Wegen dreistem Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung: Pürgener zu Haftstrafe verurteilt
Es gibt verschiedenste Fälle von Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Die Justiz und deren Richter wissen das nur allzu gut. Aber den Fall, der am heutigen Dienstag im Landsberger Amtsgericht verhandelt wurde, hat Richter Alexander Kessler noch nie erlebt.
Landsberg – Mit diesem Statement eröffnete er zumindest die Sitzung, bei der ein 28-Jähriger Pürgener auf der Anklagebank saß. Der Vorwurf: Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Sachbeschädigung.
Juli 2023: Der Angeklagte war mit seinem Fahrrad im Landsberger Ortsteil Pitzling unterwegs. Gerade erst musste er von einem Campingplatz in Landsberg ausziehen. Dort lebte er in einem Wohnwagen, der musste allerdings wegen einer Einigung mit dem Campingplatz-Besitzer dort bleiben. Der 28-Jährige hatte also keinen festen Wohnsitz.
In der Seestraße entdeckte er ein Haus. Es sei zugewachsen gewesen, erklärte der Angeklagte vor Gericht. „Es sah so aus, als wäre es jahrelang nicht betreten worden.“ Also stieg der Angeklagte von seinem Fahrrad und begutachtete das Grundstück genauer. Als er bemerkte, dass in dem Haus tatsächlich niemand wohnte, war die Sache klar: Der Angeklagte zog ein. Er richtete sich das frisch renovierte Gebäude ein: Es gab ein Büro mit Schreibtisch und Computer, eine Küche mit Mikrowelle, eine Schlafcouch und einen Fernseher. Seine Post ließ er sich per Nachsendeantrag an die ‚neue Adresse‘ schicken und er schrieb seinen Namen an den Briefkasten. An die Tür schrieb er mit Filzer „Bitte klopfen“. Und im Gebäudeinneren wurde er noch handwerklich tätig. Mit einem Hammer schlug er ein Loch in die Wand, um an die Wasserleitung zu gelangen. Das Wasser leitete er über einen Schlauch in die Toilette und ließ es durchgehend laufen. Nach knapp sechs Monaten stand plötzlich der eigentliche Besitzer des Hauses vor der Tür...
Nicht nachgedacht
„Wenn‘s nicht so traurig wäre, müsste man schon fast grinsen“, meinte Richter Kessler am Anfang der Verhandlung. Nachdem der Staatsanwalt die Anklage verlas, die der 28-Jährige mit „Stimmt so“ bestätigte, wollte Kessler nur eines wissen: „Wie kommt man auf so eine Idee?“ Er habe nicht drüber nachgedacht, meinte der Angeklagte. „Ich bin davon ausgegangen, dass das Haus niemandem gehört und bin eingezogen.“
Und zwar mit allem, was dazu gehört: Er bestellte seine Schlafcouch auf ebay und ließ sie nach Pitzling liefern, genauso den Schreibtisch und die Waschmaschine. Den Rest brachte er vom Campingplatz mit. Beim Einzug hat der 28-Jährige auch gleich noch einen Stromvertrag abgeschlossen – „wie man es halt so macht“, feixte Kessler.
Das Ganze hätte wohl nach einem relativ normalen Haushalt ausgesehen, wäre da nicht ein riesiges Loch in der Wand gewesen. Mit dem Durchbruch wollte der Angeklagte an die Wasserleitung kommen, um „das Haus von Giftstoffen zu reinigen“. Wie genau er das vorhatte, dazu wollte sich der 28-Jährige nicht weiter äußern.
Dass die ‚Säuberung‘ aber eine horrende Wasserrechnung zur Folge hatte, damit rechnete der Angeklagte nicht. „Ich wusste nicht, dass das so teuer wird“, beteuerte er vor dem Richter. Dass er dadurch im Haus große Schäden verursachte, weil die Feuchtigkeit sämtliche Böden und Türen zerstörte, tat der Angeklagte mit „Blöd gelaufen, tut mir leid“ ab.
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„Blöd gelaufen“ ist die ganze Sache vor allem für den zweiten Zeugen, der den Gerichtssaal betrat. Er ist der eigentliche Besitzer des Gebäudes. Der Bauträger gründete 2018 seine Firma in München. Er kauft alte Häuser, renoviert sie und verkauft sie dann weiter. Sein erstes „Baby“ war das Haus in der Seestraße. Da es das erste Projekt war, habe er sämtliches Geld da reinstecken müssen – insgesamt rund 700.000 Euro. Er wollte es aber mit viel Gewinn verkaufen – 920.000 Euro seien im Gespräch gewesen. Das war vor dem Vorfall.
Satte Rechnung
Dass ein Fremder in seinem Haus wohnt, bemerkte der Bauträger erst, als er die satte Wasserrechnung von rund 5.000 Euro bekam. Damals hielt er es noch für eine Verwechslung. Doch als seine Mitarbeiter an dem Haus arbeiten wollten und den ‚Untermieter‘ entdeckten, kam auch er nach Landsberg und fand sein Haus in einem üblen Zustand vor. Dass das Haus wieder wie neu aussieht, kostet ihn zusätzlich rund 41.200 Euro und weil der neue Käufer von dem Debakel erfuhr, konnte er das Haus nur noch für 670.000 Euro verkaufen. Ein sattes Minus also. Auch auf der Wasserrechnung blieb der Bauträger sitzen. Denn der Angeklagte lebt vom Bürgergeld und kann die hohen Summer nicht bezahlen.
Ein Bild davon, wie es in dem Haus aussah, als der Betrug aufflog, zeichnete die Polizistin, die in die Seestraße gerufen worden war und die den Angeklagten schon aus früheren Fällen kennt. Überall waren Pfützen am Boden, das Eichenholz hatte sich schon gewellt. Auch die Türen waren bis zur Türklinke mit Wasser vollgesogen und aufgeplatzt. In dem Wohnbereich des 28-Jährigen fand die Polizistin zudem „diverse Gefäße mit weißen Flüssigkeiten“. Eine eigene Droge, wie der Angeklagte in der Vernehmung gesagt habe: Ein Gemisch aus Zahnpasta, Shampoo, Sahne und Scheuermilch, das man, wenn es lange genug getrocknet sei, durch die Nase ziehen oder schlucken könne. Schon seit über zehn Jahren konsumiere er die ‚selfmade‘ Droge. Dass seine gesundheitlichen Beschwerden, die er seit gut zwei Jahren habe und von denen er auch dem Gericht erzählte, davon kommen, glaubt der Angeklagte nicht.
In den Schlussplädoyers fiel dem Staatsanwalt nur eine Sache ein, die man dem Angeklagten anrechnen könne. Immerhin sei er teilweise geständig gewesen. Ansonsten könne er nur Fakten finden, die zulasten des Angeklagten gehen. Er war bereits vorbestraft, unter anderem wegen Hausfriedensbruch, und saß schon im Gefängnis. Der Staatsanwalt sprach von Dreistigkeit und fehlendem Unrechtsbewusstsein – Verteidiger Patrick Freutsmiedl bat indes nur um ein mildes Urteil.
Ins Gefängnis
Mild war das Urteil von Richter Kessler nicht. Er verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. „Was sie gemacht haben, schlägt dem Fass den Boden aus“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.