So viel Geld kostet der Bahnstreik der GDL – Ökonomen machen Rechnung auf

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So viel Geld kostet der GDL-Streik © dpa/ picture alliance/ Daniel Karmann

Der GDL-Streik der Bahn belastet Kundinnen und Kunden. Nun sind Zahlen bekannt, was der Streik die Allgemeinheit kosten könnte.

Berlin - Der Tarifstreit der Bahn kostet nicht nur Nerven, sondern auch Geld: Auf einstellige Millionenbeträge pro Tag hat die Deutsche Bahn den Schaden beziffert. Dies entspricht aber nicht tatsächlichen, sogenannten Wohlfahrtsverlusten, meint Michael Bräuniger, Professor an der Bundeswehruniversität in Hamburg gegenüber der Wirtschaftswoche. Viele Kunden der Bahn würden schlicht umbuchen oder ihre Reise verschieben. Daher sei eine genaue Abschätzung der Kosten für die Bahn fast unmöglich.

Ähnlich schwierig sei es, den Schaden, der der Volkswirtschaft entsteht, zu beziffern, so mehrere Ökonomen gegenüber der Wirtschaftswoche. Bei eintägigen Streiks würde man kaum von Schaden ausgehen, da es zum Beispiel nicht zu Produktionsausfällen kommen würde. Aber es gebe Anhaltspunkte für längerfristige Streiks in Zukunft – damit hat jüngst auch GDL-Chef Claus Weselsky gedroht.

Bis zu 100 Millionen Kosten für die Volkswirtschaft pro GDL-Streiktag

Nicht unüblich sei es, so Bräuninger, sich der Realität über eine Beispielrechnung anzunähern. Im Falle der GDL-Streiks versucht er es, indem er annimmt, jedem Bahnkunden würde für die verlorene Zeit ein Arbeitslohn zustehen.  Bei zwischen 360.000 Fern- und fünf Millionen Regionalreisenden pro Tag errechnet er so Kosten für die Volkswirtschaft, die sich zwischen 60 und 100 Millionen Euro am Tag bewegen.

Auf bis zu 100 Millionen Euro pro Tag an Schaden durch Streik kam auch eine Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft im Jahr 2021. Diese Berechnungen hatten sich aber darauf gestützt, was ausbleibende Güterlieferungen in großen Industrien anrichten können. Diese Zahlen seien aber veraltet, so Thomas Puls, Verkehrsexperte am IW in Köln, weil die Bahn einen kleineren Marktanteil habe.

Puls macht jetzt eine andere Rechnung auf: „Wer soll eigentlich die ganzen prognostizierten Züge 2030 noch fahren?“, meint er. Als Volkswirtschaft sollten wir uns seinen Worten nach eher fragen, was wir gegen den schieren Mangel an Fachkräften in den Stellwerken, den Zügen und auf den Fahrersitzen der LKW tun können. Die Volkswirtschaft müsse sich fragen, wie sie mit dem Fachkräftemangel in Stellwerken, Zügen und in den Loks umgehen wolle. 

Schaden Streiks der Wirtschaft nur? Es gibt auch andere Meinungen in der Forschung

Eine andere Sichtweise äußerte Protestforscher Alexander Gallas im April 2023 im MDR: „Wenn die Leute mehr verdienen, hat das positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Insofern leisten Streiks auch einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung.“

Das sieht auch Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ähnlich, allerdings mit einer Einschränkung. Die höheren Löhne könnten sich meist nur große Unternehmen überhaupt leisten, die etwa parallel zu den Gehaltsverhandlungen hohe Gehälter und Boni an Manager auszahlen würden. Eine kleine Bäckerei, etwa, habe nicht die Marktmacht, um den Aufwand für höhere Gehälter an die Kunden weiterzugeben.

Was sowohl Bräuniger als auch Puls betonen: Die Macht der Gewerkschaften wird sich durch den Fachkräftemangel noch verschärfen. Und, so Bräuninger, sie sollte sorgsam eingesetzt werden. (kat)

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