Nach rechtsextremer Hetze: Islamische Gemeinde Penzberg erfährt viel Zuspruch

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Weilheim
  4. DasGelbeBlatt

Kommentare

„Positive Botschaft“: Penzbergs Imam Benjamin Idriz (Mitte), hier mit Ehefrau Nermina Idriz, freute sich über den spontanen Solidaritätsbesuch von Bayerns Integrationsbeauftragtem Karl Straub (r.) bei der Islamischen Gemeinde. © Andreas Baar

Die Islamische Gemeinde Penzberg erfährt nach der islamkritischen Flugblattaktion der rechtsextremen Partei „Der Dritte Weg“ in der Stadt viel Zuspruch. Der bayerische Integrationsbeauftragte Karl Straub besuchte an diesem Freitag extra die Moschee. Er fand deutliche Worte.

Penzberg – Die Islamische Gemeinde Penzberg hatte sich am Mittwochabend (29. Januar) entsetzt per Pressemitteilung gemeldet: Mitglieder der laut Verfassungsschutz rechtsextremistischen Partei „Der Dritte Weg“ hätten in der Stadt Flugblätter verteilen, „die gezielt gegen den Islam und Muslime hetzen“, berichteten Imam Benjamin Idriz und der Gemeindevorstand. Die Aktion würde sich insbesondere gegen die Islamische Gemeinde Penzberg und ihren Imam richten, hieß es.

Nach rechtsextremer Hetze gegen Islamische Gemeinde Penzberg: Integrationsbeauftragter Karl Straub besuchte die Moschee

Am Freitag (31. Januar) besuchte Karl Straub, Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung, eigens die Islamische Gemeinde und nahm am Freitagsgebet in der Moschee an der Bichler Straße teil. Auch Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) und der katholische Pfarrer Bernhard Holz nahmen daran teil. Spontan hatten sich zudem Mittags rund 30 Bürger vor dem Islamischen Forum eingefunden, um ihre Solidarität mit den Muslimen zu zeigen.

penzberg-islamische gemeinde-imam-integrationsbeauftragter straub
Beim Freitagsgebet mit Imam Benjamin Idriz waren (auf den Stühlen sitzend v.l.) der katholische Pfarrer Bernhard Holz, Bürgermeister Stefan Korpan und der Bayerische Integrationsbeauftragte Karl Straub anwesend. © Andreas Baar

Im Gespräch mit der Presse betonte Pfarrer Holz, dass die katholische Pfarrei „in Freundschaft“ mit der islamische Gemeinde verbunden sei. Die rechtsextreme Anti-Islam-Aktion sei „nicht hinnehmbar“, sagte der Geistliche, der seinen Besuch als ein Zeichen der Solidarität“ empfand.

Verfassungsschutz: Inhalt der Flugblätter war strafrechtlich nicht relevant

Der Polizei sind die rechtsextreme Flugblattaktion und die Pamphlete bekannt. Beim Verfassungsschutz wurden die in Penzberg verteilten Schriftstücke geprüft. Es habe keine strafrechtlich relevanten Inhalte gebeben, sagt Kriminalhauptkommissar Andreas Pätsch, stellvertretender Leiter des Kommissariats Verfassungsschutz, angesiedelt bei der Kripo in Weilheim, der Rundschau.

Die Inhalte seien eher allgemein gehalten, islamkritisch und gegen Islamisierung gerichtet. Die Islamische Gemeinde in Penzberg sei nicht namentlich genannt. Die Partei schreibt allerdings zu ihrer Flugblattaktion dezidiert auf ihrer Internetseite, „Penzberg im Landkreis Weilheim-Schongau“ habe „überregional traurige Bekanntschaft“ für seine Islamische Gemeinde und „deren Prediger Benjamin Idriz“ erlangt. „Aktivisten vom Stützpunkt München/Oberbayern“ hätten daher „eine Flugblattverteilung vor Ort durchgeführt“.

Die Partei der „Der Dritte Weg“ wird laut Pätsch vom Verfassungsschutz beobachtet, sei aber nicht verboten. Weshalb bei der Flugblattaktion in Penzberg rechtlich alles in Ordnung war, wie es heißt.

