Der Coup ihres Lebens
So haben die Maibaumdiebe Inning den HB-Baum von der Wiesn gestohlen
Zwölf Minuten. Länger hat es nicht gedauert, in den Morgenstunden des vergangenen Samstags den Maibaum vom Hofbräu-Zelt auf der Wiesn zu stehlen. Zwölf Minuten, die keiner wohl je vergessen wird, der dabei war. Zwölf Minuten, über die auch heute noch viele reden. Verantwortlich dafür sind die Maibaumdiebe der Landjugend Inning, die in den vergangenen Jahren immer wieder durch spektakuläre Raubzüge auf sich aufmerksam gemacht haben, zum Beispiel durch den Diebstahl des Maibaums vom Bundeswehr-Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck 2023. Der Klau auf der Wiesn aber, das ist der Coup ihres Lebens. Der Starnberger Merkur hat mit einem der Maibaumdiebe gesprochen. Er ist der Redaktion persönlich bekannt, will aber in Hoffnung auf weitere Diebstähle anonym bleiben.
„Wir schauen schon seit Jahren nach einem Maibaum auf der Wiesn“, erzählt der Inninger. In den Biergärten des Hofbräu-Festzelts und der Käfer-Schänke gebe es welche. Nachdem das Hofbräu-Festzelt am vergangenen Donnerstag auf seiner Instagram-Seite über dem Kommentar „Der neue Maibaum ist da! Im Hofbräu-Festzelt steigt die Vorfreude ins Unermessliche“ vier Fotos veröffentlicht hatte, stand für die Burschen fest: Da schauen wir doch mal vorbei.
„Es war klar, dass wir erst mal die Lage klären mussten.“ Beim Ausspähen von außerhalb des Bauzauns, der die Wiesn-Baustelle umgibt, sei ihnen aufgefallen, dass der Baum im Freien gelegen habe. Zu dritt seien sie am frühen Freitagabend daraufhin im Kastenwagen zum Wiesn-Haupteingang am Bavariaring gefahren. Als eine Sicherheitskraft sie gefragt habe, was sie wollten, hätten sie gesagt: „Griaß di. Wir müssen unser Werkzeug holen.“ Was den Maibaumdieben in dem Zusammenhang wichtig ist: „Wir sind nie nach einem Ausweis gefragt worden, noch hatten wir gefälschte Papiere dabei.“ Und: „Wir mussten uns kurz darauf auch keinen Zutritt zum Festzelt verschaffen. Der Baum lag draußen im Regen direkt am Zelt.“ Große Sicherheitsvorkehrungen für das weiß-blaue geringelte 22-Meter-Stück habe es nicht gegeben..
Ein paar Minuten später hätten sie die Theresienwiese wieder verlassen und sich erst einmal beratschlagt, berichtet der Inninger weiter. „Wir haben auch unsere Ältesten gefragt.“ Dabei handele es sich um Inninger zwischen 50 und 60 Jahren mit reichlich Erfahrung auch in Fragen des Brauchtums. Nachdem der Ältestenrat seine Zustimmung unter der Maßgabe, nichts kaputtzumachen, gegeben habe, hätten sie in ihrer Whatsapp-Gruppe das Vorhaben geschildert. „Es gingen 40 bis 50 Daumen hoch, dass sie dabei sind.“

Gegen 23 Uhr fuhr ein kleiner Trupp erneut am Haupteingang vor. „Wir haben nur die Hand gehoben und gegrüßt“, dann hätten die Sicherheitsleute sie erneut ohne jede Kontrolle durchgewunken, schildert der Maibaumdieb. Der Voraustrupp bereitete nun innerhalb einer guten Viertelstunde alles vor, um den Baum später überhaupt vom Gelände transportieren zu können. Auch dabei seien sie von Sicherheitskräften nicht bemerkt worden.
Gegen 1.30 Uhr machten sich schließlich 44 Mann in ihren Autos in Inning auf den Weg zur Theresienwiese. Sie schlichen sich von der Theresienhöhe aus aufs Gelände. „Und dann ging es ratzfatz.“ Nach zwölf Minuten lag der Baum auf zwei Nachläufern, die von einem SUV mit gelben Warnleuchten gezogen wurde – eskortiert von den anderen Fahrzeugen der Inninger mit eingeschalteten Warnblinkern. Mit Tempo 30 fuhr die Kolonne anschließend über die Theresienhöhe und weiter durch Pasing, Aubing, Germering und Gilching nach Inning, wo Maibaum und Diebe gegen 5.30 Uhr eintrafen.
Was dann passierte, muss in zwei Aspekte aufgeteilt werden. Völlig problemlos seien die Auslöseverhandlungen gelaufen, in die sogar Hofbräu-Chef Dr. Michael Möller eingebunden gewesen sei, erzählt der Inninger. Fünf Wiesn-Tische inklusive Bier- und Hendlmarken macht die staatseigene Brauerei locker – und hängt dazu ein Schild „Maibaumdiebe Inning, Raubzug 2024“ an der Zeltwand auf.
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Mit Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr Inning brachten die Diebe den unversehrten Maibaum am Sonntagnachmittag zurück nach München und halfen dabei, ihn wieder herzurichten. „Vier Stunden waren wir da gewesen.“ Auch bei den Sicherheitsleuten habe es keinerlei böses Blut gegeben.
Weitaus weniger entspannt soll derweil der Münchner Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner das Ganze gesehen haben. „Er hat sofort losgeledert und war leider nicht zu beruhigen“, schildert der Maibaumdieb das Treffen. Dass der CSU-Politiker, der nächstes Jahr Münchner Oberbürgermeister werden möchte, nun zwischen den Zeilen den Verdacht äußert, die Inninger hätten sogenannte Wiesn-Akkreditierungen „missbräuchlich verwendet“, wollen die nicht auf sich sitzen lassen. „Wir haben weder etwas gefälscht noch etwas missbräuchlich verwendet, sondern sind einfach so aufs Gelände gefahren.“ Und dass in einem Fernsehbeitrag die Rede davon sei, dass sie einen Sicherheitszaun aufgebrochen hätten, stimme auch nicht.
Was der Landjugend viel wichtiger ist, ist der schreckliche Unfall auf der Baustelle, bei dem am Montag ein 20 Jahre alter Arbeiter ums Leben gekommen ist. „Das tut uns sehr leid. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen.“
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, waren sogar Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums München sagte am Dienstag auf Anfrage des Starnberger Merkur, dass ein begründeter „Verdacht des besonders schweren Diebstahls eines Maibaums von der Oktoberfestbaustelle“ vorgelegen habe. „Dort war der betreffende Bereich mit einem Zaun gesichert, der für den Diebstahl überwunden wurde. Nach aktuellem Stand kam es nicht zu Beschädigungen.“ Durch den Eigentümer bestehe aktuell kein Interesse an einer Strafverfolgung. „Der Vorgang wird zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft München I abgegeben.“