„Ein paar Zentimeter tiefer und ich hätte mein Auge verloren“ – Maibaumdieb (20) mit Messer verletzt

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Weil er einen Maibaumdieb mit seinem Brotzeitmesser im Gesicht verletzt hatte, musste sich ein 66-Jähriger vor dem Weilheimer Amtsgericht verantworten. © Arne Dedert

Maibaum-Diebstahl ist ein traditioneller Brauch in Bayern. Ein 66-jähriger Pollinger hatte es allerdings übertrieben und landete wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Strafrichter.

Es ist noch dunkel, als im April 2023 ein Traktor mit GAP-Kennzeichen das Pollinger Ortsschild passiert. Unbemerkt steuert er auf den Kirchplatz zu. In der Nähe eines Bauwagens lagert dort der Maibaum des Klosterdorfs – und auf den hat es die Delegation aus Murnau abgesehen.

Das Objekt der Begierde ist unbeaufsichtigt. Aufgrund des Regens hat sich der Wachtrupp ins Innere seines Bauwagens zurückgezogen. Sämtliche Bedenken der Männer vom Staffelsee scheinen sich in Wohlgefallen aufzulösen. Sie müssen nur noch die Wächter in ihrem Wagen einsperren. Den passenden Schlüssel haben die Murnauer natürlich mitgebracht.

Murnauer Maibaumdiebe waren gut vorbereitet

Just in dem Moment, als die Diebe die Tür des Wagens verschließen, um die Wächter daran zu hindern, in ihr Vorhaben einzugreifen, ist einer der Pollinger gerade auf dem Weg ins Freie, um sich eine Zigarette anzuzünden. Als er den Braten riecht, ist es allerdings schon zu spät. Die Tür nach draußen lässt sich nicht mehr öffnen.

Umgehend habe sich Panik breitgemacht, berichtete der 66-jährige Angeklagte vor dem Weilheimer Amtsgericht von besagtem Aprilmorgen. Auf der Suche nach einem Ausweg sei ihr Blick auf das Fenster des Bauwagens gefallen. Doch die Murnauer waren aufmerksam. Um den Ausbrechern den Fluchtweg zu versperren, hatten einige von ihnen prompt eine Europalette gegen die Luke „geschlagen“ und auf diese Weise versucht, die Pollinger in Schach zu halten, während die anderen sich derweil dem Maibaum widmen konnten.

Sobald sich ein „handbreiter Schlitz“ aufgetan hatte, habe er zu seinem Brotzeitmesser gegriffen, es mit der Klinge voran aus dem Bauwagen in die nächtliche Dunkelheit geschoben und draußen „rumgefuchtelt“, erklärte der 66-Jährige. „Ich wollte, dass die da weggehen“, sagte er und behauptete, er habe mit dem Messer einen Spanngurt durchschneiden wollen.

Mit Brotzeitmesser „rumgefuchtelt“

„Warum stechen Sie mit einem Messer ins Dunkle, wenn Sie nichts sehen? Sie hätten jemanden umbringen können!“, schimpfte Richter Lars Baumann. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er die Halsschlagader eines Murnauers erwischt hätte. „Da hab‘ ich gar nicht daran gedacht“, antwortete der Angeklagte kleinlaut und berichtete von einem erheblichen „Adrenalinschub“. „Ich wollte nicht, dass jemand zu Schaden kommt“, beteuerte er. Nach einem kurzen Kampf mit dem Murnauern und deren Holzpalette hatte es einer der Pollinger tatsächlich geschafft, durch das Fenster hinaus ins Freie zu klettern und den Maibaumklau zu unterbinden.

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Ein „Happy End“ nahm der noch junge Tag aber nicht. Einer der Murnauer war von dem Messer des Angeklagten im Gesicht getroffen worden. Kurz zuvor habe er seine Kameraden noch gewarnt, im Inneren des Bauwagens einen bewaffneten Mann erspäht zu haben. Doch aller Vorsicht zum Trotz: „Plötzlich hab‘ ich einen Schmerz gespürt. Ein paar Zentimeter tiefer und ich hätte mein Auge verloren“, war sich der 20-Jährige sicher.

Ärger über Nachtatverhalten des Angeklagten

„Wenn ihr das Messer schon gesehen habt, warum seid ihr dann überhaupt noch hin?“, wollte der Angeklagte von dem Murnauer wissen. Doch seine Verteidigungsversuche liefen ins Leere: „Sie mussten doch damit rechnen, dass da draußen wer steht“, machte Baumann deutlich. Es sei eine „extrem überflüssige Reaktion“ gewesen, die auch „ganz anders“ hätte enden können.

Die Staatsanwältin forderte, dem Angeklagten neben einer neunmonatigen Bewährungsstrafe auch eine Geldauflage von 5000 Euro aufzubrummen. Der 66-Jährige sei „beratungsresistent“ und halte es wohl auch zwei Jahre nach dem Vorfall noch nicht für nötig, sich bei dem Geschädigten zu entschuldigen, ärgerte sich der Vertreter der Nebenklage.

Weil die Pollinger eingesperrt und mit einer Holzpalette attackiert worden waren, liege ein „klaren Angriff“ vor, sagte indessen der Verteidiger. Der 66-Jährige habe aus Notwehr gehandelt und sei freizusprechen.

Verteidiger fordert Freispruch

Für Notwehr müsse die Reaktion angemessen ausfallen. „Angemessen ist es aber nicht, mit einem Messer ins Dunkle zu fuchteln“, stellte Richter Baumann klar. Beinahe wäre die Tat ein Fall für das Schwurgericht geworden. „Das muss man mal ganz klar sagen“, so Baumann: „Wenn‘s denn so schlimm war in dem Bauwagen, hätte man auch die Polizei rufen können. Sie sind kein schlechter Mensch, aber haben völlig falsch reagiert.“ Der Pollinger erhielt eine siebenmonatige Bewährungsstrafe sowie eine Geldauflage in Höhe von 5000 Euro.

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