man nun einmal bei um die 800 Euro.“
Bürgergeld-Sanktionen sollten abgeschafft werden: „Prügelstrafe“
Zur Begründung seiner Forderung verwies Schneider auch auf Ausgaben, die derzeit beim Bürgergeld nicht berücksichtigt werden. Er zählte einen Tulpenstrauß, einen Weihnachtsbaum und Grabschmuck auf. „Es ist hierzulande kultureller Konsens, dass auch für so etwas Geld da sein muss.“ Im Regelsatz fehlten inzwischen auch die Ausgaben für eine chemische Reinigung, also zum Beispiel für einen Anzug. Dabei gehöre es „doch zu unserer Kultur, dass man zum Beispiel nicht mit einem schmutzigen Anzug beim Bewerbungsgespräch auftaucht.“
Von Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger hält Schneider gar nichts. „Beim Bürgergeld sollten alle Sanktionen abgeschafft werden. Was einst die Prügelstrafe in der Schule war, sind heute die Sanktionen beim Bürgergeld.“ Auch die Prügelstrafe hielt man früher für notwendig. Heute wisse man es besser. Eigenverantwortung spielt für Schneider insofern eine Rolle, wenn ein Individuum ihr gerecht werden könne. Dann schränkt er ein: „Es gibt so viele Menschen, deren Energie und Lebensmut absolut bei null sind. Denen helfen Sanktionen überhaupt nicht.“
Reform des Bürgergeldes: Anforderungen an Empfänger sollen erhöht und Sanktionen verschärft werden
Schneiders Forderungen kommen zu einer Zeit, in der das Bürgergeld und seine Bezieher unter Druck stehen. Die Ampel-Koalition hat im Rahmen des Wachstumspakets weitreichende Änderungen angekündigt, die vor allem die Anforderungen an die Empfänger und Empfängerinnen von Bürgergeld erhöhen und die Sanktionen verschärfen.
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Die Opposition drängt jedoch auf noch weitergehende Reformen. So will CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann das Bürgergeld für mehr als 100.000 Menschen komplett streichen. CSU-Generalsekretär Martin Huber fordert die Ampel sogar zum Ausstieg aus dem Bürgergeld aus.