Der Kampf ums Wasser hat begonnen: Wie Gemeinden um die künftige Versorgung ringen

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Ebersberg

Kommentare

Streitgegenstand: Markt Schwabens „Brunnen II“ bringt die Nachbarn in Anzing auf die Barrikaden, weil er direkt an der Gemeindegrenze liegt. © Dziemballa

Gemeinden müssen beim Trinkwasser umdenken: Wie die lebensnotwendige Versorgung im Landkreis Ebersberg Konflikte schürt und Solidarität erfordert.

Landkreis – Früher kochte jede Gemeinde im Landkreis Ebersberg erfolgreich ihr eigenes Süppchen: Die Wasserversorgung ihrer Bürger gehört zu den Kernaufgaben einer Kommune, die für die lebenswichtige Leistung viel Geld in die Hand nehmen muss. Dieses holt sie sich über Herstellungsbeiträge und Anschlussgebühren vom Verbraucher wieder zurück. Das gelang den Gemeinden lange im Alleingang. Über Jahrzehnte sinkende Grundwasserspiegel, eine stetig wachsende Bevölkerung und damit einhergehend ein höherer Bedarf bleiben aber nicht ohne Auswirkungen.

Auf globaler Ebene hat der Kampf ums Wasser längst begonnen. Aber auch auf lokaler Ebene zeichnen sich inzwischen Konflikte ab. Die Wasserversorgung ist im Begriff, die kommunalen Einzelinteressen aufzulösen. Beispiele dafür gibt es genug. Von den auf Landkreisflur befindlichen 31 Wasserschutzgebieten liegen elf auf der Flur von mehreren Gemeinden. Das ergab eine Anfrage der Ebersberger Zeitung ans Landratsamt. Das birgt Streitpotenzial.

Trinkwasser: Anzing und Markt Schwaben streiten schon

Ein jahrelanger Konflikt hat es sogar bis in den Umweltausschuss des Bayerischen Landtags geschafft. Die Kommunen Anzing und Markt Schwaben streiten um die Inbetriebnahme des Brunnens II. Der soll ein zweites Standbein für die Markt Schwabener Wasserversorgung werden, wie Bürgermeister Michael Stolze in einem Interview mit unserer Zeitung bestätigte.

Das Problem dabei: Von der Wasserschutzzone sind Anzinger Bauern in Auhofen, Boden, Lindach und Staudach betroffen. Sie fürchten Einbußen bei der Bewirtschaftung ihrer Flächen. Der Umweltausschuss hält diese Haltung für gerechtfertigt. Jetzt muss nach einer Lösung gesucht werden, die für alle tragbar ist, und sie muss darüber hinaus auch noch wirtschaftlich sein. Denn letztendlich müssen den dafür notwendigen Aufwand die Markt Schwabener Wasserverbraucher bezahlen.

Es geht um hohe Summen. In Grafing stehen aktuell Investitionen in Höhe von vier Millionen Euro an, wurde in der jüngsten Bauausschusssitzung informiert. Das Geld fließt unter anderem in eine Ertüchtigung des Brunnens in Elkofen, wo die Entnahmemenge von jährlich bisher 40 000 Kubikmeter künftig verdreifacht werden soll, wie Bauamtsleiter Josef Niedermaier ankündigte.

Wasservorkommen: Begehrlichkeiten aus München, Sorge vor der Deutschen Bahn

Dieser Brunnen spielt auch eine Rolle im Grafinger Kampf um den künftigen Verlauf der Brenner-Nordtrasse. Die Stadt argumentiert, dass eine Gefährdung dieser Entnahmestelle durch die Bahntrasse einen Eingriff in die kommunale Selbstbestimmung darstellen würde. Ein scharfes Schwert. Das Wasserrecht ist in diesem Fall zum Kampfmittel geworden.

Dabei sind die Grafinger an anderer Stelle selbst betroffen. Auf Nettelkofener Flur droht dem Vernehmen nach nämlich im Regionalplan die Ausweisung einer „Vorrangfläche“ für die Wassergewinnung der Stadt München. „Das würde unsere Entwicklungsmöglichkeiten dort stark einschränken“, warnt Bürgermeister Christian Bauer im Gespräch mit der EZ.

Begehrt: Ein Gebiet auf Grafinger Flur, südlich der B304 Richtung Wiesham/Nettelkofen, ist zur Versorgung der Landeshauptstadt München im Gespräch.
Begehrt: Ein Gebiet auf Grafinger Flur, südlich der B304 Richtung Wiesham/Nettelkofen, ist zur Versorgung der Landeshauptstadt München im Gespräch. © Roßmann

Zwar haben sich die Grundwasserspiegel zum Jahresanfang aufgrund der anhaltenden Niederschläge überraschend erholt, langfristig aber rechnet Martin Grambow, langjähriger Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft im Bayerischen Umweltministerium, trotzdem mit sinkenden Pegeln. Das berichtete er vor kurzem bei einem Vortrag der Frauen Union Ebersberg in der Kugler Alm.

