Magnetisches Mond-Geheimnis: MIT-Forscher entschlüsseln kosmisches Drama
Wie kann der Mond ohne starkes Magnetfeld so starke magnetische Signaturen aufweisen? MIT-Forscher haben endlich eine überzeugende Erklärung gefunden.
Cambridge – Die magnetischen Eigenschaften des Mondes stellten Wissenschaftler seit Jahrzehnten vor ein Rätsel. Obwohl unser Erdtrabant heute kein aktives Magnetfeld besitzt, wurden in Mondgestein erstaunlich starke magnetische Signaturen entdeckt – besonders auf der erdabgewandten Seite. Diese Entdeckungen, die sowohl durch Analysen von „Apollo“-Proben als auch durch Messungen von Orbiter-Missionen bestätigt wurden, passen nicht zu bisherigen Theorien.
Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben nun eine Studie im Fachjournal Science Advances veröffentlicht, die dieses Phänomen erklären könnte. Ihre Forschung deutet auf ein faszinierendes Zusammenspiel kosmischer Ereignisse hin.
Wie kommt der Mond zu starkem Magnetismus?
Die MIT-Forscher schlagen ein Szenario vor, bei dem ein schwaches Mond-Magnetfeld durch einen gewaltigen Einschlag dramatisch verstärkt wurde. Der Hauptautor der Studie, Doktorand Isaac Narrett, erklärt: „Es gibt große Teile des Mondmagnetismus, die noch unerklärt sind. Aber der Großteil der starken Magnetfelder, die von Raumsonden in der Umlaufbahn gemessen werden, kann durch diesen Prozess erklärt werden – vor allem auf der Rückseite des Mondes.“
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Mond einst durch einen Dynamoeffekt in seinem Kern ein eigenes Magnetfeld erzeugte – allerdings etwa 50 Mal schwächer als das Erdmagnetfeld. Dieses schwache Feld allein hätte allerdings nie ausgereicht, um die gemessenen magnetischen Signaturen zu erzeugen.
Massiver Asteroideneinschlag soll den Magnetfeld des Mondes kurzzeitig verstärkt haben
In ihrer Computersimulation rekonstruierten die Forscher einen massiven Asteroideneinschlag, der einen Krater von der Größe des Mare Imbrium (etwa 1150 Kilometer Durchmesser) hinterlassen hätte. Bei diesem Ereignis wäre Oberflächenmaterial verdampft und hätte eine Plasmawolke gebildet. Die Simulation zeigte, wie diese Plasmawolke sich vom Einschlagort erhob. Während ein Teil ins All entwich, strömte der Rest um den Mond und konzentrierte sich auf der gegenüberliegenden Seite. Dort komprimierte das Plasma das bestehende schwache Magnetfeld und verstärkte es kurzzeitig um ein Vielfaches.
„Dieser verstärkende Effekt hätte nur etwa 40 Minuten angedauert“, erläutert Narrett. Doch in Kombination mit einem weiteren Phänomen reichte diese kurze Zeitspanne aus, um den Magnetismus dauerhaft im Gestein zu verankern. Bei dem zweiten Phänomen handelt es sich um eine massive Druckwelle, die durch den gewaltigen Einschlag durch den Mondkörper geschickt würde. In der Simulation trafen diese Wellen auf der gegenüberliegenden Seite zusammen und erschütterten das dortige Gestein. Dadurch wurden die Elektronen im Gestein aus ihrer normalen Anordnung gebracht.

Einschlag auf der Mond-Vorderseite würde Magnetismus auf seiner Rückseite erklären
Co-Autor Benjamin Weiss veranschaulicht den Prozess mit einem anschaulichen Vergleich: „Es ist, als würde man ein Kartenspiel mit 52 Karten in einem Magnetfeld in die Luft werfen, und jede Karte hat eine Kompassnadel. Wenn die Karten wieder auf dem Boden landen, tun sie dies in einer neuen Ausrichtung. Das ist im Wesentlichen der Magnetisierungsprozess.“ Als sich die Elektronen wieder neu ausrichteten, taten sie dies unter dem Einfluss des kurzzeitig verstärkten Magnetfelds – und behielten diese Ausrichtung dauerhaft bei, selbst nachdem das Magnetfeld längst abgeklungen war.
Diese neue Theorie erklärt nicht nur die Stärke der magnetischen Signaturen, sondern auch ihre Konzentration auf der Mondrückseite. Wenn der Einschlag auf der erdzugewandten Seite stattfand, hätte sich das verstärkte Magnetfeld nämlich auf der gegenüberliegenden Seite konzentriert. Co-Autorin Rona Oran fasst zusammen: „Seit mehreren Jahrzehnten gibt es eine Verwirrung um den Magnetismus des Mondes – ist er durch Einschläge oder durch einen Dynamo bedingt? Und hier sagen wir, es ist ein bisschen von beidem. Und es ist eine überprüfbare Hypothese, was sehr schön ist.“
Mond-Theorie kann vor Ort überprüft werden
Die Theorie könnte tatsächlich in Zukunft direkt vor Ort überprüft werden. Die relevanten Gesteinsformationen befinden sich in der Nähe des Mond-Südpols – genau dort, wo in den kommenden Jahren bemannte Mondmissionen landen sollen. Diese Missionen könnten Gesteinsproben sammeln, die das magnetische Rätsel des Mondes endgültig lösen könnten. (tab)