CDU-Kandidatin Caroline Bosbach über „Cancel Culture“: „Moralisch aufgeladene Meinungsvorherrschaft“
Caroline Bosbach tritt für die CDU zur Bundestagswahl an. Die Ex-„Let‘s Dance“-Kandidatin sieht die Meinungsfreiheit bedroht, sagt sie im Interview.
Köln – Caroline Bosbach ist vor wenigen Wochen als Bundestagswahl-Kandidatin für den Rheinisch-Bergischen Kreis nominiert worden. Bis 2017 hat ihr Vater Wolfgang Bosbach den Kreis lange vertreten. Im Interview spricht die 35 Jahre alte CDU-Politikerin über ihre Zeit bei der RTL-Tanzshow „Let‘s Dance“, Meinungsfreiheit, ganz persönliche Tipps vom Vater und darüber, warum sie glaubt, dass in Deutschland bald wieder Atomkraftwerke stehen könnten.
Frau Bosbach, hat Ihr ehemaliger „Let’s Dance“-Partner Valentin Lusin schon zur Nominierung gratuliert?
Wir haben regelmäßig Kontakt, aber haben seit meiner Nominierung noch nicht gesprochen. Auch damals haben wir selten über Politik geredet. Er hatte mehr damit zu tun, mir irgendwie die Salsa beizubringen.
Ex-„Let‘s Dance“-Kandidatin tritt zur Bundestagswahl an: „Habe in der Show gelernt, unter Druck zu liefern“
Sie haben 2022 zusammen in der Show getanzt, kurz nachdem der Ukraine-Krieg anfing. War das manchmal Thema?
Das war in der ganzen Gruppe ein Thema, das hat uns alle sehr mitgenommen. Jeder hat diese schrecklichen Bilder von dem Angriffskrieg gesehen. Man hat gemerkt, dass sich alle beim Training zusammenreißen müssen. Das ist kein Spaziergang, wir haben täglich acht bis neun Stunden trainiert. Da musst du den Kopf frei haben. Wenn du dich nebenbei mit dem Weltgeschehen befasst, wird es eng.

Hat Ihnen die TV-Erfahrung im Alltag als Politikerin geholfen?
Ich habe in der Show gelernt, auch unter extremem Druck zu liefern. Plötzlich musste ich vor fünf Millionen Leuten etwas machen, das ich überhaupt nicht konnte.
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Jetzt kokettieren Sie, im Fernsehen sah das anders aus.
Sagen Sie das mal meiner Mama. Sie hat damals zu mir gesagt: Liebes, sei nicht enttäuscht, du wirst als Erste rausfliegen. Du bist die Unbekannteste und kannst dich nicht bewegen. Am Ende habe ich die Hälfte der Shows geschafft und bin gestärkt aus der Sendung raus.
Inwiefern?
Jeder Stolperer wird mit der Kamera festgehalten. Wenn ich heute in eine Talkshow gehe, dann sage ich mir einfach: Komm, du musst nicht aufgeregt sein. Du musst nur reden, nicht tanzen. Und reden kann ich ganz gut.
Jetzt ist der öffentliche Fokus ein anderer. Sie wollen in den Bundestag. Warum?
Ich habe immer gesagt, wenn ich jemals die Chance habe, auch nur einen kleinen Beitrag dafür zu leisten, dass es wieder bergauf gehen kann, dann werde ich sie ergreifen. Dem Land geht es schlecht.
Was läuft denn schlecht in Deutschland?
Wir haben eine industrielle Kernschmelze. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Themen Wirtschaftspolitik und Migration die Bundestagswahl entscheiden werden. In den USA war es genauso, aus diesem Wahlkampf kann man durchaus Lehren ziehen. Die sicherheitspolitische Lage hat auch große Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir müssen illegale Migration stoppen und legale Einwanderung von Fachkräften fördern.
CDU-Kandidatin: Bundesregierung hat mit Sicherheitspaket „Sand in die Augen der Bürger gestreut“
Ihr Buch „Zeit für Mut“ ist kürzlich erschienen. Darin schreiben Sie, Migration müsse wieder ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit gerückt werden. Man könnte einwenden: Seit Jahren dominiert das Thema den Diskurs doch schon.
Das sehe ich anders. Es passiert nicht genug. Sprechen Sie mal mit den Landräten und Bürgermeistern, Land auf, Land ab. Die Kommunen sind überlastet, fühlen sich alleingelassen. Und wir müssen genau wissen, wer in unser Land kommt. Das ist gerade aber nicht der Fall.

Die Bundesregierung hat ein Sicherheitspaket beschlossen, die Grenzkontrollen wurden ausgeweitet. Reicht das nicht?
Mit diesem Sicherheitspaket wird den Bürgern Sand in die Augen gestreut. Dieses Paket täuscht ein neues Maß an Sicherheit nur vor, es ist keine echte Wende. In der Wirtschaftspolitik ist es genauso, da wird, wenn überhaupt, minimalinvasiv reformiert. Wir brauchen aber einen echten Umschwung.
In Ihrem Buch vergleichen Sie die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung mit der Planwirtschaft der DDR. Meinen Sie das ernst?
Das Buch ist äußerst pointiert geschrieben. Das war eine bewusste Entscheidung, und das erkläre ich direkt im Vorwort. Es ist kein wissenschaftliches Sachbuch, es ist ein Debattenbuch. Wir werden Probleme nicht lösen, indem wir sie tabuisieren. Sondern nur, wenn wir sie klar benennen.
Hilft es der Karriere, wenn man einen Vater hat, der über 20 Jahre im Bundestag saß?
Für die Karriere ist man schon selbst verantwortlich – vor allem muss man halten, was man den Menschen versprochen hat. Hilfreich ist sicher, dass ich die Abläufe im Bundestag schon kenne, das ganze parlamentarische Geschehen. Nicht nur von Papa, sondern weil ich selber vor Ort gearbeitet habe.