Teure Arbeiten und Neufestsetzungen mit Konfliktpotenzial

In absehbarer Zeit stehen die Wasserschutzgebiete der Städte Ebersberg und Grafing, des Wasserbeschaffungsverbandes Eglharting, des Marktes Kirchseeon, der Gemeinden Glonn und Bruck sowie Markt Schwaben zur Neufestsetzung an, informiert das Landratsamt: „Für die Bemessung und somit den räumlichen Umgriff von Wasserschutzgebieten spielt unter anderem auch die Grundwasserfließrichtung eine große Rolle. Das Grundwasser hört nicht an Gemeindegrenzen auf zu fließen. Es ist daher nicht zu vermeiden, dass sich zwar der Trinkwasserbrunnen auf dem Gebiet der Gemeinde befindet, die das Trinkwasser bezieht, das Wasserschutzgebiet, das zum Schutz dieses Brunnens dient, sich aber auch auf das Gebiet einer anderen Gemeinde erstreckt“, so die Behörde.

Möglicherweise ist der Konflikt zwischen Anzing und Markt Schwaben also nur ein Vorgeschmack auf weitere Auseinandersetzungen. Dazu das Landratsamt: „Grundsätzlich ist es immer wünschenswert, wenn sich die Kommunen untereinander verständigen. Aber die Kommunen haben Planungshoheit und müssen sich an den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit halten. Der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung sollte gem. § 50 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen gedeckt werden. Zusätzlich ist Teil der Antragsunterlagen für ein Wasserschutzgebietsverfahren immer eine Alternativenprüfung, worin der Brunnenstandort in Augenschein genommen wird und Alternativen beleuchtet werden.“

Diese Alternativenprüfung werde im Rahmen des Verfahrens sowohl vom amtlichen Sachverständigen, d.h. dem Wasserwirtschaftsamt Rosenheim, als auch von der rechtlichen Seite her durch die Untere Wasserrechtsbehörde am Landratsamt durchgeführt.

Notverbünde, schwierige Suche: Gemeinden sind aufeinander angewiesen

Oft ist die Wassersuche gar nicht so einfach. Die Gemeinde Aßling musste in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Bohrungen niederbringen, bis endlich eine Versorgung gefunden wurde. Frauenneuharting wird von den Grafingern voll mitversorgt. Im Falle einer Havarie wären also gleich zwei Kommunen betroffen. Betroffen von den Grafinger Maßnahmen zum Umbau der eigenen Wasserversorgung ist auch die Stadt Ebersberg, mit der ein neu geschaffener Notverbund besteht. „Wenn bei uns was ausfällt, brauchen wir die Ebersberger unbedingt“, so Niedermaier im Bauausschuss. Aus Sicherheitsgründen wird die Kreisstadt „ihre angedachten Maßnahmen am Gewinnungsnetz auf die Zeit nach der Erneuerung der Wassergewinnung Öxing einplanen. Zusätzlich ist eine Versorgungsunterstützung durch den weiteren Verbundpartner, der Gemeinde Aßling in Vorbereitung“, wurde im Grafinger Bauausschuss informiert.

(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Ebersberg-Newsletter.)

Die Grafinger Maßnahmen dulden keinen Aufschub, weil bei Regenerierungsversuchen des Brunnens III nach Beendigung der Sanierungsarbeiten Verkeimungen festgestellt wurden, deren Ausbreitung auf das ganze Netz drohte. Der Brunnen wurde außer Betrieb genommen. Als Grund für den Keimeintritt wurden Einträge von Oberflächenwasser vermutet. Das kann freilich schlimm ins Auge gehen.

Die Internetseite aerzteblatt.de erinnert in einer Publikation an eine der beiden letzten großen Trinkwasserepidemien in Deutschland. Betroffen war damals die Gemeinde Ismaning im Nachbarlandkreis München mit einem trinkwasserbedingten Ruhrausbruch im Jahr 1978. Es erkrankten 2400 Menschen.

Mehr News finden Sie in unserer brandneuen Merkur.de-App, jetzt im verbesserten Design mit mehr Personalisierungs-Funktionen. Direkt zum Download, mehr Informationen gibt es hier. Sie nutzen begeistert WhatsApp? Auch dort hält Sie Merkur.de ab sofort über einen neuen Whatsapp-Kanal auf dem Laufenden. Hier geht‘s direkt zum Kanal.

Auch interessant

Kommentare