Frauendiskriminierung geht auch andersherum. Die ersten Minuten des ARD-Sommerinterviews muss sich Bundesarbeitsministerin mit Fragen nach ihrer Rolle als Frau beschäftigen. "Sie sind eine Person mit Seltenheitswert", begrüßt Matthias Deiß die "einzige Frau in Merz’ Mannschaft". Gemeint ist der neunköpfige Koalitionsausschuss mit acht Männern und Bas.
Das ist die eine Frage. Mit der nächsten Andeutung soll Bärbel Bas zu einer Selbstbewerbung gedrängt werden: "Die SPD hat noch nie eine Kanzlerkandidatin gestellt."
Die SPD-Vorsitzende erträgt beides mit einer durchaus Buddha-haften Ruhe. "Das ist manchmal nicht ganz angenehm, wenn man keine Mitstreiterin hat", sagt sie nur zur Regierungs-Männer-Mannschaft. Und die Frage nach einer Kanzlerkandidatur blockt sie mit zwei Sätzen ab. "Wir haben ja jetzt erst einmal einen Kanzler", sagt sie wahrheitsgemäß. Und: "Ja, auch Frauen können diese Ämter wuppen."
"Wuppen" kann sie – zumindest vor der Politik
Dass Bärbel Bas, die zuletzt im "Morgenmagazin" angefressen reagierte, persönlich viel "wuppen" kann, hat sie in ihrem Leben hinreichend bewiesen – das schafft auch die Glaubwürdigkeit der SPD-Vorsitzenden. Sie bringt immerhin einen Lebenslauf mit, der ihr eine ziemlich Alleinstellung verschafft in ihrer Partei und auch in der Politik allgemein: ihre Mutter Hausfrau, der Vater Busfahrer, sie selbst startet mit einem Hauptschulabschluss ins Berufsleben, arbeitet auch als Schweißerin, bis sie ins Büro wechselt bei ihrer Betriebskrankenkasse.
Bärbel Bas, das ist ihre Stärke, kennt die Arbeitswelt zumindest nicht allein aus der Vogelperspektive des Berufspolitikers. Das schafft Sympathiewerte – zumindest in der Theorie.

"Ich bin versetzungsgefährdet, aber noch nicht durchgefallen"
In der Praxis hat Bärbel Bas gerade einen drastischen Sympathieverlust hinnehmen müssen. Die Zustimmung zu ihr persönlich ist um minus sechs Prozent eingebrochen. 81 Prozent der Menschen haben "kein Vertrauen" in die Zukunftssicherung der Rentenversicherung.
"Ich bin versetzungsgefährdet", nimmt die zuständige Bundesarbeitsministerin die Kritik an, als ginge es um die Schullaufbahn, "aber ich bin noch nicht durchgefallen."
Bärbel Bas kann die einfachen Worte
Die Kritik und die Zweifel erklärt Bärbel Bas im Grunde damit, dass sie als Bundesarbeitsministerin zwischen zwei Stühlen sitzt. Solche Erklärungen bekommt sie in einfachen Worten hin.
"Ich muss gucken", sagt sie, "dass es für die nächste Generation passt – aber auch die, die in fünf bis sechs Jahren in Rente gehen, müssen ihre Miete bezahlen." Dadurch wachse die Verunsicherung halt stärker als der Zuspruch.
Bärbel Bas muss einmal lachen - bei ihrem Lieblingswort
Ein einziges Mal während dieses ARD-Sommerinterviews muss Bärbel Bas lachen. Es ist, als man ihr im Schnelldurchlauf ihr Lieblingswort als Politikerin vorspielt. Es lautet: "Kommission". Für die Zukunft der Rente soll es eine Kommission geben. Schon am 1. September soll eine Sozialstaatskommission starten. Beiden Kommissionen will die Bundesarbeitsministerin in ihrem Interview aber nicht mit eigenen inhaltlichen Ideen vorgreifen.

Eine Beruhigungspille bringt sie trotzdem schon mit für die Beamten, die nach einem ihrer Vorschläge vom Mai zukünftig auch in die Rentenversicherung einzahlen sollten. "Beamte müssen keine Angst um ihre Pension haben", beschwichtigt Bas bereitwillig, "das werden wir nur längerfristig machen." Mögen hätten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut? Da kommt einem doch schnell der Komiker Karl Valentin in den Sinn.
Und die 47.000.000.000 Euro Bürgergeld?
Das zweite Großthema nach der Rente heißt Bürgergeld. 47 Milliarden Euro lässt sich Deutschland das kosten – deutlicher wird der Betrag, wenn man ihn ausschreibt: 47.000.000.000 Euro. Den Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder, den Ukrainern im Land das Bürgergeld komplett zu streichen, hat Bärbel Bas schon abgelehnt.
Ansonsten klingt die SPD-Vorsitzende nach der alten Formel vom Fördern und Fordern. "Wir wollen mit härteren Mitwirkungspflichten arbeiten – da muss ein bisschen mehr Pflicht rein." Das bisschen mehr Pflicht soll mit ersten Maßnahmen im Herbst beginnen. Und die 15.000 arbeitsfähigen Ukrainer im Land? "Da gibt es schon noch Hemmnisse", gibt Bas zu – und verweist aber auch auf die Grenze jeder politischen Maßnahme: "Das Existenzminimum muss immer gewahrt bleiben – unabhängig von der Nationalität."
"Wie man aus rechten Netzwerken mit Frauen umgeht …"
Am Ende ihres allerersten ARD-Sommerinterviews geht es noch einmal ums Thema Frau. Diesmal allerdings macht es nicht der erfreulich unaufgeregte Interviewer Matthias Deiß zum Thema. Bei der Frage nach der gescheiterten Wahl zu einer Bundesverfassungsrichterin verweist Bas auf eine Kampagne gegen die Kandidatin: "Als Frau muss ich sagen, wie man aus rechten Netzwerken mit Frauen umgeht – ich habe wenig Lust, neue KandidatInnen vorzuschlagen. Ich möchte keine weiteren Personen beschädigen, wenn ich ihren Namen nenne."