„Unterwerfen und dominieren“: Darum hat Putin kein Interesse an Verhandlungen im Ukraine-Krieg

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Selenskyj ist für Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs in die Türkei gereist. Putin bleibt in Moskau. Experten sehen darin Signale Russlands.

Istanbul/Moskau – In Istanbul wird verhandelt: Anders als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, ist Russlands Machthaber Wladimir Putin nicht in die Türkei gereist. Stattdessen schickt Putin eine Delegation, angeführt von Präsidentenberater Wladimir Medinski, um über ein Ende des Ukraine-Kriegs zu verhandeln. Sicherheitsexperte Frank Sauer sieht darin erneut eine „bittere Wahrheit“ bestätigt: „Putin will den Krieg weiterführen.“

Experte über Putins Ziele im Ukraine-Krieg: Will „souveränen, demokratischen Staat auslöschen“

Putins Ziel im Ukraine-Krieg sei es, das Land „als souveränen, demokratischen, nach Westen orientierten Staat auszulöschen“, erklärt der Forschungsleiter am Metis Institut für Strategie und Vorausschau an der Universität der Bundeswehr München gegenüber IPPEN.MEDIA. „Dafür muss er die Ukraine nicht zwingend militärisch besetzen. Es reicht, das Land zu teilen, wirtschaftlich zu schwächen und politisch zu unterwerfen.“ Das zeige sich in den Begriffen „Neutralisierung“ und „De-Militarisierung“. Die „De-Militarisierung“ der Ukraine nannte Russlands Präsident Wladimir Putin immer wieder als Ziel im Krieg in der Ukraine.

Seine Forderungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs hat Putin seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 immer wieder betont. Unter anderem fordert Moskau, die Ukraine müsse die Krim sowie die Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson abtreten und seine Nato-Beitrittsambitionen aufgeben. „Am Ende soll die Ukraine ein Vasallenstaat des Kremls mit einem Statthalter von Gnaden Putins sein, wie Belarus“, erklärt der Militär- und Sicherheitsexperte gegenüber unserer Redaktion.

Ukraine-Verhandlungen in der Türkei: Putin „schickt dritte diplomatische Riege nach Istanbul“

Dass Putin die Ukraine vollständig einnehmen will, glaubt Sauer nicht, dennoch gehe es dem Kreml-Chef darum, das Land zu „unterwerfen und russisch zu dominieren“. Auch hält der Militärexperte es nicht für möglich, dass Russland militärisch in der Lage wäre, die gesamte Ukraine einzunehmen – „zumindest nicht auf absehbare Zeit“. Gleichzeitig betont Sauer jedoch, dass dies nicht notwendig sei, „um die Ukraine politisch niederzuringen“. Verhandlungen über ein Ende des Krieges werde Putin so lange nicht aufnehmen, wie er sich „noch Vorteile auf dem Gefechtsfeld verspricht“, erklärt Sauer: „Deswegen schickt er ja erneut diese dritte diplomatische Riege nach Istanbul, die dort schon 2022 war.“

Putins Ziele im Ukraine-Krieg: Experte sieht Handlungsbedarf der Nato und lobt Merz-Ankündigung

Der Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Uni Köln, Klemens Fischer, glaubt, dass vor allem die Nato gefragt ist, damit Putin nicht über seine erklärten Kriegsziele hinausgeht. Russland brauche mindestens noch fünf Jahre, um für die Nato „eine echte Herausforderung zu sein“, so der Professor für Geopolitik gegenüber unserer Redaktion – sofern die Staaten des Verteidigungsbündnisses nicht handeln. Die verteidigungspolitischen Ankündigungen von Bundeskanzler Friedrich Merz sowie das Aufstocken der deutschen Verteidigungsausgaben seien daher ein gutes Signal an Putin: „Wenn die Russen eine Sprache verstehen, dann genau diese.“

Ukraine-Verhandlungen: Russlands Präsident Wladimir Putin reist nicht nach Istanbul.
Ukraine-Verhandlungen: Russlands Präsident Wladimir Putin reist nicht nach Istanbul. (Archivbild) © IMAGO/Mikhail Sinitsyn

Ende des Ukraine-Kriegs: Putin reist nicht nach Istanbul – Kreml will „Hierarchie“ demonstrieren

Fischer war 30 Jahre lang als Diplomat in Brüssel tätig und hatte dort immer wieder auch mit Russlandfragen zu tun. Putins Fernbleiben bei den Ukraine-Verhandlungen am Donnerstag deutet der Geopolitik-Experte als Signal Russlands: Der Kreml-Chef wolle sich offensichtlich nicht von einem „nicht-Atomstaat vorschreiben lassen, wann er wo anzutreten hat“. Putin wolle eine „Hierarchie“ verdeutlichen – das zeige sich auch an der Delegation, die Moskau zu den Verhandlungen nach Istanbul geschickt hat: Putin demonstriere damit, dass er keine höherrangigen Vertreter entsendet, „wenn sie mit den Ukrainern reden“. Diplomatisch sei es dennoch üblich, dass zu Vorverhandlungen nicht die Staats- und Regierungschefs antreten – das wolle der Kreml damit ebenso deutlich machen.

An Putins Fernbleiben könne man sehen, „wie viel ihm an einer diplomatischen Lösung liegt“, erklärt Sauer. „An ernsthaften Verhandlungen mit dem Ziel eines Friedensschlusses ist er nicht interessiert.“ Putin habe Gespräche dennoch ins Spiel gebracht, „um die Europäer mit ihrem Ultimatum ins Leere laufen zu lassen und gleichzeitig Donald Trump bei der Stange zu halten“. Bundeskanzler Friedrich Merz, der britische Premierminister Keir Starmer, der französische Präsident Emmanuel Macron und Polens Ministerpräsident Donald Tusk hatten ultimativ eine Waffenruhe von Russland gefordert. Andernfalls drohten Russland weitere Sanktionen. Dies wurde von Russland als Ultimatum klar abgelehnt.

Ukraine-Verhandlungen in Istanbul: Sicherheitsexperte erwartet „viel PR und keine Substanz“

Von den Verhandlungen in Istanbul am Donnerstag erwartet Sauer nicht viel. Vielmehr gehe er davon aus, „dass die drittklassigen Unterhändler Russlands Putins Maximalforderungen wiederholen und dass Selenskyj hoffentlich ein Foto von sich und einem leer gebliebenen Stuhl mit Putins Namensschuld verbreiten lässt“. Kurz gefasst erklärt der Sicherheitsexperte: „Ich erwarte viel PR und keine Substanz, also keine echten Fortschritte in Richtung Frieden.“ (pav)

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