„Fällt uns vor die Füße“ – CDU-Urgestein kritisiert Merz‘ Koalitionsverhandlungen

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CDU-Boss Merz ist heftiger Kritik ausgesetzt, während die AfD an Stärke gewinnt. Wolfgang Bosbach warnt vor einem Vertrauensschwund in der Basis.

Berlin – Die Unruhe innerhalb der CDU hat in den vergangenen Tagen dramatisch zugenommen, nachdem die AfD in aktuellen Umfragen erstmals gleichauf mit der Union liegt – beide Parteien erreichen nun jeweils 24 Prozent der Wählerstimmen. Wolfgang Bosbach, angesehenes Urgestein der Christdemokraten, äußerte jetzt in einem Interview scharfe Kritik an dem Kurs von CDU-Chef Friedrich Merz und dessen Vorgehen bei den laufenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD.

CDU-Urgestein Bosbach rechnet mit Merz‘ Koalitionsverhandlungen ab

Die Union habe sich in den Koalitionsgesprächen bislang nicht durchgesetzt, konstatiert Hermann Binkert, der Leiter des Meinungsforschungsinstituts Insa mit Blick auf die jüngsten Umfragewerte gegenüber Bild und bemängelt, dass die Union „einen dramatischen Absturz“ hinlegt, der in der Geschichte der Partei beispiellos ist. Diese Analyse steht vor dem Hintergrund, dass die Union kurz nach der Bundestagswahl, bei der sie noch über 28 Prozent der Stimmen erzielte, eine drastische Wende in der Wählergunst erfährt.

Wolfgang Bosbach äußert sich entsprechend besorgt über den plötzlichen Kurswechsel der Union, der von einem enormen Schuldenpaket geprägt ist, das im Eiltempo von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde. „Das fällt uns jetzt vor die Füße“, erklärt Bosbach gegenüber dem Tagesspiegel und betont, dass diese plötzlichen Veränderungen im politischen Kurs viele Anhänger der CDU irritiert und enttäuscht haben. Sein Unmut scheint dabei repräsentativ für viele Mitglieder der Partei, die angesichts der aktuellen Situation auf eine klare politische Richtung hoffen.

Union in Umfrage nur noch gleichauf mit AfD – CDU klagt über Parteiaustritte

Die Zahlen aus den neuesten Insa-Umfragen zeigen deutliche Auswirkungen auf die Basis der Partei. Viele Kreisverbände berichten von einem Anstieg der Austritte, wie etwa im Rhein-Sieg-Kreis, wo über 32 Austritte seit der Bundestagswahl registriert wurden, schreibt n-tv.de. Diese Austritte sind Ausdruck eines tiefer liegenden Problems: Viele Mitglieder fühlen sich von den Entscheidungen der Parteiführung nicht mehr vertreten und überlegen, ihre Zugehörigkeit zur CDU zu beenden.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann machte unlängst deutlich, dass die Union dringend auf diese Entwicklungen reagieren muss: „Es darf kein ‚Weiter-so‘ geben“, fordert er laut Bild und ergänzt, dass es nun nicht nur auf einen „guten Koalitionsvertrag“ ankommt, sondern vor allem auf die Taten der neuen Regierung.

Die Stimmung unter den CDU-Mitgliedern sei angespannt, das beobachtet auch Bosbach. Er erläutert im Tagesspiegel: „Die Basis wartet mit Spannung darauf, ob in einem Koalitionsvertrag deutlich die Handschrift der Union zu sehen ist.“ Es seien konkrete Maßnahmen, die gefordert werden: die Beendigung der zu hohen irregulären Migration, die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und eine Senkung der Energiekosten.

Wolfgang Bosbach (links) rechnet mit der Führung der CDU um Friedrich Merz (rechts) ab. In den Koalitionsverhandlungen sieht er die Partei gefährdet, ihr Vertrauen bei den Wählern zu verlieren. © Foto links: IMAGO / Future Image | Foto rechts: IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Koalitionsvertrag mit der SPD: CDU-Basis wünscht sich von Merz Mitgliederbefragung

In Anbetracht dieser Umstände wird der Ruf nach einer Mitgliederbefragung über den Koalitionsvertrag laut. Christian Große, Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Potsdam-Mittelmark, hat sich mit einem Brief an Bundeschef Friedrich Merz gewandt und gefordert, die Parteibasis in solche weitreichenden Entscheidungen einzubeziehen. „Zahlreiche unserer Mitglieder fühlen sich nicht mehr ausreichend repräsentiert und denken ganz offen über einen Parteiaustritt nach“, schreibt er gemäß der dpa.

Die Probleme innerhalb der Parteibasis sind freilich nicht neu, aber sie gewinnen derzeit an Dringlichkeit. Wenn die Unionsführung nicht auf die Bedenken und Wünsche ihrer Mitglieder eingeht, könnte die Partei ernsthafte Schwierigkeiten bekommen, insbesondere angesichts des Aufschwungs der AfD. Diese Partei profitiert von den Enttäuschungen der Wähler und könnte als Alternative zur Union angesehen werden, wenn diese nicht in der Lage ist, ihren Kurs klar zu definieren und umzusetzen.

Koalitionsverhandlungen dauern an: CDU-Mitglieder zweifeln zunehmend an Friedrich Merz

Die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD stellen jetzt eine entscheidende Nagelprobe für Merz dar. In dieser Phase müssen alle getroffenen politischen Entscheidungen nicht nur auf dem Papier als erfolgreich erweisen, sondern auch in der Wahrnehmung der Wähler widergespiegelt werden. Das politische Überleben der Union könnte davon abhängen, ob es Merz und seinem Team gelingt, das Vertrauen ihrer Basis sowie der Wählerschaft zurückzugewinnen.

Der Druck auf die CDU-Führung wächst, da viele Parteimitglieder Zweifel an der Fähigkeit Merz’ haben, die im Wahlkampf gegebenen Versprechen einzuhalten. Die Erfüllung zentraler Anliegen, wie die Beendigung der irregulären Migration und die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wird von der Parteibasis vehement eingefordert. Diese Erwartungen sind nicht nur eine Herausforderung für die künftige Regierung, sondern auch für die gesamte Identität der Partei.

Junge Union mahnt ebenfalls in Richtung Merz

Auch der CDU-Kreisverband Kühlungsborn in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Beispiel für die Unruhe in den Reihen der Partei, nachdem fast ein Drittel der Mitglieder die CDU verlassen hat. Die Austrittsgründe sind klar: Unzufriedenheit über den Kurs hinsichtlich der Schuldenbremse und die Angst, dass die CDU ihre wesentlichen Werte verraten könnte, notierte t-online.de.

Weitere kritische Stimme kommen von der Jungen Union, die sich in einem offenen Brief an die Parteiführung wandte. Darin warnen die jungen Christdemokraten, dass die unzureichende Umsetzung der Wahlkampfversprechen dazu führen könnte, dass sie sich vor den Wählern als Lügner dastehen.

Die kommenden Wochen werden für Merz und die CDU entscheidend sein. Während die Koalitionsverhandlungen mit der SPD voranschreiten, ist es unerlässlich, dass klare Strategien formuliert werden, die sowohl den Erwartungen der Parteibasis als auch den Ansprüchen der Wähler gerecht werden. Ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen könnte der Union eine neue Möglichkeit eröffnen, jedoch ist die Geduld der Mitglieder begrenzt, und das Vertrauen ist erschüttert. Die Möglichkeit, dass die AfD die Union in der Wählergunst überholt, ist jedenfalls real und könnte die politische Landschaft Deutschlands nachhaltig verändern.

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