„Sollen verdammt nochmal ihren Eid erfüllen“: Experte warnt vor toten deutschen Soldaten
Militärexperte Sönke Neitzel zeigt sich besorgt über die Verteidigungspolitik Deutschlands. Er warnt vor vermeidbaren toten Soldaten.
Berlin – Angesichts des Ukraine-Krieges und eines imperialistischen Russlands von Wladimir Putin fordert Sönke Neitzel von deutschen Politikern, dass sie „verdammt nochmal ihren Eid erfüllen“ und das Nato-Land Deutschland sicherer machen. Das erklärte der Professor für Militärgeschichte an der Uni Potsdam im NDR-Podcast „Streitkräfte und Strategien“.
Neitzel vermutet: Nur 40 Prozent des Heeres seien in zwei bis drei Jahren kampfbereit. Das Heer benötige noch rund 20 Milliarden, damit 8 oder 9 Brigaden für einen möglichen Konflikt mit Russland bereit seien. „Aber diese 20 Milliarden stehen zurzeit nicht bereit, weil wir auch keine Schwerpunkte setzen in der Rüstungspolitik, in der Beschaffung. Zurzeit tobt ein großer Kampf zwischen der Marine und dem Heer, wo man jetzt investieren will.“ Dieser Kampf werde stark von regionalen, parteipolitischen Wirtschaftsinteressen beeinflusst.
Neitzel hält das Heer der Bundeswehr für eine mögliche Friedenssicherung in der Ukraine - welche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ins Spiel gebracht hatte - für „völlig überfordert“. Ein vermeintlicher Beitrag des deutschen Militärs wäre „sehr überschaubar“.
Bundeswehr: Investitionen fehle eine strategische Schwerpunktsetzung
Neitzel übte starke Kritik an den Investitionsplänen der Bundesregierung für das Heer. Dem Experten fehle eine klare strategische Schwerpunktsetzung.

Auf die Nachfrage - ob sich die Bundeswehr auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit befinde - antwortete Neitzel, dass sich seit dem Ukraine-Krieg viel getan habe, beispielsweise die Bestellungen der F-35-Kampfjets und einer verbesserten Raketenabwehr. Aber auch der beliebte SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius habe eine „Sicherheitspolitik mit der Methode der Konfliktvermeidung betrieben und das ist eine etwas unglückliche Methode, würde ich sagen, in Zeiten wie diesen.“
Die Verantwortlichen seien „nicht an die politische Schmerzgrenze gegangen“, so der Wissenschaftler. Zwar seien Reformen angekündigt worden - aber: „Echte Reformen, die wirklich durchgreifend sind, hat man eben nicht vollzogen, weil man eben interne Konflikte vermeiden wollte, weil man Konflikte vermeiden wollte, auch zwischen den Koalitionspartnern.
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Militärexperte über Scholz: Kanzler hätte ein Machtwort sprechen müssen
Als Beispiel nannte Neitzel die Diskussion um eine neue Wehrpflicht. Gegen diese habe die FDP traditionell gestimmt. „Da hätte natürlich der Kanzler einfach ein Machtwort sprechen können. Hat er nicht gemacht“, urteilte Neitzel über Olaf Scholz (SPD).
„Wenn man eine Sicherheitspolitik macht, die Konflikte auf allen Ebenen möglichst vermeidet, dann wird man nicht eine hohe Geschwindigkeit in das Schiff bekommen“, sagte Neitzel. Zwar segele Deutschland in die richtige Richtung, aber noch nicht mit der notwendigen Geschwindigkeit.
Wird das Blut von deutschen Soldaten an Händen der Politikern kleben?
Die große Frage werde sein: Ob die nächste Regierung wirklich die Kraft und den Willen aufbringt, Deutschlands Verteidigung grundlegend neu aufzustellen? „Und ich sage auch immer den Politikern - wenn ich sie denn mal sehe - ins Gesicht: Also jeden Schritt, den wir jetzt nicht tun - wird in einem Konfliktfall, in dem die Bundeswehr kämpfen muss - und Gott möge das verhüten, aber wir können das nicht mehr ausschließen - wird also in einem Konfliktfall das Blut unserer Soldaten kosten und das muss man jedem Politiker face-to-face ins Gesicht sagen. Ihr seid dafür verantwortlich. Ihr seid dafür verantwortlich, wenn später - vielleicht 2028, 2027, wann auch immer - potenziell Soldaten sterben. Und dann will ich nicht hören von irgendeinem: Ja, das konnte ich gar nicht wissen“, machte Neitzel seine Meinung deutlich.
Also müsse man den „Amtsträgern immer wieder ins Gesicht sagen, dass sie verdammt nochmal ihren Eid erfüllen sollen und dazu gehört die Haltung der Konfliktvermeidung nicht so richtig, nicht angesichts der sicherheitspolitischen Lage“. (Jan Wendt)