Deutliche Worte vom Besucher

Diese Solidarität hob auch der Integrationsbeauftragte im Beisein der versammelten Unterstützer vor der Mosche hervor: „In Bayern ist kein Platz für Rechtsextremismus“, betonte Straub – und ergänzte, dass auch die AfD „in Bayern nichts zu suchen“ habe. Menschen muslimischen Glaubens, betonte Straub, würden zum Freistaat gehören. „Sie sind Bayern.“

Korpan: „Völliger Schwachsinn“

Als „völligen Schwachsinn“ bezeichnete Bürgermeister Korpan die rechtsextremen Pamphlete, die in seiner Stadt verteilt worden waren. „Da kann man als Stadt Penzberg geschlossen dagegen stehen.“ Worte, die Imam Idriz sichtlich gut taten. Es sei heute mehr denn je wichtig, eine „positive Botschaft“ zu schicken, sagte er vor dem Gottesdienst im Gespräch mit Straub.

penzberg-islamische gemeinde-imam-integrationsbeauftragter straub
Unterstützung: Eine Gruppe von Bürgern hatte sich spontan zum Freitagsgebet vor der Penzberger Moschee eingefunden. © Andreas Baar

Imam will nicht schweigen

Die beiden Gebetsräumen sowie der angrenzende Forumssaal mitsamt Videoübertragung der Predigt waren gut gefüllt. Bis zu rund 400 Besucher wurden von den Veranstaltern gezählt. Die rechtsextreme Flugblatt-Hetze in Penzberg sei etwas gewesen, „das uns sehr nachdenklich macht als Bürger der Stadt“, wandte sich Imam Idriz an die Gläubigen. Wie soll man auf die Attacken verhalten?, habe man sich im Gemeindevorstand gefragt. Eindeutige Antwort des Imams: „Wir dürfen nicht schweigen.“

„Teil unserer Gesellschaft“

Unterstützende Worte hörten die Zuhörer von Integrationsbeauftragtem Straub: Die Muslime seien „viel mehr Teil unserer Gesellschaft als irgendwelche idiotischen Neonazis“, sagte er – und bekam dafür Applaus im Gebetsraum. Straub betonte gegenüber seinen muslimischen Zuhörern, dass der Freistaat an ihrer Seite stehen würd, „sie gehören zu uns“. Und ergänzte: „Schön, dass es sie gibt.“

Der Bürgermeister machte erneut deutlich, dass in Penzberg kein Platz für Rechtsextremismus sei. „Nazis haben bei uns keine Chance“, sagte Korpan. „Wir sind ein Penzberg, eine Familie.“

Der katholische Pfarrer distanzierte sich deutlich von der rechtsextremen Aktion: Es sei „unsäglich und darf nicht toleriert werden“, machte Holz klar, der Solidarität mit der Islamischen Gemeinde auch im Namen der aus terminlichen Gründen nicht anwesenden Vertreter der Penzberger evangelischen Kirchengemeinde versicherte.

penzberg-islamische gemeinde-imam-integrationsbeauftragter straub
Imam Benjamin Idriz fand bei seiner Freitagspredigt in der Penzberger Moschee auch kritische Worte in Richtung Politik. © Andreas Baar

Imam kritisiert Politik

Bei aller Unterstützung, Penzbergs Imam Benjamin Idriz („Integration ist keine Bedrohung, sondern eine Realität“) legte in seiner Predigt allerdings den Finger in Wunde. Man würde etwas „vermissen“ – nämlich ein „wertschätzendes Wort“ an diejenigen, die einen Migrationshintergrund hätten. Die „positive Stimmen“ und die „besonnene Botschaft“, die Idriz an diesem Tag in Penzberg gehört hatte, reichen ihm nicht. „Wo bleibt das lobende Wort?“, gerade in Richtung der Muslime, fragte der Imam mit Blick auf die Politik von Kanzler bis Kanzlerkandidat. Idriz spielte damit auch auf schreckliche Ereignisse wie zuletzt in Aschaffenburg an, deren Aufarbeitung „von politischen Machtkämpfen“ bestimmt worden seien.

Der Imam schlug einen Bogen zur Judenverfolgung durch die Nazis und die Befreiung des KZ Auschwitz vor 80 Jahren: „Der Holocaust begann nicht mit Waffen, sondern mit Worten“, mahnte Penzbergs Imam. „Hetze und Hass“ hätten den Boden für den Völkermord bereitet. Auch ein „Wegschauen der Gesellschaft“, wie Idriz ergänzte – der jedoch auch Positives fand: Penzberg, betonte er, „schaut nicht weg“.

Kommt Söder?

Davon kann sich demnächst wohl auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) überzeugen. Wie am Rande der Veranstaltung zu hören war, soll der Landesvater zum Besuch in das Islamische Forum kommen.

Mit dem „Das Gelbe Blatt“-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Das Gelbe Blatt“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.

Auch interessant

Kommentare