Wie zwei Ostallgäuer plötzlich Pächter der beliebten Bad Kissinger Hütte im Tannheimer Tal wurden
Dass dieser Traum schon so schnell wahr wird, hätten Johannes Erd und Liam Moore nicht gedacht. Die zwei neuen Hüttenpächter der Bad Kissinger Hütte haben ihre erste Saison hinter sich. Welche Herausforderungen sie gemeistert haben und wie es jetzt weitergeht, haben sie im Gespräch mit dem Kreisboten erzählt.
Ostallgäu/Tannheimer Tal – „Wir haben’s überlebt“, sagen die beiden lachend, aber mit doch leicht ernster Miene. Denn ihr Sommer war alles andere als ruhig und idyllisch. Johannes Erd aus Nesselwang und Liam Moore aus Pfronten haben ihren ersten Hüttensommer als Pächter der beliebten Bad Kissinger Hütte im Tannheimer Tal hinter sich gebracht.
Obwohl die zwei Freunde sich schon vorstellen konnten, „irgendwann mal etwas in die Richtung zu machen“, war die Übernahme einer Hütte alles andere als geplant. Die Anzeige vom Deutschen Alpenverein (DAV) haben sie zeitgleich gesehen und sich gegenseitig geschickt. „Wenn er mitmacht, dann könnten wir das zu zweit bestimmt irgendwie hinbringen“, zitiert Liam seine Gedanken von dem Tag. So bewarben sich die 28-Jährigen Anfang April dieses Jahres und bekamen ein paar Tage später die Zusage.
Vier Wochen hatten sie Zeit, die 1.782 Meter hoch gelegene Hütte für die Saison herzurichten. Dass sie die Hütte kannten, und wussten, welche Menschenmassen sie erwarten würden, habe auf jeden Fall geholfen. „An schönen Tagen in der Hochsaison hat man 500 bis 600 Tagesgäste, und dann ja noch 50 bis 60 Übernachtungsgäste“, sagt Liam.
Durch Liams Erfahrung als Koch, zum Teil auch auf einer Hütte, war klar, dass er hauptsächlich für die Küche zuständig sein wird. Und was das Organisatorische angeht? „Da kommt Johannes ins Spiel“, sagt Liam. Denn Johannes ist der „Allrounder“ mit seinem betriebswirtschaftlichen Wissen, seiner Erfahrung als Energieberater und mit Hüttenerfahrung bei seinem Cousin. „Wir haben uns sehr gut ergänzt“, so Liam weiter.
Lange Schlange und Stromausfall
Dann stand das erste Pfingstwochenende an: Bei bestem Wetter wurden sie auf die Probe gestellt. Die Gäste standen Schlange und putzten ihre ganzen selbstgemachten Bleche Kuchen blitzschnell weg. Dazu kam dann auch noch, dass in der Gaststube und in der Küche plötzlich das Licht ausging. Aus solchen stressigen Tagen haben sie gelernt, zum Beispiel, dass „Kartoffelwedges einfacher sind als Kartoffelsalat, für den man die ganzen Kartoffeln ja auch schälen muss“, erzählt Johannes.

Alleine waren sie über die Saison natürlich nicht – Liams Schwester Amy wurde schnell zum dritten wichtigen Bindeglied. „Es war Gold wert, eine dritte Person über die ganze Saison da zu haben“, sagt Liam über seine Schwester und fügt hinzu: „Wir wussten, dass Amy die beste Person dafür sein wird.“ Irgendwann hatten sie dann auch ein gut eingespieltes Team, das ihnen so einiges erleichtert hat.
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Zehn Meter ändern alles
Was es ihnen dagegen nicht ganz so leicht gemacht hat, waren die österreichischen Regeln und Gesetze. Denn die Hütte steht um zehn Meter in Österreich, weshalb sie – da ihre ID-Austria nicht funktionierte – Bürokratisches in Reutte lösen mussten. Abgesehen davon waren sie selten im Tal – vor allem nicht zu Fuß.
„Außer zum Bewerbungsgespräch bin ich kein einziges Mal hochgelaufen“, sagt Liam. Ihrer Materialseilbahn mit Erlaubnis zur Personenförderung sei Dank. „Ab und zu sind wir schon mal für den Sonnenaufgang auf den Gipfel gelaufen“, viel Zeit für die schöne Natur drum herum gab es aber nicht. Umso schöner war es für die beiden zu hören, dass der Stress in der Hütte bei den Gästen nicht ankommt.
„Man rollt aus dem Bett und ist auf der Arbeit“, sagt Johannes. Da gebe es nicht mehr viel Zeit für ein Leben außerhalb der Hütte. Neben dem Tagesgeschäft waren sie unter anderem beschäftigt mit einem Wasserrohrbruch, Stromausfall, mehrfach kaputter Seilbahn, Lieferproblemen und zwei Meter Neuschnee. „Da merkt man erstmal, wie wertlos ein Haus ohne Wasser ist. Das ist wie Camping, aber in einem riesen großen Haus“, sagt Liam zu den ersten Tagen ohne Wasser. Durch ihre Improvisationskunst und jede Menge Optimismus und Humor haben sie es geschafft.
Wie geht‘s weiter?
So herausfordernd die erste Saison war, es war ein „hoher Lerneffekt“, und jetzt wissen sie, wie der Betrieb läuft. Das ist hilfreich, denn: „Es hat Spaß gemacht und wir sind froh, dass wir es gewagt haben – wir machen weiter!“, sind sich die beiden einig und verraten schon ein paar ihrer Pläne für die kommende Saison. Besonders am Herzen liegt ihnen ein erweitertes Angebot für Einheimische.

So soll es auf der Hütte, die auch gut in einer Feierabendtour erreichbar ist, ein bis zweimal pro Woche auch abends noch warmes Essen geben. „Bei gutem Wetter schmeißen wir dann draußen den Ofen an und machen einen Pizzaabend“, ist eine Idee der beiden. Dazu soll ihr Essen noch lokaler werden, denn mit kleinen Betrieben aus der Region zusammenzuarbeiten ist ihnen genauso wichtig.
Im Winter erwartet sie noch viel Büroarbeit zum Abschluss der Saison. Und neben dem Planen und Organisieren für die nächste Saison will Johannes auch seine verschobene Masterarbeit in Politikwissenschaften schreiben.
Ganz allein geht‘s nicht
Doch eines wollen die beiden nicht vergessen: „Ein dickes Danke an unser Team, ohne das wir es nicht geschafft hätten!“ Auch für die Unterstützung ihrer Eltern, die sie unter anderem in Notsituationen mit Lebensmitteln beliefert haben, und für ihr gutes soziales Umfeld zeigen sich Liam und Johannes dankbar.
Und mit der DAV-Sektion Bad Kissing haben sie auch „eine gute Sektion erwischt“, von der sie viel Unterstützung, aber auch viel Vertrauen entgegengebracht bekommen haben.

„Wir haben schon in vielen WGs gewohnt, aber noch nie zusammen in einer. Die Bad Kissinger Hütte war unsere erste gemeinsame WG“, lachen die beiden Ostallgäuer. „Es war uns wichtig, dass unsere Freundschaft das aushält – sonst hätten wir nicht weitergemacht“. Und so wie sie wirken, scheinen sie dadurch nur noch mehr zusammengewachsen zu sein.
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