SPD-Spitze schießt gegen Merz vor Bundestagswahl: „Union versteckt ihren Kandidaten“

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Die SPD gibt sich auf ihrem Bundesparteitag entschlossen und optimistisch – trotz schwacher Umfragewerte. Vor allem ein Thema zieht sich durch die ganze Veranstaltung.

Berlin – Alle Zweifel scheinen vergessen: Die SPD hat Olaf Scholz auf ihrem Bundesparteitag am Samstag in der Berliner Messe mit überwältigender Mehrheit zum Kanzlerkandidaten erklärt. Lediglich fünf Gegenstimmen gab es bei der öffentlichen Abstimmung, und keine Enthaltungen. Wer sich bei den Delegierten umhörte, bekam in der Tat den Eindruck: Die Partei steht geschlossen hinter Scholz, wenige Wochen vor der Bundestagswahl.

Schon zum Start des Parteitags ein Hauch von Rockstartum: Beinahe lässig schlenderte der Kanzler an der Seite der Parteispitzen Lars Klingbeil, Saskia Esken und Fraktionschef Rolf Mützenich unter Jubel und Blitzlichtgewitter durch die Halle. Noch vor zwei Monaten war damit nicht unbedingt zu rechnen. Zahlreiche hochrangige SPD-Politiker meldeten Zweifel an Scholz an, brachten den Namen Boris Pistorius ins Spiel. Erst nach langer Hängepartie einigte man sich.

Lars Klingbeil, Rolf Mützenich, Olaf Scholz.
Lässig beim SPD-Bundesparteitag: Lars Klingbeil, Rolf Mützenich, Olaf Scholz. © Peter Sieben

Jetzt betont man Zuversicht und Geschlossenheit. „Wir werden siegen“, rief Scholz nach seiner Bestätigung als Kanzlerkandidat ins Plenum. Dabei sind die Umfragewerte 43 Tage vor der Bundestagswahl denkbar schlecht. Bei gerade einmal 14 Prozent steht die SPD, deutlich hinter der AfD (21 Prozent) und noch klarer hinter der CDU (36 Prozent). Die meisten Delegierten gaben sich dennoch gelassen.

Olaf Scholz vor Bundestagswahl als Anti-Merz: „CDU versteckt ihren Kandidaten“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil etwa sagte am Rande des Parteitags gegenüber der Frankfurter Rundschau: „Ja, wir haben noch Luft nach oben. Aber es gibt sehr viele Menschen, die noch unentschieden sind.“ Viele würden sich womöglich in den nächsten Wochen oder gar erst in der Wahlkabine überlegen, von wem sie die nächsten Jahre regiert werden wollen. „Friedrich Merz hat noch keinen Tag lang politische Verantwortung getragen. Wer soll unser Land durch diese unruhigen Zeiten steuern? Sehr viel spricht für Olaf Scholz, der gezeigt hat, dass er ein Land führen kann“, so Weil.

Das Narrativ zog sich durch den gesamten Parteitag: Scholz als Anti-Merz; staatstragende Besonnenheit gegen – aus Sicht der SPD – Populismus. „Wofür steht Merz überhaupt?“, fragte Lars Klingbeil in seiner Eingangsrede. „Die Union versteckt ihren Kandidaten, der ist noch im Winterschlaf. Die haben Angst, dass der irgendwas sagt. Denn je näher ihn die Menschen kennenlernen, desto schlechter ist das für die Union.“ Merz gehe es um Stimmungsmache, die SPD kümmere sich um Inhalte. „Für die Fleißigen in diesem Land muss jetzt mehr drin sein. Es geht um bessere Löhne und mehr Investitionen, um das Land wieder zum Laufen zu bringen“, so Klingbeil in seinem deutlich emotionalen Vortrag.

Scholz beim SPD-Bundesparteitag über Ampel: „Hätte früher auf den Tisch hauen müssen“

Olaf Scholz schaltete – erwartbar – in seiner Rede gegenüber Klingbeil ein, zwei Gänge zurück. Fast eine Stunde sprach der Kanzler. Und zog auch eine Ampel-Bilanz: „Vielleicht hätte ich früher auf den Tisch hauen müssen, nicht nur hinter den Kulissen. Vielleicht hätte ich die Koalition früher beenden sollen.“ Dafür gab es am Ende langen Applaus – sieben Minuten lang, um genau zu sein.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius beim SPD-Bundesparteitag.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius beim SPD-Bundesparteitag. © Peter Sieben

Jetzt startet die Partei in den heißen Wahlkampf, es soll bewusst an die Basis gehen, Gespräche an den sprichwörtlichen und tatsächlichen Werkstoren, Besuche bei den Menschen zu Hause. „Da ist jeder von uns jetzt unterwegs“, sagte Bundesverteidigungsminister am Rand der Veranstaltung. Und Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, verriet: „Ich habe schon vor Weihnachten mit den Hausbesuchen angefangen.“ Der Parteitag sorge jetzt dafür, dass das Programm der SPD noch einmal deutlich zugespitzt werde.

Im Zentrum des Programms: Erhalt des Industriestandorts Deutschland und finanzielle Entlastung für die Bürger. „Mehr für dich. Besser für Deutschland“, lautet der Claim dazu. „Der Kern ist, dass wir 95 Prozent der Menschen entlasten und das reichste ein Prozent etwas mehr belasten. Das ist sozusagen das Gegenkonzept zur Union“ sagte der Abgeordnete Macit Karaahmetoglu zur Frankfurter Rundschau.

SPD-Bundestagsabgeordneter Macit Karaahmetoglu im Gespräch mit Reporter Peter Sieben.
SPD-Bundestagsabgeordneter Macit Karaahmetoglu im Gespräch mit Reporter Peter Sieben. © Anne Merholz

Wie das funktionieren soll? Dafür hat die SPD ein Gimmick parat: Ein Bierdeckel samt Rechnung auf der Rückseite, den die Partei in den nächsten Wochen im Straßenwahlkampf verteilen will. Grob zusammengefasst: Zwar steigen die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung, dafür gibt Steuerentlastungen unter anderem bei der Mehrwertsteuer, mehr Kindergeld, kostenfreies Schulessen und am Ende – zumindest laut SPD-Rechenbeispiel – ein sattes Plus von 243 Euro im Monat für eine deutsche Durchschnittsfamilie.

Gruß zum Schluss an Kevin Kühnert beim SPD-Parteitag

Die Pläne sind ambitioniert. Und: Der Wahlkampf wird hart, da ist man sich einig in der SPD. Am Ende gabs noch einen Gruß an einen, der fehlte auf diesem Bundesparteitag kurz vor der Wahl: „Lasst uns Kevin Kühnert grüßen“, sagte SPD-Generalsekretär am Rednerpult. Vor wenigen Monaten hatte sich sein Vorgänger Kühnert aus dem Politikbetrieb wegen gesundheitlicher Probleme zumindest vorübergehend verabschiedet.

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