Putins Drohnen-Regime ist stabil - Probleme birgt der Israel-Iran-Krieg trotzdem
Kreml-Chef Wladimir Putin steckt in der Klemme. So jedenfalls lesen sich viele Meldungen der vergangenen Tage. Der Grund: Moskaus wichtigster Partner im Nahen Osten ist durch den Krieg mit Israel geschwächt.
"Russland hat bereits in den frühen Phasen des Ukrainekrieges militärtechnologische Unterstützung aus dem Iran erhalten", sagt Markus Reisner, österreichischer Historiker und Offizier des Bundesheeres, im Gespräch mit FOCUS online.
"Bei der Übung 'Großer Prophet 17' im Dezember 2021 zeigten die iranischen Streitkräfte erstmals die Shahed-136, eine mit Sprengstoff beladene weitreichende Drohne. Nur wenige Monate später erfolgten bereits erste nachweisliche Einsätze außerhalb des Irans."
Russland arbeitet mit dem Iran zusammen
Die "Shahed-136" ist eine sogenannte lauernde Waffe. Nach dem Raketenstart fliegt sie mit Propellerantrieb über dem Zielgebiet Schleifen, bis ein Operator am Boden sie ins Ziel lenkt.
Sie verfolgt keine beweglichen Objekte, sucht sich ihr Ziel nicht selbst – es handelt sich also um kein "intelligentes" Waffensystem. Durch die Sprengladung, die die Shahed-136 im Kopf trägt und die beim Einschlag detoniert, kann sie jedoch großen Schaden anrichten.
Im September 2022 stellten ukrainische Soldaten bei ihrer Offensive südöstlich von Charkiw fest, dass sie es plötzlich mit einem neuen "russischen" Waffentyp zu tun hatten, sagt Reisner.
"Außerhalb der Reichweite der russischen Artillerie wurden in ukrainischen Feuerstellungsräumen mehrere ukrainische Geschütze sowie eine aus den USA gelieferte M777 Haubitze zerstört." Eine Untersuchung der Trümmer ergab, dass eine russische Drohne mit dem Namen "Geran-2" eingesetzt worden war.
"Der Höhepunkt russischer Abhängigkeit vom Iran ist vorbei"
Heute weiß man: Die Geran-2 ist eine Waffe nach iranischem Vorbild, nämlich der Shahed-136. Ihr Auftauchen im Ukraine-Krieg wurde von vielen Beobachtern als gefährliche Entwicklung eingestuft.
"Russland ist durch den Einsatz der gelieferten beziehungsweise nachgebauten iranischen Drohnen in der Lage, seinen strategischen Abnutzungskrieg gegen die Ukraine fortzuführen und zu intensivieren", sagt Reisner.
Im Juli 2023 begann Moskau damit, die Geran-Drohnen in einer eigenen Fabrik in der Region Tatarstan zu produzieren. "Bis zum Sommer 2025 sollen hier bis zu 10.000 Stück hergestellt worden sein", sagt Reisner. Und das "nahezu selbstständig".
Das bedeutet: Selbst wenn die iranischen Waffenexporte nach Russland in nächster Zeit abnehmen, sind die Folgen für Moskau wahrscheinlich überschaubar. Die Politikwissenschaftlerin Hanna Notte sagte im Gespräch mit dem Berliner "Tagesspiegel", der "Höhepunkt russischer Abhängigkeit vom Iran" sei vorbei.
Der Israel-Iran-Krieg macht auch Russland zu schaffen
Trotzdem tangiert Russland die Situation seines Partners im Nahen Osten. "Sollte das iranische Regime fallen, verliert Russland nach dem Fall des Assad-Regimes in Syrien einen weiteren wichtigen Verbündeten in der Region", sagt Reisner.
Und Notte, die das Eurasien-Programm des James Martin Center for Nonproliferation Studies leitet, erklärte dem "Tagesspiegel": "Die Situation zeigt die klare militärische Überlegenheit Israels, eines amerikanischen Verbündeten. Das stört den Kreml natürlich."
Außerdem könnte eine mögliche Ausweitung des Nahost-Konflikts auch Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis im Kaukasus haben. Georgien, Armenien und Aserbaidschan liegen in direkter Nachbarschaft zum Iran, Russland und der Türkei. Für einen Flächenbrand hätte Moskau, das sich gerade auf die Ukraine konzentriert, laut Notte "nur geringe Kapazitäten".