Hohe Verluste an Ukraine-Front: Russland soll Drohnen mit „hochgiftigem“ Gas ausstatten
Kiew wirft Russland den Einsatz von chemischen Waffen im Ukraine-Krieg vor. Putins Streitkräfte könnten damit auf die massiven Verluste reagieren.
München – Russlands Präsident Wladimir Putin gibt sich im seit über drei Jahre andauernden Ukraine-Krieg weiterhin siegessicher. Der Militärhistoriker Markus Reisner verglich die Stimmung im Kreml im Gespräch mit der NZZ zuletzt mit der Roten Armee im April 1945 – der Sieg scheint für Putins Dunstkreis in Griffnähe. Dennoch sind die Verluste der russischen Streitkräfte weiter extrem hoch. So hoch, dass Moskau wohl auch zu extremen Maßnahmen greift.
Wegen Verlusten im Ukraine-Krieg – Russland soll Drohnen mit „hochgiftigem“ Gas beladen
Das ukrainische Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation (CCD) hat der russischen Armeeführung am Mittwoch den Einsatz von chemischen Waffen bei Angriffen auf Ziele in der Ukraine vorgeworfen. „Der Feind setzt Kamikaze-Drohnen vom Typ Shahed ein, die mit giftigen Substanzen ausgestattet sind, um die Ukraine anzugreifen“, teilte das CCD über seinen offiziellen Telegram-Kanal mit. In einer über der Ukraine abgestürzten Shahed-Drohne habe man einen Behälter mit einem konzentrierten chemischen Kampfstoff mit der Bezeichnung „CS“ gefunden. Nachangaben des CCD handele es sich dabei um eine „hochgiftige Substanz“ mit reizender Wirkung.
Die Drohnen aus iranischer Produktion, die von Russland quasi seit Beginn des Ukraine-Krieges für Angriffe entlang der Front und auf Großstädte im ukrainischen Hinterland eingesetzt werden, könnten den giftigen Kampfstoff im Flug verstreuen. Soldaten und Zivilisten am Boden könnten dadurch zu Schaden kommen, schreibt das CCD weiter. Die Informationen seien auch von den ukrainischen Spezialkräften bestätigt worden, meldet das Zentrum. Dennoch können die Informationen zum aktuellen Stand nicht unabhängig überprüft und verifiziert werden.
Nächstes Kriegsverbrechen: Setzt Russland im Ukraine-Krieg auf chemische Waffen?
CS-Gas findet vor allem als Tränengas Verwendung und wird von polizeilichen Einsatzkräften genutzt, um Krawalle zu kontrollieren oder aufzulösen. Das Gas löst beim Kontakt mit Menschen nahezu sofort Reizungen im Bereiche der Augen und im Atemtrakt aus. In größeren Konzentrationen kann CS-Gas auch Lungenödeme auslösen und in Ausnahmefällen zum Tod führen. Auch wenn der Stoff polizeilich eingesetzt werden darf, ist die Nutzung von CS-Gas in militärischen Konflikten durch das Genfer Protokoll von 1925 untersagt. Russland zählt zu den Unterzeichnern der Vereinbarung.

Massive Verluste an der Front: Russlands steht im Ukraine-Krieg vor traurigem Rekord
Trotz der fehlenden Bestätigung für den Einsatz von chemischen Kampfstoffen könnten die Berichte einen Hinweis auf den Zustand der russischen Streitkräfte im Ukraine-Krieg geben. Die Vorstöße von Putins Soldaten entlang der Frontlinie sind in den letzten Monaten weniger geworden. Das meldete zuletzt auch das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Ukraine-Update. Die Verluste an der Front sind für die Kreml-Truppen jedoch weiterhin enorm. Der ukrainische Generalstab meldete am Donnerstag, dass Russland in den allein in den vergangenen 24 Stunden 1230 Soldaten verloren habe. Die Zahlen lassen sich jedoch nicht unabhängig betätigten – auch weil Russland zu den eigenen Verlusten schweigt.
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Nach der Zählweise der ukrainischen Streitkräfte nähert sich die Gesamtzahl der russischen Verluste damit jedoch rapide der Millionen-Marke. Sollte Russland in den kommenden Wochen an der Front ähnliche Verluste vorweisen, dürfte die Marke bereits im Juni überschritten werden. Dann hätte Putin in der für wenige Tage angesetzten Spezialoperation im Nachbarland über eine Million Soldaten verloren.
- Soldaten: 937.440
- Panzer: 10.654
- Gepanzerte Fahrzeuge: 22.217
- Artilleriesysteme: 26.442
- Mehrfach-Raketenwerfer: 1.366
- Luftabwehrsysteme: 1.135
- Flugzeuge: 370
- Hubschrauber: 335
- Drohnen: 32.925
- Marschflugkörper: 3.145
- Kriegsschiffe und Boote: 28
- U-Boote: 1
- Fahrzeuge und Tanklaster: 44.642
- Spezialausrüstung: 3.801
Quelle: Streitkräfte der Ukraine; Stand: 17. April
Weitere Eskalation im Ukraine-Krieg: Setzt Putin künftig auch auf chemische Waffen?
Der Einsatz von CS-Gas durch Russland wäre somit eine weitere Eskalation im Krieg gegen das gebeutelte Nachbarland. Zuletzt sorgte ein russischer Angriff auf die Stadt Sumy für Aufregung, bei dem über 30 Menschen getötet wurden. Die Ukraine und viele ihrer Verbündeten bezeichnen den Angriff auf Zivilisten als Kriegsverbrechen. Russland betonte, der Angriff haben ukrainischen Offizieren in der Stadt gegolten. Neben den konventionellen Waffen würden chemische Kampfstoffe jedoch eine neue Komponente in den Ukraine-Krieg bringen. (fd)