„Fehlinformationskampagne“: Weltkarte wie wir sie kennen soll geändert werden
Die Mercator-Projektion verzerrt Afrikas Größe seit Jahrhunderten. Jetzt fordert die Afrikanische Union eine Korrektur.
München – Die Afrikanische Union (AU) hat 2025 zum „Jahr der Gerechtigkeit für Afrikaner und Menschen afrikanischer Abstammung durch Reparationen“ erklärt. Diese Initiative verdeutlicht das Bestreben der AU, historische Ungerechtigkeiten wie den transatlantischen Sklavenhandel, Kolonialismus, Apartheid und Völkermord zu adressieren. Doch es geht um mehr als nur historische Aufarbeitung. „Es geht darum, wie Afrika in Wissenssystemen repräsentiert wird. Auch müssen wir Einfluss darauf nehmen, wie auf globaler Ebene über Afrika gesprochen wird“, betont Fara Ndiaye von Speak Up Africa im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), das unter anderem bei weltkirche.de erschien.

Ein Blick auf die Weltkarte zeigt oft ein verzerrtes Bild: Grönland erscheint so groß wie Afrika, obwohl Afrika tatsächlich 14 Mal größer ist. Diese Verzerrung, die seit 500 Jahren unser Weltbild prägt, will die Afrikanische Union nun korrigieren. Die Kampagne „Correct the Map“, initiiert von Africa No Filter und Speak Up Africa, fordert internationale Organisationen wie die UN, Weltbank und BBC auf, zur Equal Earth-Kartenprojektion zu wechseln. Diese Projektion bietet eine gerechtere und genauere Darstellung der globalen Geografie. Fara Ndiaye fordert: „Korrigiert die Weltkarte!“ Denn die USA und Europa werden auf Karten oft überdimensioniert dargestellt, während Afrika auf die Hälfte seiner tatsächlichen Größe reduziert wird.
Weltkarte von heute zeigt noch ein Bild aus der Zeit der Seefahrten – Geprägt vom Kolonialismus
Die Mercator-Karte, entwickelt vom flämischen Kartografen Gerhard Mercator im Jahr 1569, war ursprünglich für die Seefahrt konzipiert. Sie stellt Winkel korrekt dar, was die Navigation erleichterte, jedoch auf Kosten der Flächenverzerrung. Gebiete nahe der Pole erscheinen stark vergrößert, während Regionen am Äquator schrumpfen. So wirken Europa und Nordamerika überdimensioniert, während Afrika, der zweitgrößte Kontinent mit über 1,5 Milliarden Einwohnern, kleiner erscheint. Moky Makura, Geschäftsführerin von Africa No Filter, bezeichnet diese Verzerrung bei africanmediaagency.com als „die weltweit längste Desinformations- und Fehlinformationskampagne“. 1674 sah die Weltkarte ebenfalls ganz anders aus – damals war das Wissen allerdings begrenzt.
Diese Verzerrung ist kein Zufall. Iris Schröder, Professorin für Globalgeschichte an der Universität Erfurt, erklärt der KNA: „Die Vergrößerung Europas und die Verkleinerung Afrikas war politisch gewollt und sollte nicht fortgeschrieben werden.“ Ein Bruch in der Kartografie trat gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf, als europäische Mächte während der Afrika-Konferenz in Berlin 1884 und 1885 den Kontinent unter sich aufteilten. Der Historiker Jürgen Zimmerer aus Hamburg sieht in der Mercator-Karte ebenfalls ein koloniales Weltbild und betont im SWR-Interview: „Symbole sind auch sehr wichtig.“ Solange Europa als Zentrum der Welt dargestellt wird, bleibt das Bewusstsein unverändert. Eine andere Weltkarte markiert Länder nach ihrer Gefährlichkeit.
„Geografie hat Geschichte“: Weltkarte soll geändert werden
„Geografie hat Geschichte. Afrikas Fehldarstellung auf Weltkarten ist nicht nur ein kartografischer Fehler – es ist ein narratives Problem“, sagt Moky Makura. Die Reduzierung der Größe Afrikas mindert unbewusst seine Bedeutung. Nicht neutrale Landkarten beeinflussen bereits in der Schule die Weltsicht, kritisiert Fara Ndiaye bei KNA. „Das beeinflusst unser Verhältnis zu Macht“, und es hat geopolitische Konsequenzen: „Welche Regionen sind mächtig, und welche liegen in der Peripherie?“

Yacine Djibo, Gründerin und Geschäftsführerin von Speak Up Africa, hebt bei africanmediaagency.com: hervor: „Entscheidungen über Afrika – wirtschaftliche, politische und entwicklungspolitische – werden mit einem falschen Bezugspunkt getroffen. Wir brauchen, dass die Welt Afrika so sieht, wie es wirklich ist.“ Die Vereinten Nationen prüfen laut SWR derzeit, ob sie von der Mercator- zur Equal Earth-Projektion wechseln. Technisch sei es längst möglich, andere Karten zu nutzen, so Ndiaye zu KNA: „Die Technologie ist auf unserer Seite. Etwa mit Satellitenbildern lässt sich die Landkarte demokratisieren.“
Eine weitere Alternative zur Mercator-Karte wäre die Gall-Peters-Projektion, die bereits 1973 entwickelt wurde. Bei dieser Darstellung werden zwar die Winkel verzerrt, was sie für Navigationszwecke weniger geeignet macht, doch die Größenverhältnisse der Kontinente sind realistischer dargestellt. Trotz ihrer flächentreuen Darstellung konnte sich die Gall-Peters-Projektion jedoch nicht als Standard durchsetzen. (jh)