Change-Experte Kishor Sridhar: Trumps wirklicher Plan hinter dem vermeintlichen Wirtschafts-Chaos

Zölle, Chaos und Kalkül: Der Masterplan hinter Trumps Wirtschaftskrieg

Donald Trump setzt alles auf eine Karte. Zölle gegen Verbündete, Handelsverträge in der Schreddermaschine, eine Börse im Ausnahmezustand – was für viele nach wirtschaftlichem Wahnsinn aussieht, entpuppt sich bei genauem Hinsehen: Hinter dem vermeintlichen Chaos steckt ein weit größerer Plan. Trump will die Weltwirtschaftsordnung neu schreiben – und arbeitet dabei das Drehbuch der klassischen Change-Theorie ab.

Um also zu verstehen, was er vorhat, lohnt ein Blick hinter die Schlagzeilen: Denn schon einmal haben die USA das Regelwerk der Weltwirtschaft definiert – mit dem Bretton-Woods-Abkommen von 1944.

Trumps historischer Erfolgs-Code: Bretton Woods

Donald Trump möchte die Weltwirtschaft zurückdrehen. Der kleine US-amerikanische Ort Bretton Woods war der Geburtsort des modernen Welthandels. 1944 einigten sich dort 44 Staaten auf ein System fixer Wechselkurse, mit dem US-Dollar als Leitwährung – abgesichert durch Gold. Wer beim Bretton-Woods-Abkommen mitmachte, bekam militärischen Schutz, Zugang zum US-Markt und wirtschaftliche Starthilfe – durchaus attraktiv also. Im Gegenzug stärkten die Partner die US-Führungsrolle.

Doch das System zerbrach 1971, als Präsident Nixon die Goldbindung des Dollars aufhob. Es folgte das Zeitalter flexibler Wechselkurse, Deregulierung und Globalisierung – die neoliberale Ära – und aus Donald Trumps Sicht der Beginn vom Abstieg der USA. Genau das wollen Trump und seine Berater nun ändern.

Trumps Strategie: Vom Handelskrieg zur Weltneuordnung

Trump und seine wichtigsten wirtschaftspolitischen Berater, Scott Bassett und Stephen Miran, sehen in der Deindustrialisierung der USA die größte Gefahr. Die Industrieproduktion ist seit den 1950er Jahren dramatisch geschrumpft – von 28 Prozent des BIP auf heute rund 10 Prozent. Allein ein chinesischer Staatskonzern baute 2023 mehr Schiffe als die gesamte US-Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg.

Um diese Entwicklung umzukehren, braucht es aus ihrer Sicht eine neue Weltordnung – radikal, disruptiv und visionär. Und was liegt bei konsequentem Wandel näher, als sich an das Drei-Phasen-Modell von Kurt Lewin zu halten, jenem deutsch-amerikanischen Psychologen, der Veränderungsprozesse in drei klassische Phasen unterteilte:

  1. Unfreeze (Auftauen): Bestehende Strukturen und Verhaltensweisen werden aufgebrochen
  2. Change: Die eigentliche Veränderung, also Neuformung, findet statt
  3. Freeze (Einfrieren): Die neu geschaffenen Strukturen werden gefestigt

Über den Experten Kishor Sridhar

Kishor Sridhar, Executive Berater, Keynote Speaker und Buchautor, ist anerkannter Experte für Change, Führung und Digitalisierung. Er begleitet deutsche und internationale Entscheider und Führungskräfte operativ in der Unternehmensentwicklung und bei Veränderungsprozessen. In Change-Prozessen bringt er dabei praxisbewährte Erkenntnisse aus seinen Wirtschaftsstudien, wie z.B. „KI in deutschen Unternehmen“ ein und verknüpft diese mit psychologischen Effekten zum „Erfolgsfaktor Mensch“. Kishor Sridhar lehrt an der International School of Management in München u.a. Cross Cultural Leadership und New Work.

Phase 1: Zoll-Chaos als Druckmittel

Freund oder Feind – jeder zahlt. Damit beginnt die Phase 1 nach Lewin, das Auftauen – nur eben in Trump-Manier mit dem Heißluftfön. Trump nutzt Zölle nicht als Schutzmaßnahme, sondern als geopolitisches Hebelwerk. Die Einführung eines 10 Prozent-Zolls auf sämtliche Importe, flankiert von 60 Priozent auf chinesische Waren und 20 Prozent auf Produkte aus der EU, ist kein Ausrutscher, sondern ein kalkulierter Schock.

„Zölle sind nicht das Ziel, sondern der Hebel“, sagt Finanzminister Scott Bassett offen. Es geht darum, die Weltwirtschaftsordnung ins Wanken zu bringen – alte Allianzen zu irritieren und wirtschaftliche Unsicherheiten zu erzeugen.

