Europawahl 2024: Rechte im Aufwind, Scholz unter Druck – Folgen der EU-Wahl in Deutschland

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Die Ampel-Koalition unter Führung von Kanzler Olaf Scholz fuhr bei der Europawahl eine Pleite ein. © Sebastian Willnow/dpa

Für die Ampelkoalition war die Europawahl eine Enttäuschung. Nun drängen sich Fragen auf: Wie geht es für den Kanzler weiter? Und was passiert nach den Ost-Landtagswahlen?

Berlin/Brüssel – Es ist eine klare Pleite für die Ampel-Koalition unter der Führung von Kanzler Olaf Scholz (SPD): Bei der Europawahl verbucht die AfD Gewinne und landet im Osten sogar auf Platz ein. Die SPD dagegen fährt ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt ein – kein gutes Omen für die Landtagswahlen im Herbst in drei ostdeutschen Bundesländern. Die Ergebnisse der Wahl hat Folgen auf die politische Entwicklung in Deutschland. Antworten auf vier Fragen, die sich nach dem Ergebnis stellen:

Wie gefährlich ist das Wahlergebnis für Scholz und die Ampel?

Der französische Präsident Emmanuel Macron machte am Wahlabend kurzen Prozess. Nur eine Stunde nach Verkündung der krachenden Wahlniederlage seines Mitte-Blocks gegen die Rechtsnationale Marine Le Pen kündigte er kurzerhand eine Neuwahl des Parlaments an, die schon in drei Wochen stattfinden soll. „Ich kann also am Ende dieses Tages nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre“, sagte er.

Wäre das auch was für Bundeskanzler Scholz, der mit seiner SPD das bisher schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl eingefahren hat? Die Union fordert von ihm bereits, die Vertrauensfrage zu stellen. Und dafür gäbe es auch ein historisches Vorbild: 2005 machte der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder nach einer Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen genau das, um eine Neuwahl des Bundestags zu erwirken.

Scholz ist allerdings nicht der Typ, der einfach mal so hinwirft. Am Wahlabend schlenderte er demonstrativ gelassen über die Wahlparty im Berliner Willy-Brandt-Haus und machte in aller Ruhe Selfies mit den Genossen - als wenn nichts geschehen wäre.

Die nächsten Wochen könnten aber ungemütlich für ihn werden. SPD-Chef Lars Klingbeil lässt bereits durchblicken, dass seine Partei nun eine härtere Gangart in der Koalition einschlagen wird. Vielleicht dann ja auch mal auf Kosten des Kanzlers. „Unsere Leute wollen uns kämpfen sehen“, sagte Klingbeil am Wahlabend. Aber auch die Wahlschlappen der Grünen und der FDP werden der Kompromissbereitschaft in der Koalition nicht zuträglich sein - und das mitten in schwierigen Haushaltsverhandlungen, die bis zum 3. Juli abgeschlossen werden sollen. Der Ampel dürften also turbulente Wochen bevorstehen.

Wird CDU-Chef Friedrich Merz jetzt Kanzlerkandidat der Union?

Das ist noch offen. Zurücklehnen kann sich Merz jedenfalls nicht. Zwar ist angesichts des klaren Unionssiegs nicht unbedingt zu erwarten, dass direkt am Montag eine unionsinterne Debatte losbricht, ob der 68 Jahre alte Sauerländer tatsächlich der richtige Kandidat wäre, um Scholz nach der nächsten Bundestagswahl abzulösen. Aber ausgeschlossen ist das nicht. Schon lange wird Merz beispielsweise vorgeworfen, er komme weder bei Jüngeren noch bei Frauen gut an.

Laut einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen vom Sonntag liegt die AfD in der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen mit 17 Prozent gleichauf mit der Union, die von den Jungen nur gut halb so viele Stimmen wie insgesamt bekommt. Gut möglich, dass in der Union auch über den Kurs von Merz bei Sicherheit und Migration diskutiert wird. Laut einer vorläufigen Analyse der Wählerwanderung von Infratest Dimap für die ARD sind von der Union zur AfD 600 000, zum BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) 250 000 und zu den Nichtwählern 1,28 Millionen Menschen abgewandert. Auch das könnte Merz mit angekreidet werden.

In der K-Frage, die CDU und CSU nach den Landtagswahlen im September entscheiden wollen, haben die Wahlanalysen für Merz ebenfalls nicht wirklich Erfreuliches parat. So sind laut Analyse der Forschungsgruppe Wahlen vom Sonntag zwar 66 Prozent der Bürger mit der Bundesregierung unzufrieden - aber nur 30 Prozent meinen, dass CDU/CSU die Sache besser machen würde. Weder Merz noch CSU-Chef Markus Söder können sich demnach zudem beim Ansehen klar von Scholz absetzen.

AfD-Wahlparty
Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla jubeln in der AfD-Parteizentrale. © Joerg Carstensen/dpa

Könnte es nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg einen AfD-Ministerpräsidenten geben?

Wenn die AfD Ergebnisse holt wie jetzt bei der Europawahl, könnte sie knapp an dieses Ziel herankommen - und ganz ausgeschlossen ist es zumindest in Sachsen nicht. Würden die Landtagswahlergebnisse im Freistaat so ähnlich ausfallen wie jetzt bei der Europawahl, könnte es theoretisch passieren, dass nur AfD, CDU und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in den Landtag einziehen und alle anderen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Würden nun CDU und BSW auch noch weniger Sitze als die AfD erringen, was beim Blick auf das Europawahlergebnis ebenfalls nicht ausgeschlossen scheint, könnten sie die Wahl eines AfD-Ministerpräsidenten nicht verhindern. (bg/dpa)

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