"Angst, dass bald der Anwalt kommt": Lehrerin beschreibt Druck durch Horror-Eltern

Lehrerinnen und Lehrer in Wien, Österreich, sehen sich zunehmend mit juristischem Druck konfrontiert – ausgelöst durch Eltern, die mit den schulischen Bewertungen ihrer Sprösslinge nicht einverstanden sind.  

1 von 10 Lehrern hatte Kontakt mit Anwälten

Laut einer Umfrage, über die „heute.at“ berichtet, hatte bereits jeder zehnte Lehrende Kontakt mit einem von Eltern beauftragten Anwalt. Was früher selten vorkam, wird nun zur Regel.

Besonders betroffen ist die Kommunikation nach Prüfungen. Eine Volksschullehrerin berichtet, dass sie die Ergebnisse aus Klausuren aus Angst vor unmittelbaren Reaktionen oft erst mit Verzögerung veröffentlicht. „Ich geb die Noten oft erst Montag raus, obwohl ich sie am Freitag fertig hätte“, sagte sie. Der Grund: Beschwerden per App, Anrufe oder spontane Besuche nehmen nach der Benotung rapide zu.

Lehrerin über Eltern: „Ich hab Angst, dass bald der Anwalt kommt“

Was viele Eltern als legitime Nachfrage sehen, empfinden Lehrkräfte als massiven Stressfaktor. „Ich hab Angst, dass bald der Anwalt kommt“, sagt eine Lehrerin gegenüber „heute.at“. Ein Vater habe zuletzt minutenlang eine Mathearbeit mit ihr diskutiert, „als wäre sie vor Gericht“. 

Auch Lehrergewerkschafter Thomas Krebs warnt vor der zunehmenden Konfrontation: „Immer mehr KollegInnen berichten von Einschüchterungsversuchen und rechtlichen Drohungen.“

    Lehrergewerkschaften warnen vor wachsendem Druck durch Eltern – viele Pädagogen fühlen sich alleingelassen.
Lehrergewerkschaften warnen vor wachsendem Druck durch Eltern – viele Pädagogen fühlen sich alleingelassen. (Symbolfoto) Getty Images

Diese Entwicklung bleibt nicht folgenlos. Pädagogik gerät in den Hintergrund, das Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Elternschaft leidet. Lehrer sehen sich immer öfter gezwungen, ihre Entscheidungen zu rechtfertigen, statt zu unterrichten.

Lehrergewerkschafter sicher: „Anwälte sehen Schule als ein lukratives Geschäftsfeld“

Krebs spricht sogar von einer neuen Dynamik. Denn: „Anscheinend sehen manche Anwälte in der Schule ein lukratives Geschäftsfeld“. Forderungen werden nicht mehr in Elterngesprächen geklärt, sondern mit anwaltlicher Unterstützung durchgesetzt – inklusive Kostenrechnung. Die Folge: Machtverhältnisse verschieben sich, Lehrer fühlen sich alleingelassen.

Gefordert seien nun nicht nur klare Regeln im Umgang mit eskalierenden Eltern, sondern auch strukturelle Rückendeckung. Mehr Schulpsychologen, Sozialarbeiter und externe Unterstützung könnten helfen, die Lage zu beruhigen. „Lehrer unterrichten – sie führen keine Beweisaufnahme“, betont Krebs. Schule dürfe nicht zum Gerichtssaal werden.

Lehrerin berichtet über Gewalt im Schulalltag in Deutschland.

Nicht nur juristische Drohungen machen Lehrerinnen und Lehrern zu schaffen – auch körperliche und psychische Gewalt an Schulen in Deutschland nimmt spürbar zu. Die Lehrerin Birgit Ebel berichtet von jahrelangem Alltag mit Drohungen, Mobbing und körperlichen Angriffen – viele davon durch Schüler mit Migrationshintergrund.

Laut einer bundesweiten Umfrage sind fast 70 Prozent der Lehrkräfte an Brennpunktschulen von Gewalt unter Schülern betroffen. Pädagogen fühlen sich allein gelassen und zunehmend überfordert – und fordern politische Konsequenzen.

4 aktuelle Fakten zur Gewalt an Schulen in Deutschland:

  • Zunahme von Gewaltdelikten: Im Jahr 2023 wurden bundesweit 27.470 Gewaltdelikte an Schulen registriert – ein Anstieg von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
  • Häufigkeit von Gewaltvorfällen: Laut einer Umfrage der Robert Bosch Stiftung berichten 47 Prozent der Lehrkräfte von Problemen mit körperlicher oder psychischer Gewalt an ihrer Schule - an Schulen mit hohem Anteil einkommensschwacher Schüler sind es sogar 69 Prozent.
  • Betroffene Lehrkräfte: 62 Prozent der Lehrkräfte gaben 2022 an, in den letzten fünf Jahren beschimpft, bedroht oder beleidigt worden zu sein, ein Anstieg gegenüber 48 Prozent im Jahr 2018.
  • Ursachen der Gewalt: Lehrkräfte sehen die Hauptursachen für Gewalt in persönlichen Faktoren wie mangelnder Empathie und niedriger Frustrationstoleranz (93 Prozent) sowie in familiären Einflüssen wie Gewalt im Elternhaus (78 Prozent).