Genau darin liegt die Parallele zu Lewins Unfreeze-Phase: Der Status quo wird gezielt destabilisiert, um Veränderungsdruck aufzubauen – intern wie extern. Der wirtschaftliche Schock ist die Voraussetzung für das, was folgt.

Phase 2: Reziproke Zölle – Gleiches Spiel für alle

Nun beginnt die Phase 2 – der eigentliche Change. Trump will eine „reziproke“ Handelswelt. Wer US-Produkte mit Barrieren belegt, wird im Gegenzug ebenfalls eingeschränkt. Ziel ist ein Spielfeld, in dem aus Trumps Sicht nicht mehr Währungsmanipulation und Dumpingpraktiken entscheiden, sondern Innovationskraft, Sicherheit und Rechtstreue.

Miran spricht hier offen von der „Erzwingung von Währungsabkommen durch Zoll-Druck“. Seine These: Weil alle in den US-Markt wollen, haben die Vereinigten Staaten in einer globalen Verhandlungssituation eine einmalige Machtposition. Die Daten geben ihm recht: 2024 betrug das US-Handelsdefizit über 900 Milliarden Dollar – eine Zahl, die Trump als Beleg für „systematische Ausbeutung“ versteht.

In dieser Phase – wie bei Lewin – entsteht Neues. Es werden Abkommen geschmiedet, Handelsrouten umgebaut, Währungsfragen neu verhandelt. Instabilität ist hier Teil des Prozesses – nicht ein Versagen.

Phase 3: Das Mar-a-Lago-Abkommen – Ein neuer Bretton-Woods-Moment

Am Ende steht Trumps große Vision: ein neues globales Abkommen, das er am liebsten auf seinem Anwesen Mar-a-Lago schließen würde – ein symbolisches Gegenstück zu Bretton Woods. Die Welt wird in drei Gruppen unterteilt:

  1. Grüne Länder: Verbündete mit Dollarbindung, Marktzugang und Sicherheitsschutz
  2. Gelbe Länder: Teilkooperation möglich
  3. Rote Länder: Isoliert, kein Zugang zum Dollar-System

Laut Miran könnte eine neue Dollarbindung in Form eines flexiblen Abkommens entstehen, das den Dollar schwächt, aber seine Leitfunktion erhält. Die USA würden so wettbewerbsfähiger – und ihre Partner erhalten „Zugang gegen Gefolgschaft“.

Im Sinne Lewins ist das die „Refreeze“-Phase: Die neu geschaffene Weltwirtschaftsordnung soll jetzt fixiert werden – als strukturelles Machtgefüge, in dem die USA wieder die Rolle der dominanten Plattform spielt.

Das Risiko: Change braucht Vertrauen

Doch Donald Trumps Plan hat einen entscheidenden Haken: Change erfordert Vertrauen. Doch genau daran fehlt es. Die USA haben in den letzten Jahren Handelsabkommen einseitig gekündigt, enge Verbündete verprellt und internationale Regeln infrage gestellt. Vertrauen – die vielleicht wichtigste Währung im internationalen System – hat unter Trump massiv gelitten. Ob genug Länder bereit sind, sich unter die neue Ordnung zu beugen, ist fraglich.

Es droht dauerhafter Schaden – für alle Seiten

Trump mag kurzfristig die Machtverhältnisse verschieben und Strukturen radikal aufbrechen, doch das birgt langfristig immense Risiken: eine fragmentierte Weltwirtschaft, ein schwächerer Multilateralismus, mehr Misstrauen in internationale Institutionen. Es droht ein Rückfall in ökonomische Blöcke – verbunden mit weniger Effizienz, mehr Unsicherheit und höherem geopolitischem Risiko. Das langfristige Ergebnis könnte eine globale Ordnung sein, in der weniger Wohlstand für alle entsteht – auch für die USA.

Europa muss jetzt die Welt aktiv mitgestalten

Deutschland und die Europäische Union müssen nun aktiv die neue Weltordnung mitgestalten. Europa muss wirtschaftliche Abhängigkeiten abbauen, eigene Industrien gezielt fördern, Allianzen diversifizieren und die Rolle des Euro als Gegengewicht zum Dollar stärken. Ein glaubwürdiger Binnenmarkt, ein koordiniertes außenwirtschaftliches Auftreten und eine klare Industriestrategie wären erste Schritte.

Letztendlich wird derjenige als Gewinner hervorgehen, der drei Kerntugenden des Change am besten lebt: Entschlossenheit, Umsetzungsstärke, Geschwindigkeit. Meiner Einschätzung nach hat hier derzeit Trump mit seinem Team die Nase vorn. Oder wie sehen Sie das?

Trumps neue Weltordnung ist keine Vision – sie befindet sich bereits in der Umsetzung. Und wer nicht aktiv selbst gestaltet, wird gestaltet.

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