Hat Ihr Vater Ihnen mal einen besonderen Rat für Ihre Politikkarriere gegeben?
Papa sagt immer: Niemals auf die Uhr gucken. Ein solches Mandat ist mit viel Einsatz und hoher Verantwortung verbunden. Das ist kein 9-to-5-Job, das ist 24-7. Du musst wissen, was auf dich zukommt.
Ihr Ihrem Buch heißt es: „Teile der Gesellschaft wollen immer mehr. Mehr Geld, mehr Freizeit, mehr Sicherheit und das für alle.“ Wo sehen Sie das Problem?
Das wäre dann kein Problem, wenn wir auch mal darüber sprechen würden, wo das Geld denn herkommen soll. Das Hausrezept der Ampel waren Subventionen. Unsere Wirtschaft braucht aber die richtigen Rahmenbedingungen! Wettbewerbsfähige Steuern, niedrige Energiepreise, etc. Und unsere Gesellschaft braucht wieder Lust auf Leistung statt Diskussionen über die 20-Stunden-Woche.
An einer anderen Stelle schreiben Sie, dass Menschen in Deutschland sich nicht mehr trauten, ihre Meinung zu sagen. Woran machen Sie das fest?
Es gibt eine Meinungsfreiheit im juristischen Sinne. Ich kann schon sagen, was ich will, aber würde gut aufpassen, ob ich davon auch Gebrauch mache.
Warum das denn?
Damit bin ich nicht allein. Laut Umfragen glauben nur noch 40 Prozent der Deutschen, dass sie ihre Meinung frei äußern können. Die sogenannte „Cancel Culture“ hat zu einer moralisch aufgeladenen Meinungsvorherrschaft geführt. In einigen Bundesländern gibt es bereits sogenannte Meldestellen, die extra dafür eingerichtet worden sind, politisch „inkorrekte“ Äußerungen des Souveräns, das sind wir, das Volk, unterhalb der Strafbarkeitsgrenze zu ahnden.
Experten sehen vor allem bei TikTok viel Radikalisierungspotenzial durch Filterblasen und Echokammern. Sollte die Politik nicht gegensteuern?
Ich kenne die Diskussion und die Vorstöße. Aber warum sollten wir Portale zensieren, solange dort Meinungsäußerungen getätigt werden, die nicht strafbar sind? Und ich finde, es ist zu leicht, immer zu sagen: Social Media ist an allem schuld. Daran, dass der Osten AfD wählt, dass die Jugend „rechts“ wählt, etc.
Die AfD hat bei der Europawahl 16 Prozent der Stimmen von Wählern bis 24 Jahre erhalten. Was ist Ihre Erklärung dafür?
In Corona-Zeiten waren große Teile der Jugend mehr oder weniger weggesperrt. Diese Kohorten haben wichtige Jahre ihres Lebens versäumt. Und jetzt leben sie in einer Welt, in der sie sich nicht ernst genommen fühlen und alleingelassen: Der Wohnungsmarkt ist genauso angespannt wie die Sicherheitslage. Der öffentliche Raum, in dem sie sich immer aufgehalten haben, hat sich verändert. Gleichzeitig sind viele Schulen stark sanierungsbedürftig, um es vornehm auszudrücken. Die Politik muss hier ran.
Wie kommen Sie denn in den Feed der jungen Menschen?
Für mich ist Social Media eher Pflicht statt Herzensangelegenheit. Es kostet extrem viel Zeit. Daher poste ich wirklich selten, nur kleine Ausschnitte und Ereignisse meines Lebens. Was das angeht, bin ich ein Boomer.
Atomkraft-Rückkehr nach Neuwahl? „Ich kann mir ein Revival vorstellen“
Ihr Parteikollege Thorsten Schick sagte neulich im Interview: Theke statt TikTok. Also echter Kontakt mit Menschen statt Social Media. Ist das auch Ihr Ansatz?
Der Kollege hat recht. Wahlen werden nicht in Parteizentralen gewonnen und auch nicht bei Instagram. Wir müssen raus, vor allem in den vorpolitischen Raum. Wenn du einen Stand in der Fußgängerzone hast, stell dich davor, nicht dahinter. Am Handy daddeln und bunte Bilder posten, das kann nicht alles sein. Du musst den Leuten zuhören und mit ihnen sprechen. Sonst wirst du sie weder gewinnen noch überzeugen. Das ist zumindest meine Erfahrung.
In Ihrem Buch widmen Sie dem Thema Atomkraft mehrere Seiten. Können Sie sich vorstellen, dass es in Deutschland jemals wieder ein Atomkraftwerk gibt?
Ja, ich kann mir ein Revival der Kernkraft auch in Deutschland vorstellen.
In welchem Zeitraum denn?
Sobald es eine Regierung gibt, die auch den politischen Willen dazu hat. Kernkraft ist sauber, sicher, bezahlbar. Aber Deutschland ist eines der wenigen Länder, die radikal sagen, wir sind raus aus dem Spiel.
Der AKW-Ausstieg ist von der CDU mitbeschlossen worden. Ist eine Rückkehr trotzdem möglich?
Kommt auf den Koalitionspartner an. Mein Wunschpartner wäre natürlich die FDP! Mir ist wichtig, dass das Grundsatzprogramm, das wir uns selber gegeben haben, länger hält als bis zu den nächsten Koalitionsverhandlungen.